Rede des Bundesministers der Verteidigung, Boris Pistorius, zum Jahresbericht 2022 der Wehrbeauftragten vor dem Deutschen Bundestag am 20. April 2023 in Berlin:

Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten!
Sehr geehrte Frau Wehrbeauftragte, liebe Eva Högl!

Ich danke Ihnen zunächst einmal für den Jahresbericht 2022, aber – ich sage es auch von Herzen gerne – nicht nur dafür. Nach meinen etlichen Besuchen bei der Truppe in Deutschland oder auch in den Einsatzgebieten will ich sehr deutlich sagen: Ihre Arbeit wird außerordentlich geschätzt. Die Soldatinnen und Soldaten wissen, was sie an Ihnen haben. Sie schätzen Ihre jederzeitige Ansprechbarkeit und jederzeitige Bereitschaft, sich den Problemen zuzuwenden und aktiv zu werden. Dafür danke ich Ihnen ganz herzlich, eben auch in meiner Rolle als Verteidigungsminister.
Die jährliche Veröffentlichung des Berichts der Wehrbeauftragten ist und war regelmäßig nicht nur Anlass für eine ernsthafte Auseinandersetzung und zielführende Diskussionen über den Stand und über den Zustand unserer Streitkräfte. Oftmals, so jedenfalls meine – und wahrscheinlich nicht nur meine – Wahrnehmung, führte der Bericht in der Vergangenheit aber auch zu einem ratlosen Schulterzucken und nicht selten auch zu spöttischen Kommentaren. Nirgends ist schließlich anschaulicher aufgeschrieben, was gerade mal wieder nicht läuft, fährt, fliegt oder schießt in der Bundeswehr.

Heute schaut man mit einer neuen Ernsthaftigkeit auf den Bericht, und das begrüße ich sehr. Er ist Gradmesser für die Einsatzbereitschaft unserer Truppe, Gradmesser dafür, wie gut wir gewappnet sind, um unser aller Frieden und Freiheit im Ernstfall zu verteidigen. Und diese neue Ernsthaftigkeit ist nicht zuletzt Folge der Zeitenwende.

Ich stehe mit der Wehrbeauftragten in außerordentlich engem Austausch. Vieles aus dem vorliegenden Bericht haben wir auch schon diskutiert, und wir sind uns einig über die besondere Frage der Priorität der Gewinnung und des Haltens von ausgebildetem und gutem Personal. Es wird die Herausforderung der nächsten Jahre sein, dass wir Personal gewinnen, dass wir Personal halten, dass wir das richtige Personal gewinnen; denn ohne die richtigen Männer und Frauen – und ich betone auch: mehr Frauen – werden wir die Aufgaben in den nächsten Jahren, die vor der Bundeswehr liegen, nicht bewältigen. Das ist eine zentrale Herausforderung, neben all denen, die ich gleich noch nennen werde.

Ich will auch das Thema Rechtsextremismus ansprechen. Ja, diese Fälle gibt es – leider! Aber ich sage auch: Der überwiegende Teil der Truppe steht fest auf dem Boden des Grundgesetzes, ist gut ausgebildet. Die Soldaten wissen, für welche Werte sie einstehen, wogegen sie sich stellen wollen und wofür sie in Deutschland und in der Welt eintreten wollen. Ich bin sehr, sehr dankbar dafür, dieses Wissen zu haben.

Gleichzeitig wissen wir, dass es die anderen gibt. Ich kann ankündigen, dass das Soldatengesetz in Kürze – ich hoffe, vor der Sommerpause, sonst gleich danach – eingebracht werden kann. Wir werden die Bedingungen verbessern, damit diejenigen, die nachweislich gegen unsere Verfassung arbeiten und sie ablehnen, schneller aus dem Dienst entfernt werden können.

Ich will heute auch auf bestimmte Mängel genauer eingehen. Ich zitiere aus dem Bericht: Einsatzbereitschaft bedeutet klare Strukturen und schlanke Prozesse, die Wege beschleunigen anstatt zu bremsen. Und nicht zuletzt bedeutet Einsatzbereitschaft Mut und Verantwortungsbewusstsein, Entscheidungen zu treffen und umzusetzen. Genau hier setzen wir jetzt bei der Anpassung der Strukturen im Ministerium an.

Ich habe seit Amtsantritt viel gesehen, erfahren und gelernt. Ich habe unzählige Gespräche geführt, intern und extern, habe mir ein Bild gemacht von vielen Themen, Abläufen und Problemen. Und ganz egal, mit wem ich gesprochen habe, in einem waren sich alle einig: Mit Blick auf die Herausforderungen, vor denen wir stehen, müssen wir besser werden. Und das Potenzial dafür ist da, ganz eindeutig. Viele Dinge dauern jedoch zu lange, und oft könnte und müsste das Ergebnis am Ende schlicht besser sein.

Dabei will ich aber eines ganz deutlich sagen: Es liegt nicht an den Frauen und Männern im Geschäftsbereich. Diese zeigen ein enormes Engagement, sind hervorragend ausgebildet, motiviert, haben großes Fachwissen und investieren viel Zeit, viel Leidenschaft und Herzblut in ihre Arbeit. Die Quintessenz: Wenn die Leute gut sind, aber die Ergebnisse sind es nicht, dann stimmen vielmehr die Strukturen und Abläufe nicht und müssen verändert werden. Und das werden wir jetzt tun.

Eines ist mir dabei allerdings besonders wichtig: Wir schaffen keine zusätzliche Bürokratie, richten nicht noch mehr Posten ein. Wir schaffen stattdessen ein Instrument, das die Stärken des Hauses besser zur Wirkung bringt: gemeinsames Denken und Handeln, Führen und Entscheiden. Das übergeordnete Ziel dieser Neuaufstellung ist völlig klar: Ich will die Zeitenwende schneller und kraftvoller umsetzen und auch in der Struktur unseres Hauses sichtbar machen.

Wir befinden uns aber nicht nur im Ministerium in einem Moment des Aufbruchs; wir befinden uns insgesamt am Anfang einer großen Anstrengung, die unsere Bundeswehr und unser Land dringend brauchen. Lassen Sie mich deshalb erklären, wie ich die Zeitenwende aus meiner Verantwortung sehe. Ich sehe vier Hauptbaustellen.

Der erste große Punkt ist die Ukraine. Wir werden den mutigen Ukrainerinnen und Ukrainern weiterhin helfen, solange es nötig ist. Ja, das ist teuer. Ja, das hat Lücken bei der Bundeswehr gerissen. Deswegen kümmere ich mich mit Nachdruck um eine zügige Nachbeschaffung, ganz wie im Bericht der Wehrbeauftragten gefordert. Die ersten Maßnahmen sind eingeleitet und erste Bestellungen schneller auf dem Weg als bisher gedacht.

