Entladebereich POL LogHub KUTNO © Bundeswehr / LogZBw JCC Blauer Bund

PESCO – Network of Logistic Hubs and Support to Operations

Als Reaktion auf die veränderte Sicherheitspolitische Lage Europas wurde im Dezember 2017 die Permanent Structured Cooperation (PESCO) – die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (SSZ) der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der Europäischen Union (EU) beschlossen. Sie ist eine auf freiwilliger Basis bestehende Zusammenarbeit von Mitgliedsstaaten der EU, die sich in der GSVP besonders engagieren wollen. Voraussetzung für die Teilnahme an PESCO ist, dass Mitgliedsnationen bestrebt sind, ihre Verteidigungsfähigkeiten gemeinsam weiterzuentwickeln und im Bedarfsfall bewaffnete Kräfte, einschließlich logistischer Unterstützung, bereitzustellen. Der Fokus von PESCO liegt auf der Bereitstellung von Fähigkeiten für Operationen und Missionen und somit auch auf der komplementären Stärkung des europäischen Beitrags in der NATO. Konkret bedeutet dies, dass bei der Entwicklung neuer Fähigkeiten enger zwischen den Mitgliedsnationen zusammengearbeitet und bereits vorhandene militärische Fähigkeiten für gemeinsame Einsätze besser koordiniert und gebündelt werden sollen. In drei Tranchen wurden in den Jahren 2018 sowie in 2019 dafür insgesamt 47 Projekte, die in sieben unterschiedliche Bereiche/Dimensionen aufgeteilt sind[1], initiiert. Diese Projekte sollen ab 2021 einer ersten Revision, hinsichtlich eines operativen Mehrwerts, unterzogen werden. Ein deutlicher Pluspunkt von PESCO gegenüber bisherigen Projekten ist die Verbindlichkeit, mit der die jeweiligen Projekte auf der Zeitachse umzusetzen sind. Hierzu haben die teilnehmenden Nationen einen konkreten Plan zu erarbeiten. Insgesamt zielen alle PESCO-Projekte darauf ab, die von der Europäischen Verteidigungsagentur (engl. European Defence Agency – EDA) im „Capability Development Plan“ identifizierten Fähigkeitslücken zu schließen und die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union zu erhöhen bzw. zu stärken. Die Spanne der PESCO-Projekte ist sehr weit und umfasst neben logistischen Themen u.a. die Entwicklung von Drohnen, den Aufbau eines europäischen Cyber-Abwehrzentrums, die Verbesserung bzw. Vereinfachung des grenzüberschreitenden Verkehrs in Europa (Military Mobility), die Unterstützung im Bereich Geoinformationswesen oder auch die Weiterentwicklung des Kampfhubschraubers Tiger. Die Leitung eines Projekts kann dabei flexibel, durch eine oder mehrere Nationen gemeinsam, erfolgen. 25[2] Nationen sind aktuell an PESCO-Projekten beteiligt, wobei nicht jede Nation an allen Projekten teilnimmt – durchschnittlich belegt ein Mitgliedsstaat sechs (6) Projekte.

DEU ist insgesamt an 16 PESCO-Projekten beteiligt und koordiniert in Federführung davon sechs. Neben der Beteiligung am größten PESCO-Projekt „Military Mobility“[3] koordiniert Deutschland, gemeinsam mit Frankreich und Zypern, das zweitgrößte PESCO-Projekt „Network of Logistic Hubs in Europe and Support to Operations“. Das Logistikkommando der Bundeswehr wurde mit der federführenden Bearbeitung dieses herausgehobenen Projekts und der Umsetzung der jeweiligen Projektschritte beauftragt.