Zweitens: Wir müssen die Bundeswehr besser machen, genau so, wie es im Bericht der Wehrbeauftragten gefordert ist. Wir brauchen eine einsatzbereite, kampfstarke und durchhaltefähige Bundeswehr. Ja, wir alle erschrecken uns vielleicht immer noch, dass wir diese Sätze sagen müssen; vor eineinhalb Jahren wäre das in dieser Form kaum vorstellbar gewesen. Wir brauchen heute aber eine Truppe, die in ihrer gesamten Breite ihre Aufträge aus dem Stand erfüllen kann, kaltstartfähig also.

Deutschland hat der Nato zugesagt, 2025 eine ganze Division zur Verfügung zu stellen. An dieser Zusage werden wir als Land gemessen werden. Das wird ein Kraftakt werden und ein Brennglas unserer Glaubwürdigkeit in der Zeitenwende.

Die dritte Säule ist: Wir müssen insgesamt über Sicherheitspolitik, über Bedrohung, Bündnisse, Abschreckung und unsere Sicherheit anders sprechen als bisher. Wir müssen wieder lernen, in großen sicherheitspolitischen Zusammenhängen und längeren Zeiträumen und Linien zu denken, auch und gerade wir hier gemeinsam.

Das führt mich zum letzten, aber deswegen nicht weniger wichtigen Punkt: zum Geld. Verteidigung ist teuer, und sie wird noch teurer werden. Die Betriebskosten steigen schnell; der Großteil der Beschaffung kommt nicht aus dem Sondervermögen, sondern aus dem Einzelplan 14 – und all das, während auch die Sicherheitslage eben schwieriger wird als leichter, nicht nur mit Blick auf Russland, sondern natürlich auch mit Blick auf die Welt: ganz aktuell im Sudan, aber auch im Indopazifik und in der Sahelregion. Letzteres habe ich vergangene Woche in Mali und Niger selbst sehen können.

Ja, und auch die sehr schnelle technologische Entwicklung des gesamten Themenbereichs verlangt Anstrengung, wenn wir uns gegen Cyberangriffe, neue Waffensysteme und hybride Bedrohungen schützen wollen. All das kostet nicht nur hohe Konzentration und politische Überzeugungskraft, sondern auch viel Geld.

Die zwei Prozent sind und bleiben deswegen unser Ziel für den Verteidigungshaushalt; das ist mein klares Bekenntnis. Sie sind die finanzielle Grundlage und Voraussetzung für all das, was die Bundeswehr mittel- und langfristig leisten und können muss, und zwar dauerhaft, um Frieden und Freiheit zu sichern und eben im Zweifel zu verteidigen.

Die Wehrbeauftragte stellt in ihrem Bericht fest: Russlands Krieg „verändert alles. Auch und vor allem für die Bundeswehr“. Und sie hat recht. Wir stellen gerade die erforderlichen Weichen, um diesen Anforderungen umfassend gerecht zu werden. Wir bauen dabei auf das, was uns schon jetzt starkmacht: die Frauen und Männer der Bundeswehr. Wir ändern das, was wir ändern müssen: Beschaffung, Prozesse, Strukturen.

Der vorgelegte Bericht, der das Ergebnis vieler Gespräche, Eingaben und Reisen unserer Wehrbeauftragten ist, hilft uns dabei, Schwachstellen zu erkennen und besser zu werden. Er ist damit eben auch unverzichtbarer Teil der Zeitenwende.

Vielen Dank.

 

Quelle: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Das Wappen des JCTC; Blauer Bund

JCTC: We train multinational

Joint Logistic Support Group Coordination and Training Centre (JCTC): We train multinational

Das Joint Logistic Support Group Coordination and Training Centre (JCTC) wurde im Oktober 2017 an der Logistikschule der Bundeswehr aufgestellt. Nachdem sich Deutschland innerhalb des sogenannten Framework Nations Concept im Cluster Logistic verpflichtet hat, bis 2024 eine Joint Logistic Support Group (JLSG) mit einem JLSG Headquarters (JLSG HQ) aufzubauen, wurde die Ausbildungseinrichtung JCTC in Dienst gestellt. Hier wird das Personal eines JLSG HQ als multinationaler taktischer Gefechtsstand umfassend, standardisiert und den Einsatzerfordernissen angepasst ausgebildet und zertifiziert.

Die Gliederungdes JCTC; Blauer Bund
Die Gliederung des JCTC

Das multinationale Übungszentrum ist in verschiedene Bereiche (Sektionen) gegliedert: Ausbildung und Übung, Steuerung JLSG HQ Personalpool sowie konzeptionelle Grundlagenarbeit. Weiterhin gehört ein Unterstützungselement dazu, welches in der Zielstruktur 2024 befähigt sein wird, einen verlegefähigen Gefechtsstand mit entsprechender IT-Ausstattung für die Aufstellung eines JLSG HQ jederzeit abrufbar vorzuhalten. Im Bereich der konzeptionellen Grundlagenarbeit unterstützt Personal derzeit die Fortschreibung des politischen Grundlagendokumentes zur NATO-Logistik.

„Rotes Netz“

Aufgabenschwerpunkt des JCTC als Ausbildungseinrichtung ist es, verstärkt Übungsvorhaben der NATO zu unterstützen. Ziel ist es dabei, dass beide große JLSGs der HQ Brunssum und Neapel jährlich nach Garlstedt kommen, um dort ausgebildet und sofern erforderlich im Rahmen von Übungen zertifiziert zu werden. Dies ist beispielsweise für die Standby-Phasen der NRF der Fall. Für solche Zertifizierungen kann das JCTC die dazu notwendige Übungsumgebung idealtypisch bereitstellen. So auch in der Übung Steadfast Jupiter 22, an deren Ende das JLSG HQ Neapel zertifiziert wurde. Das JLSG HQ Brunssum hat ebenfalls bereits beantragt, das JCTC entsprechend zu nutzen. Im Oktober 2023 werden Angehörige des HQs nach Garlstedt kommen, um in einer vergleichbaren Übung im Ausbildungsgefechtsstand des JCTC überprüft zu werden.

Die Ausbildungsanlage JCTC an der Logistikschule der Bundeswehr in Garlstedt, Blauer Bund
Die Ausbildungsanlage JCTC an der Logistikschule der Bundeswehr in Garlstedt

NATO-Übungen werden in der IT- Sicherheitsdomäne NATO Secret durchgeführt. Umgangssprachlich wird hier vom „Roten Netz“ gesprochen, ohne welches keine gesicherte Kommunikation möglich ist.
Bereits seit längerer Zeit initiiert, nun durch Staatssekretärweisung angestoßen, wird das JCTC diese Fähigkeit erhalten und kann so künftig auch Übungen in der Sicherheitsdomäne NATO Secret durchführen.
Dies ist der erste Schritt der Weiterentwicklung des JCTC von seiner Anfangsbefähigung hin zur Zielbefähigung.

SatComm Antenne des JCTC; Blauer Bund
Weitreichende Verbindung über Satellitenkommunikation

Für Steadfast Jupiter 22 wurde, wie bereits bei der Zertifizierung des I. Deutsch-Niederländischen Korps im Dezember 2020, durch eines der NATO Fernmelde/ IT-Bataillone diese Rote Informationstechnik inklusive einer Satellitenkommunikationsmöglichkeit aufgebaut und betrieben um die direkte Anbindung an das NATO-Führungsinformationssystem sicher zu stellen.

Mit dem Angebot dauerhaft verfügbarer und verbesserter „roter IT“ in der stationären Übungsumgebung des JCTC wird es als permanente und hochwertige Übungseinrichtung innerhalb der NATO nachhaltig Akzeptanz finden.

Arbeit in der JLOC (Joint Logistic Operation Centre) während des Trainings; Blauer Bund
Arbeit in der JLOC (Joint Logistic Operation Centre) während des Trainings

Wichtiger Bestandteil des JCTC ist auch die Individualausbildung im Bereich des NATO-Grundlagentrainings. In JLSG Orientation Trainings wird innerhalb ihrer eigenen Nationen national ausgebildetes Personal darauf vorbereitet, in einem multinationalen JLSG HQ zusammen zu arbeiten. In diesen Trainings werden Grundlagen der NATO-Logistik sowie die komplexen Arbeitsweisen eines solchen HQ vermittelt. Zudem werden Spezialisten, die in den HQs mitarbeiten sollen, in der logistischen Unterstützungs- und Führungssoftware Logistic Functional Area Services (LOGFAS) der NATO ausgebildet und unterrichtet. In verschieden Trainings findet die Ausbildung für die Anwender der Module für die Verlege-, Transport- und Folgeversorgungsplanung und -durchführung, welche LOGFAS bietet, statt. Dabei hat die Bundeswehr und die NATO einen immer größer werdenden Bedarf innerhalb der Spezialisten. Entsprechende Ausbildungskapazitäten innerhalb der NATO sind eine gesuchte Mangelressource.

Die Idee des JCTC: Mindestens ein „Zweiklang“

Das „Rote Netz“ wird das JCTC befähigen, eine Zusammenarbeit zwischen dem JCTC in Garlstedt und dem NATO Joint Warfare Centre Stavanger in Norwegen, und gegebenenfalls anderen internationalen Institutionen, an denen unterstützende Einheiten üben können, zu ermöglichen.
Hinter dieser Idee steckt ein einfacher Grundgedanke: Ist ein Allied Joint Force Command (JFC) beauftragt, in einem Einsatz operativ zu führen und ein JLSG HQ ist als logistische Führungselement vorgesehen, wird das JFC im Schulungs- und Trainingszentrum der NATO in Stavanger zertifiziert. Entsprechend ist auch das dazugehörige JLSG HQ zu zertifizieren. Aus Kapazitätsgründen, insbesondere im Bereich der logistischen Fachexpertise, welche ein solches Übungsvorhaben abverlangt, bietet es sich an, dies in einer hierfür spezialisierten Ausbildungseinrichtung mit entsprechenden Trainern zu tun.

Der ideale Ort für eine Zertifizierungsübung einer JLSG. Blauer Bund
Der ideale Ort für eine Zertifizierungsübung einer JLSG.

Für eine gemeinsam Zertifizierungsübung mit dem JFC HQ ist die Rote Informationstechnik Grundvoraussetzung.
Mit Blick auf eine Weiterentwicklung der Ausbildung am JCTC ist es vorstellbar, die einem JLSG HQ unterstellten Truppenteile, beispielsweise im Logistischen Übungszentrum an der Logistikschule der Bundeswehr, im gleichen Übungsszenario trainieren.
So entsteht durch Dislozierung der Beteiligten ein reales Szenario, welches ähnlich wie bei einer großen Feldeinsatzübung ist.

Mit dem JCTC in Garlstedt bietet der Bundeswehr eine in der NATO in dieser Form einmalige Einrichtung, die sich – Dank des außergewöhnlichen Engagements und der Begeisterung des hier tätigen Personal – innerhalb kürzester Zeit eine hervorragende Reputation erarbeitet hat.

Erstmals erschienen im Hardthöhenkurier Ausgabe 6/2022

Autor: Kathleen Boungard

Bilder: © Bundeswehr/LogSBw

Das neue Sturmgewehr HK416 A8 von Heckler & Koch; Blauer Bund

Beschaffung des neuen Sturmgewehrs für die Bundeswehr läuft an

Die Bundeswehr erhält das neue „System Sturmgewehr“ für die Truppe.
Auf Einladung der Vizepräsidentin des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr kamen am 23. Januar 2023 sowohl Vertreter der Geschäftsführung des Hersteller Heckler und Koch als auch die Projektleitenden des BAAINBw zum Abschluss von letzten vertraglichen Details zusammen. Der Grundstein für das Projekt wurde mit der Billigung des geschlossenen Vertrages durch den Haushalts- und Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages im Dezember 2022 zur Beschaffung der zukünftigen Standard-Bewaffnung der Soldatinnen und Soldaten gelegt.

Ab 2026 erhält die Bundeswehr das Gewehr mit der Bezeichnung G95A1 als neue Standardwaffe und das G95KA1 in einer kurzen Ausführung für spezialisierte Kräfte. Im Rahmen dieses Vorhabens können nunmehr in den kommenden Jahren neue Sturmgewehre für die gesamte Bundeswehr beschafft werden. Das neue Gewehr basiert auf dem HK416 A8 des Herstellers Heckler und Koch.

Das neue Sturmgewehr HK416 A8 von Heckler & Koch; Blauer Bund
Das neue Sturmgewehr HK416 A8 von Heckler & Koch

Die Auswahlentscheidung für diese Waffe fiel bereits im Frühjahr 2021.
Aufgrund eines längeren Nachprüfungsverfahrens kam es zu Verzögerungen. Der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes für solche Fälle folgend wurden mit der Vertragszeichnung die durch die Verfahrensdauer erforderlichen vertraglichen Anpassungen vorgenommen.

In einem ersten Schritt werden 390 Nachweismuster an die Bundeswehr ausgeliefert. Hiervon werden der Wehrtechnischen Dienststelle für Waffen und Munition 40 Sturmgewehre zur Qualifizierung übergeben. Die restlichen 350 Waffen erhält die Truppe zur Einsatzprüfung, welche unter anderem in verschiedenen Klimazonen stattfinden wird. Die umfangreiche Erprobung dient dem Vergleich mit der durch den Hersteller im Vergabeverfahren eingereichten Waffen.

Text: PIZ AIN
Bild: Bundeswehr/Heckler & Koch

Veranstaltungshinweis: RÜ.NET2022

Am 31. August und 01. September 2022 findet das 4. Anwenderforum Rüstung und Nutzung in der Rhein-Mosel-Hall Koblenz statt.

Das Anwenderforum Rüstung und Nutzung ist eine etablierte Großveranstaltung, auf der sich Bundeswehr und Industrie zu unterschiedlichen Rüstungsthemen austauschen. Auf keiner anderen Veranstaltung können Sie so direkt mit dem öAG Bundeswehr kommunizieren. Die durch das Bundesministerium der Verteidigung initiierten Agenden Rüstung und Nutzung sind die inhaltlichen Treiber dieses anspruchsvollen cpmEVENTS.

Auf der Agenda finden Sie also Systeme, die sich bereits im Lifecycle Management der Bundeswehr befinden, aber auch jene, die für die Beschaffung der Bundeswehr avisiert sind. Hierbei wird das gesamte Teilstreitkraft- und Organisationsbereichs-Portfolio thematisiert: Rüstungs- und Nutzungsmanagement in den Dimensionen Land-Luft-See. Die Themen reichen von Waffensystem PUMA über den EUROFIGHTER TYPHOON bis hin zur Korvette 130.

Das Leitthema der RÜ.NET2022 ist:

Das Fähigkeitsprofil der Bundeswehr 2027
Herausforderungen für die Rüstung im Kontext aktueller Konflikte – Die Bundeswehr auf dem Weg zur Vollausstattung

Das vorläufige Programm (Änderungen vorbehalten):

Für eine Keynote zugesagt haben bereits:

  • Vizeadmiral Carsten Stawitzki, AL Ausrüstung im BMVg
  • Generalleutnant Gert Nultsch, AL Planung im BMVg
  • Dr. Atzpodien, Hauptgeschäftsführer BDSV e.V.
  • Leiter der Projektabteilungen des BAAINBw (Einkauf, Informationstechnik, Kampf, Land und See)

Folgende Beiträge werden behandelt:

  • Aktuelle Herausforderungen aus Sicht der Abteilung K – Schwerpunkt Bodengebundene Luftverteidigung
  • Aktuelle Herausforderungen aus Sicht der Abteilung L – Schwerpunkt F35 und STH
  • Aktuelle Herausforderungen aus Sicht der Abteilung U – Schwerpunkt Sanitätsausstattung
  • Aktuelle Herausforderungen aus Sicht der Abteilung S – Schwerpunkt „Schiffbauprojekte Überwasser“
  • Aktuelle Herausforderungen aus Sicht der Abteilung I – Schwerpunkt Command and Control
  • Zeitgemäße Kampfbekleidung und Ausrüstung für die Landes- und Bundnisverteidigung (Abteilung E) – „Vollausstattung der Truppe wird bis 2025 erreicht“
  • Aktuelle Herausforderungen aus Sicht der Abteilung T – Schwerpunkt „30-Tage ET/AT Einsatzvorrat – Way Ahead“

Weitere Informationen und Anmeldung zur Veranstaltung.

Quelle: cpm publications and events GmbH

Rheinmetall modernisiert Simulatoren für Marinehubschrauber NH90 NFH Sea Lion

Weiterer Erfolg für führende Produktreihe Asterion

Rheinmetall konnte mit seiner Simulatoren-Produktreihe Asterion einen weiteren Erfolg erzielen. So hat die Rheinmetall Electronics GmbH von seinem Partner Reiser Simulation und Training GmbH (RST) einen Folgeauftrag für die Simulatoren des Marinehubschraubers NH90 NFH Sea Lion erhalten.

Rheinmetalls Simulationsspezialisten aus Bremen werden ein Upgrade des Asterion-Cockpit Trainers „Funktionales Cockpit“ vornehmen. Das Funktionale Cockpit ist Bestandteil des von Reiser Simulation und Training GmbH entwickelten und gelieferten Maintenance Training Rig des NH90 für die deutsche Marine in Nordholz. Dieser Simulator ermöglicht dem Wartungspersonal des Marinefliegergeschwaders 5 das realistische Training von Wartungs- und Instandsetzungsprozeduren. Die Simulatoren werden bis 2024 aktualisiert.

Mit diesem Upgrade wird die Ausbildung des Marinepersonals auf dem aktuellen Konfigurationsstand des Marinehubschraubers NH90 NFH Sea Lion ermöglicht. Dieses Upgrade stellt einen wichtigen Meilenstein für die Nutzung des Maintenance Training Rigs in Verbindung mit dem integrierten Asterion-Cockpit Trainer „Funktionales Cockpit“ für den NH90 NFH der deutschen Marine dar.

Bei der Asterion-Produktreihe von Rheinmetall handelt es sich um ein herausragendes dynamisches und realistisches Trainingsmittel für die Ausbildung von technischem Personal. Asterion überzeugt durch seine hohe Nachbildungsgüte. Damit ermöglich Rheinmetall eine absolut realitätsnahe Ausbildung des NH90-Bodenpersonals – inzwischen sowohl bei den deutschen Heeres- als auch den Marinefliegern.

Bereits im Dezember 2016 erfolgte die Abnahme des weltweit ersten Asterion-Cockpit Trainers für den NH90 TTH des Heeres. Dieser wurde dem internationalen Hubschrauberausbildungszentrum in Fassberg zur Nutzung übergeben. Daraufhin erhielt Rheinmetall im August 2017 den Auftrag zur Weiterentwicklung dieser hochkomplexen Asterion-Ausbildungssimulationssoftware sowie dessen Integration in das Maintenance Training Rig (MTR) der Firma Reiser Simulation und Training GmbH. Das MTR bildet alle relevanten Funktionen ab für den neuen Mehrzweckhubschrauber NH90 NFH Sea Lion der deutschen Marine in Nordholz in der ersten Ausbaustufe des Hubschraubers.

Mit Hilfe einer Datenaufnahme am echten Hubschrauber der Deutschen Marine wird Rheinmetall diese Software nun an den aktuellen Konfigurationsstand des NH90 Hubschraubers anpassen und in das funktionale Cockpit integrieren. Damit spiegelt das Trainingsmittel das Verhalten des Originalgeräts identisch wider. Dies ist für die Ausbildung und das Training des Wartungs- und Instandsetzungspersonals der deutschen Marine unumgänglich.

Die jetzt erfolgte Beauftragung ist ein weiterer wichtiger Meilenstein für Rheinmetall im Bereich Maintenance Trainingsmittel, um die Nutzer bei ihrer Hochwertausbildung auf Niveau der europäischen Luftfahrtregelungen EMAR maßgeblich zu unterstützen.

Quelle: RHEINMETALL AG (Text und Bild)

 

15. Bericht des Bundesministeriums der Verteidigung zu Rüstungsangelegenheiten

Die Berichte zur materiellen Einsatzbereitschaft

Das Ministerium legt zudem halbjährlich einen Bericht zur materiellen Einsatzbereitschaft der Hauptwaffensysteme der Bundeswehr vor, um Parlament und Öffentlichkeit zu informieren. Wie die Rüstungsberichte sind sie in einen öffentlichen und einen geheimen Teil gegliedert, um besonders sensible Informationen zu schützen.

Hier finden Sie den öffentlichen Bericht…

Landmobilität der Zukunft – künftigen Herausforderungen mit Innovationen begegnen

„Wie stellen Sie sich die Welt in 50 Jahren vor?“

Auch wenn sich seit jeher anerkannte Wissenschaftler/Innen, Zukunftsforscher/Innen und renommierte Unternehmen ebenso wie das Militär mit der Analyse möglicher Zukünfte und Zukunftsszenaren beschäftigen, ist diese Frage in Zeiten zunehmender Innovationsgeschwindigkeit, rasanter Veränderungen und neuer Herausforderungen nicht leicht zu beantworten. Einige mögen an ein Leben in Megacities denken; die smarte Wohnung erledigt selbstständig Haushalt, Einkauf und Kochen, während man für den Weg nach Hause ein selbstfahrendes Auto nutzt. Andere haben eventuell düstere Szenen aus Science-Fiction Filmen vor Augen. Ein gewisses Maß an Unsicherheit ist Zukunftsprognosen immer eigen. Jedoch gibt es eine Reihe von Indikatoren und Zukunftstrends (beispielsweise Urbanisierung, Vernetzung, Automation und Künstliche Intelligenz (KI)), welche Ableitungen ermöglichen. Damit kann Chancen und Risiken der Zukunft bestmöglich begegnet und die damit einhergehenden Unsicherheiten geschmälert werden.

Die Arbeitsgruppe „Mobilität und intelligente Verkehrssysteme“ der 2017 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gegründeten „Plattform Lernende Systeme“ hat im Rahmen ihrer Untersuchungen ein sogenanntes Umfeldszenario[1] entwickelt. Abgeleitet aus den hohen Verkehrs- und Umweltbelastungen im Jahr 2018, welche der Transport von mehr als drei Milliarden Tonnen Güter durch LKW auf deutschen Straßen erzeugte, wurde untersucht, wie eine KI-basierte multimodale Transportplanung zu einem effizienteren Gütertransportverkehr beitragen könnte.

Gemäß des Umfeldszenarios vermögen solche Lernenden Systeme den Gütertransport schon in wenigen Jahren kostengünstiger und umweltschonender zu gestalten. So werden diese dann zum Beispiel einen automatisierten Güterumschlag von der Straße auf die Schiene steuern und realisieren: Intelligente Logistikhubs prognostizieren den Warenbedarf, während autonome Roboter liefern und entladen.

Tobias Hesse, Abteilungsleiter Fahrzeug- und Systemfunktionsentwicklung am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt und Co-Leiter der Arbeitsgruppe sagte 2019: „Damit die Transformation zu einem intelligenten, nachhaltigen Mobilitätssystem Realität werden kann, müssen Standards vorangetrieben werden. Der automatisierte Güterumschlag setzt standardisierte Transporteinheiten voraus. Automatisierte Fahrzeuge erfordern einheitliche Kommunikationsprotokolle und Interaktionsprinzipien, damit sie verständlich mit Insassen, Fußgängern und Radfahrern kommunizieren können.“

Aus dieser zivilen Perspektive heraus basieren mögliche Zukünfte auf einem hohen Innovationsgrad. Auch für die Bundeswehr sind vergleichbare Szenare und mögliche Zukünfte wesentlicher Bestandteil der strategischen Planung, des Innovationsmanagements und der zielgerichteten Fähigkeitsentwicklung.

Landmobilität im Zuge des Wandels

Der griechische Philosoph Heraklit von Ephesos machte vor über 2500 Jahren mit seinem Zitat „Die einzige Konstante im Universum ist die Veränderung.“ auf den allgegenwärtigen Faktor Unsicherheit aufmerksam, der insbesondere auch militärisches Handeln und militärische Planungen bis heute prägt. So sind die Annexion der Krim durch Russland und die anhaltenden Kampfhandlungen im Osten der Ukraine Beispiele für unvorhergesehene Entwicklungen, welche die regelbasierte euroatlantische Friedens- und Stabilitätsordnung auf eine harte Probe stellen. Diese „Rückkehr“ zwischenstaatlicher Konflikte stellt eine zusätzliche sicherheitspolitische Herausforderung unserer Zeit dar, die sich nicht zuletzt auch wesentlich auf den Charakter möglicher zukünftiger Einsatzszenare der Streitkräfte auswirkt. So gilt es gemäß der Konzeption der Bundeswehr, nach Jahren der ausschließlichen Konzentration auf Einsätze im Rahmen des Internationalen Krisenmanagements (IKM) die umfassende Befähigung zur kollektiven Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BV) zurückzuerlangen und diese gleichzeitig mit der Befähigung zur Teilhabe am IKM vorzuhalten.

Dazu ist es erforderlich, insbesondere den Charakter der LV/BV zu analysieren und in der Folge spezifische Anforderungen für und aus dem Fähigkeitsprofil der Bundeswehr abzuleiten. Dieser Prozess hat auch für die Landmobilität zu einem fundamentalen Umdenken und schließlich zu einem neuen Konzept „Landmobilität der Bundeswehr“ geführt, welches der Generalinspekteur der Bundeswehr am 13. Mai 2019 gebilligt hat. Seit der Abkehr von Stellungskriegen müssen Streitkräfte einen immer ambitionierteren Grad an Mobilität aufweisen. Um auf die damit verbundenen Herausforderungen auch langfristig adäquat reagieren zu können, gilt es neben dem Rückgriff auf altbewährte Lösungen zunehmend innovative Ansätze zu entwickeln und zu nutzen.

Mit diesem Landmobilitätskonzept wird zum einen der eingeschlagene Weg der Modernisierung bruchfrei fortgesetzt und zum anderen werden zukunftsweisende und klare qualitative Vorgaben gemacht, die als „Leitplanken“ für den notwendigen Aufwuchs und die dringende Regeneration der Landfahrzeuge der Bundeswehr dienen. Unter den vier Gestaltungsfeldern „Schutz“, „Trennung von Mobilität und Funktionalität“, „Kraftstoffresilienz“ und „Automatisierung und unbemanntes Fahren“, bergen die beiden Letztgenannten sicherlich das größte Innovationspotenzial.

„Automatisierung und unbemanntes Fahren“ rückt durch die rasanten technologischen Entwicklungen immer weiter in den Fokus. Heute sorgen Fahrzeuge ohne Fahrer auf amerikanischen Straßen noch für erstaunte Blicke. Mit zunehmender Gewöhnung, wird auch das Vertrauen in die zugrundeliegenden technischen Möglichkeiten und deren Zuverlässigkeit wachsen.

„Kraftstoffresilienz“ hingegen ist ein eher verborgenes Gestaltungsfeld, da es sich vornehmlich im Motor abspielt. Außerhalb des Motorraumes ist die Sicherstellung der Versorgbarkeit – und somit auch der Durchhaltefähigkeit – militärisch von zentraler Bedeutung. Aufgrund gesetzlicher Emissionsvorgaben besitzt es zudem eine gesellschaftliche Dimension. Durch den Aspekt der Nachhaltigkeit bekommt es einen dritten, innovativen Anstrich, soweit es um die Entwicklung und Nutzung nachhaltiger synthetischer Kraftstoffe geht.

Der Einsatz neuer Technologien ist jedoch niemals Selbstzweck, sondern dient stets übergeordneten Zielen. Im Bereich der Landmobilität sind dies vorrangig die effektive Auftragserfüllung, der Schutz der eigenen Kräfte sowie der effiziente Einsatz vorhandener Ressourcen. So werden beispielsweise Logistik und Mobilität auch in Zukunft entscheidende Faktoren in Konflikten und Einsätzen sein. Hier können Innovationen, insbesondere im Bereich der Automatisierung, signifikante Fortschritte und operationelle Vorteile ermöglichen.

Flankierend zur Weiterentwicklung von Technologien gilt es, mögliche zukünftige Einsatzszenare, Anforderungen und Bedrohungen mitzudenken. So wird es bei der detaillierten Betrachtung dieses Themas neben der technischen Machbarkeit auch immer darum gehen, welches Bild bezüglich künftiger Konflikte bestimmend ist und welche (militärischen) Anforderungen daraus erwachsen. Eine Konstante dabei ist Multinationalität. Im Einsatz mit verbündeten Streitkräften ist Interoperabilität auch im Bereich der Landmobilität eine unabdingbare Voraussetzung.

Die Bedeutung von Automatisierung im Allgemeinen und automatisierten Fahrzeugen im Besonderen wird daher auch für die Logistik der Streitkräfte und vor allem die Landmobilität stetig wachsen. Einige innovative Denkansätze werden nachfolgend dargestellt.

Implikationen durch „Logistik 4.0“

Unter dem Begriff „Logistik 4.0“ werden Implikationen der durch das Internet und die Digitalisierung ausgelösten „Industrie 4.0“ auf die Logistikbranche beschrieben. Im Kern geht es hierbei um die Digitalisierung und Automatisierung von Prozessen, sowohl im Bereich der Lagerhaltung und der Produktion als auch beim innerbetrieblichen und außerbetrieblichen Transport.

Diese Veränderungen in der zivilen Logistikbranche wirken auch auf die Streitkräfte. Übertragen auf die Basislogistik wird Logistik 4.0 daher auch Implikationen für die mobilen Logistiktruppen und die ortsfesten logistischen Einrichtungen haben und sich somit unmittelbar auf die Landmobilität auswirken. Aufgrund der engen Vernetzung ziviler und militärischer Logistik spielt hier die Kompatibilität eine bedeutende Rolle.

So ist es perspektivisch beispielsweise denkbar, dass in Depots und Instandsetzungseinrichtungen der Streitkräfte durch eingesetzte Lastenroboter und automatisierte Fördertechnik eine 24/7-Verfügbarkeit von Nichtverbrauchs-, Mengenverbrauchs- oder Einzelverbrauchsgütern sichergestellt wird. Roboter könnten hierbei das Einlagern und Bereitstellen von Gütern übernehmen und so das logistische Personal entlasten. In Instandsetzungseinrichtungen könnten benötigte Teile „just-in-time“ und automatisiert am Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt werden. Big Data und KI liefern zuverlässige Bedarfsprognosen. Automatisierte Fahrzeuge und Marschgruppen übernehmen Belieferung und Abholung.

Auch wenn es in Zukunft vorerst weiterhin erforderlich sein wird, dass Menschen in entsprechenden Einrichtungen tätig sind, kann Automatisierung so maßgeblich zur Effizienzsteigerung beitragen.

Versorgungsfahrten

Technologisch bereits heute möglich ist das „Aneinanderhängen“ (Platooning) verschiedener unbemannter Fahrzeuge zu einer Kolonne. Regelmäßig wird dabei ein bemanntes Führungsfahrzeug mit mehreren unbemannt folgenden Fahrzeugen kombiniert. Im Rahmen der Verlegung von Kräften und Material sowie für Nachschub und Versorgung sollen Transportgruppen zukünftig unter Nutzung einer sogenannten „Elektronischen Deichsel“ effizienter eingesetzt werden können, wodurch das Platooning ermöglicht wird. Gleichzeitig wird durch die damit verbundene Reduzierung der unmittelbar bei einer Transportgruppe eingesetzten Kräfte auch die konkrete Gefährdung des eigenen Personals bei einer potenziellen Feindeinwirkung vermindert. Hier wird dann ein Beitrag zum Schutz von Leib und Leben der eigenen Soldaten geleistet werden.

Verlegung

In der Regel ist es im militärischen Kontext notwendig, vor einem konkreten Einsatz zur Erfüllung eines Auftrags zunächst zum Einsatzort zu verlegen. Neben strategischer Verlegung, die über große Entfernungen und in der Regel intermodal, also unter Nutzung unterschiedlicher Verkehrsträger, durchgeführt wird, ist auch immer ein gewisser Anteil als taktische Verlegung „auf eigener Kette“ im Landmarsch notwendig. Meistens sind dies die ersten Kilometer vom Heimatstandort zum strategischen Verlegemittel und später die letzten Kilometer nach der strategischen Verlegung zum jeweiligen Einsatzort.

Bei diesem taktischen Anteil der Verlegung verbleiben die Besatzungen meist an Bord der Fahrzeuge. Durch Nutzung des Platoonings, also Entbindung eines Großteils der Besatzung von den Tätigkeiten eines Kraftfahrers, wird die Belastung der Truppe auf dem Marsch reduziert. Daraus resultiert eine vergleichsweise hohe Einsatzbereitschaft beim Eintreffen am Einsatzort.

In einem erweiterten Szenar lässt sich solch eine Nutzung von unbemannten Fähigkeiten sogar als logistische Unterstützungsleistung denken. So hat die Transportkompanie eines Logistikbataillons beispielsweise den Auftrag, Material verschiedener Einheiten in einen Sammelraum zu verlegen. Dazu machen sich wenige bemannte Fahrzeuge dieses Logistikbataillons auf den Weg zu den verschiedenen Einheiten. Das bereits verladene Material und Gerät steht vor Ort auf mehreren Fahrzeugen der zu verlegenden Einheit bereit. Diese werden mit einem „Automatisierungs-KIT“ zum unbemannten Fahren über eine Standardschnittstelle am Fahrzeug nachgerüstet, so dass diese zum Platooning befähigt werden. Auf diese Weise wird die Verlegung des Materials (beispielsweise einer Kampftruppeneinheit) zu einem Hafen durchgeführt, von wo aus die strategische Verlegung in das Einsatzgebiet stattfindet. Das Personal dieser Kampftruppeneinheit, welches bisher den Transport durchführen musste, könnte davon unabhängig schneller und belastungsärmer verlegt werden, um später im Einsatzgebiet das eigene Material zur Erfüllung des Auftrags wieder zu übernehmen.

In einem multinationalen Szenar ist es auch denkbar, dass Frachtschiffe mit Material und Gerät Verbündeter in deutschen Häfen anlanden. In der Rolle der „Drehscheibe Deutschland“ nimmt die Bundeswehr verbündete Kräfte auf und stellt die Entladung der Schiffe sowie die Verlegung zum vereinbarten Aufmarschpunkt sicher. Die Fahrzeuge der Verbündeten werden über eine Standardschnittstelle mit einem „Automatisierung-KIT“ ausgestattet. Es reichen wenige Logistiker, um diese umfangreiche Aufgabe zu übernehmen und das Material und Gerät an einen festgelegten Ort zu verbringen. Hier übernehmen die Verbündeten dieses wieder und führen ihren Auftrag nahtlos fort.

Automatisierter Nachschub

Eine – insbesondere kostenintensive – Herausforderung für die zivile Logistik ist die sogenannte „Letzte Meile“, also der Transport von Waren an die „Haustür“ des Kunden. Einer ähnlichen Herausforderung steht auch das Militär beim Nachschub der Truppen im Einsatzraum gegenüber. Im zivilen Bereich wird dazu mit Nachdruck der Ansatz, die Lieferung bestellter Waren bis zur Bordsteinkante durch automatisierte Systeme übernehmen zu lassen, verfolgt. Das ist gleichermaßen für Streitkräfte, beispielsweise bei kritischer Einsatzversorgung, von Interesse.

Beispielsweise hat eine Kompanie eines Logistikbataillons, die in einer Forward Operating Base eingesetzt ist, den Auftrag, von dort die Truppe mit Munition, Wasser und Verpflegung zu versorgen. Hierbei trägt das rechtzeitige Auffüllen der Vorräte entscheidend zur Aufrechterhaltung der Einsatzbereitschaft bei. Der regelmäßige Nachschub wird bei der zuständigen nächsthöheren Logistikebene angefordert. Diese kommissioniert und verlädt die angeforderten Mengenverbrauchsgüter auf kleine unbemannte Systeme. Je nach Geländebeschaffenheit kommen fahrende oder fliegende Systeme zum Einsatz.

Folgerungen für die Landmobilität

Unabhängig von der Wahrscheinlichkeit ob, und wenn ja, welche möglichen Zukünfte eintreten, ist mit hoher Sicherheit zu erwarten, dass Automatisierung künftig zunehmend zum Schutz und Durchhaltevermögen eigener Kräfte beitragen wird. Zudem birgt eine Automatisierung von Plattformen, auch mit Blick auf die Landmobilität, große Potenziale durch die Erschließung von Innovationsgewinnen und der Erhöhung der Effizienz.

Unstrittig ist hierbei, dass die Dynamik der zivilen Forschung und Entwicklung zwar maßgebliche Auswirkungen auf zukünftige militärische Systeme hat, jedoch niemals alle militärischen Erfordernisse wird abbilden können. Zivile Rahmenbedingungen zeichnen sich insbesondere durch feste Fahrbahnen, bekanntes und vermessenes Straßen- und Wegenetz, GPS-basierte Führungssysteme aus und sind vergleichsweise exakt und planbar. Der Einsatz militärischer Fahrzeuge erfolgt ebenso in unwegsamem, unbekanntem Gelände ohne feste Infrastruktur. Starke Erschütterungen, absolute Dunkelheit, extreme Umwelteinflüsse wie Schlamm, Staub und Niederschlag in verschiedensten Klimaregionen sind ebenso zu berücksichtigen. Die Entwicklung leistungsfähiger Sensoren spielt folglich eine entscheidende Rolle, um unbemanntes Fahren für die militärische Nutzung vollumfänglich realisieren zu können.

Sensoren

Zur Erfassung und Bereitstellung notwendiger Umweltinformationen sind Sensoren für das System unerlässlich. Wie auch beim Menschen ist die Kombination der verschiedenen Sinne und die situationsbezogen richtige Gewichtung der aufgefassten Informationen derselben der Schlüssel zur bestmöglichen Reaktion. So ist beispielsweise der Tastsinn beim Laufen eher nachrangig, während das Sehen zusammen mit dem Dreh- und Lagesinn deutliche Priorität haben. Sobald man sich jedoch in Dunkelheit befindet, ist das Sehen verständlicherweise nicht mehr entscheidend. Vielmehr kommt dann dem Ertasten und Hören eine dominierende Rolle zu. Vergleichbar ist es im militärischen Umfeld bei der technischen Umsetzung des automatisierten Fahrens notwendig, je nach Szenar den bestmöglichen Mix an Sensoren zu finden und diese in der jeweils optimalen Gewichtung einzusetzen. Dazu ist es unerlässlich, die Stärken und Schwächen jedes einzelnen Sensors zu kennen. Unter anderem sind dabei optische Kameras, Radar und Lidar denkbar. In Zukunft sollten daher den Untersuchungen diesbezüglicher Fragestellungen besondere Aufmerksamkeit zukommen.

Nachhaltige synthetische Kraftstoffe

Eine weitere Herausforderung zeigt die aktuelle klimapolitische Diskussion: Nachhaltigkeit ist ein ressortübergreifendes Thema, das als quasi allgemeingültige Rahmenbedingung stets mitzudenken ist. Dabei ist jedoch leider keine allgemeingültige Lösung möglich. So kann in einem Fall Wasserstoff als Energieträger bestens geeignet, in einem anderen aber beispielsweise aufgrund von Rahmenbedingungen bezüglich Lagerung oder Transport weniger gut nutzbar sein. Auch die Energiedichte des jeweiligen Energieträgers ist in verschiedensten Anwendungsbereichen sicherlich unterschiedlich zu gewichten.

Konkret lässt sich bei diesem Thema ein Spannungsfeld zwischen zivilen Mobilitätsableitungen und den militärischen Bedarfen feststellen. Vor allem ist die Verfügbarkeit von Kraftstoff zur Sicherstellung der Durchhaltefähigkeit militärischer Landoperationen zwingende Voraussetzung. Die Versorgungssicherheit mit Kraftstoff wird daher gegenwärtig durch eine weitgehende Standardisierung signifikant verbessert. „Single Fuel Concept“ bezeichnet etwa die Nutzung eines einzigen standardisierten und kompatiblen Kraftstoffs für landgestützte militärische Operationen der NATO. Die korrespondierende „Single Fuel Policy“ wendet die Bundeswehr bereits durchgehend an, indem unter anderem die Verträglichkeit aller Fahrzeuge für Flugkraftstoff auf Kerosinbasis gefordert wird. Dadurch ist ein Großteil der Fahrzeugflotte der Bundeswehr auf die Nutzung flüssiger Kohlenwasserstoffe als Energieträger ausgerichtet. Solche standardisierenden Vorgaben verfolgen das primäre Ziel, die Versorgungsketten für Kraftstoff so einfach wie möglich zu halten, um auch unter schwierigsten militärischen Rahmenbedingungen Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

Aktuelle zivile Megatrends in der Energiewende für die Landmobilität fokussieren primär auf:

  • die künftige Nutzung von Akkumulatoren für die Elektromobilität,
  • mit Wasserstoff betriebene Brennstoffzellen für die Elektromobilität und
  • mit Wasserstoff betriebene Verbrennungsmotoren.

Ob solche Lösungen für militärische Anwendungen geeignet sind, hängt vor allem vom Gewicht des jeweiligen Landfahrzeugs ab. Die Leistungsdichte aktuell zur Verfügung stehender wiederaufladbarer Lithiumbatterien, des chemischen Energieträgers Wasserstoff und von Erd-/Methangas ist zu gering, als dass beispielsweise gepanzerte Fahrzeuge oder Luftfahrzeuge damit betrieben werden könnten. Beispielhaft zeigt dies die folgende Abbildung anhand von Berechnungen eines „Kampfpanzeräquivalents“ mit einem Gewicht von 60 Tonnen und einer Motorleistung von 1.100 kW. Ein solcher Elektroantrieb für gepanzerte Fahrzeuge ist absehbar technisch nicht realisierbar, da für einen rein elektrischen Antrieb mit der derzeitigen Lithiumionenbatterietechnik ein zusätzliches Gewicht von 10 t bei einem Zusatzvolumen von 6 m3 benötigt würde.

Inwieweit Hybridisierungsgrade und -techniken zwischen Elektro- und Verbrennungsmotor mit den aktuellen Leistungsparametern eine Rolle für die Landmobilität spielen können, ist wesentlich aus dem Verhältnis von Masse und Leistungsprofil abzuleiten. Je geringer dieses ist, desto eher wird eine Hybridisierung in Richtung Elektromobilität möglich sein. Die kontinuierlich steigende Anzahl bordabhängiger und zusätzlicher externer Stromabnehmer ist bei diesen Überlegungen aufgrund des damit einhergehenden zusätzlichen Leistungsbedarfs unbedingt zu berücksichtigen.

Ausblick

Die Fortschritte der Automobilindustrie, in der unbemannt fahrende LKW schon heute nicht mehr reine Fiktion, sondern technisch realisierbar sind, zeigen sowohl im Zivilen als auch im Militärischen den Weg in die Zukunft. „Automatisierung und unbemanntes Fahren“ werden mittel- bis langfristig die Effizienz der Bundeswehr in Bezug auf den Personaleinsatz steigern und zudem auch zum Schutz und der qualitativen Verbesserung von Fähigkeiten beitragen. Der Einklang dieser technologischen Entwicklungen mit den rechtlichen Rahmenbedingungen ist weiter voran zu treiben.

„Kraftstoffresilienz“ ist eine stets zu berücksichtigende Größe, um auch künftig eine durchgehende Mobilität für alle Landfahrzeuge sicherzustellen. Dazu ist es angezeigt, im Bereich der synthetischen Kraftstoffe voranzuschreiten, um zum einen zusätzliche militärische Handlungsoptionen zu gewinnen und zum anderen auch der gesamtgesellschaftlichen Notwendigkeit der Nachhaltigkeit angemessen Rechnung zu tragen, ohne vom Grundsatz der „Single-Fuel-Policy“ abweichen zu müssen.

Beide Gestaltungsfelder bergen enormes Potenzial, den zukünftigen (militärischen) Herausforderungen der Landmobilität erfolgreich zu begegnen. Auf diese Weise wird die Bundeswehr auch in Zukunft in der Lage sein, ihre nationalen und internationalen Verpflichtungen als verlässlicher Partner zu erfüllen.

Autor: Oberstleutnant i.G. Daniel Gerlach, BMVg Plg II 5

[1] Siehe hierzu auch: https://www.plattform-lernende-systeme.de/aktuelles-newsreader/intelligent-vernetzt-unterwegs-umfeldszenario-zur-mobilitaet-der-zukunft.html