Zielsetzung des Projekts

Das PESCO-Projekt „Network of LogHubs in EUR and Support to Operations“ aus dem Bereich „Enabling / Joint“ umfasst im Zielzustand ein europaweites Netzwerk von militärischen Logistikzentren/-knoten (sog. Logistic Hubs – LogHubs) mit einem dazu gehörigen zentralen Koordinierungselement zur Erhöhung der (militärischen) Handlungsfähigkeit der EU. Unter einem LogHub versteht man dabei eine nationale logistische Einrichtung, die als Teil des Netzwerks dauerhaft oder zeitlich befristet logistische Leistungen für andere teilnehmende Nationen zur Deckung logistischer Bedarfe anbietet. Ziel des Projekts ist ein (schrittweiser) Aufbau eines europäischen Netzwerks, das Mitgliedsnationen und auch Drittstaaten effektiv und robust für künftige Einsätze aber auch im Grundbetrieb logistisch unterstützt. Der Fokus der Unterstützungsleistungen umfasst das gesamte Einsatzspektrum: Von Einsätzen und einsatzgleichen Verpflichtungen über sonstige Verteidigungsinitiativen der EU bzw. der NATO (z.B. enhanced Forward Presence) bis hin zu Übungen aller Teilstreitkräfte / militärischer Organisationsbereiche. Im Kern geht es darum, durch gemeinsame Nutzung stationärer Infrastruktur entlang strategischer Verlegerouten Kräfte zeitgerecht zu verlegen und die im Transit befindlichen als auch bereits verlegten Kräfte logistisch zu unterstützen. Das Projekt ist dabei so ausgelegt, dass alle Phasen eines militärischen Einsatzes – von Beginn der Verlegung bis zum Ende der Rückverlegung – wirksam unterstützt werden können. Damit generiert das Netzwerk einen nachhaltigen operativen Mehrwert. Zur Koordinierung der Unterstützungsleistungen bzw. der Materialströme und –bewegungen wurden durch die Mitgliedsstaaten nationale Zugangspunkte (sog. national Access Points – nAP) eingerichtet; die zentrale Koordinierung des Gesamt-Netzwerks erfolgt durch das Joint Coordination Centre (JCC) im Logistikzentrum der Bundeswehr, das durch DEU speziell für dieses PESCO-Projekt bzw. für diese Aufgabe aufgestellt wurde.

Entladebereich POL LogHub KUTNO © Bundeswehr / LogZBw JCC Blauer Bund
Entladebereich POL LogHub KUTNO © Bundeswehr / LogZBw JCC

Das angestrebte Leistungsspektrum der LogHubs soll Möglichkeiten zum Umschlag und Transport von Material in Einsatzgebiete und Übungsräume umfassen, eine Zwischenlagerung bzw. die Vorausstationierung von Material (einschließlich der werterhaltenden Lagerung/Instandhaltung von Material) ermöglichen, um die Reaktionsfähigkeit, insbesondere im Rahmen von Stand-by Verpflichtungen, permanent auf hohem Niveau halten zu können. An dieser Stelle muss allerdings angemerkt werden, dass ein LogHub als solcher in der aktuellen Aufbauphase (noch) nicht standardisiert ist. In dieser Phase des Projekts kommt es zunächst darauf an, das Grundgerüst eines Netzwerks aufzustellen – somit ist jeder Beitrag durch die Mitgliedsnationen willkommen. Eine Vereinheitlichung und Standardisierung wird wo sinnvoll möglich in Zukunft angestrebt.

Am PESCO-Projekt „Network of LogHubs in EUR and Support to Operations“, das gemeinsam durch Deutschland, Frankreich und Zypern als die projektkoordinierenden Länder gesteuert wird, arbeiten derzeit 15 Nationen aktiv und weitere vier als Beobachter mit. So haben bereits 14 Nationen mindestens einen LogHub eingemeldet, die Gesamtzahl der dabei nutzbaren logistischen Einrichtungen beläuft sich aktuell auf 26. Mit Blick auf die Europakarte kann nach gut drei Jahren seit Aufstellung des Projekts festgestellt werden, dass bereits ein Netzwerk an LogHubs über fast ganz Europa, von West nach Ost bzw. Nord nach Süd, aufgespannt ist – es reicht von Spanien bis Litauen und von den Niederlanden bis Zypern.

Die Bedeutung von PESCO lässt sich auch am DEU Beitrag zum Projekt leicht erkennen. So wurden dem Projekt insgesamt 30 Dienstposten an den Standorten Erfurt, Wilhelmshaven und Pfungstadt zugeteilt, die sich in Vollzeit mit der Projektarbeit, der Nutzung/Koordinierung und Weiterentwicklung des Netzwerks sowie mit Umschlag/Lagerung und Versand in der logistischen Leistungserbringung befassen. Das JCC, als das zentrale Koordinierungselement auf Durchführungsebene, wurde bereits 2019 in Dienst gestellt und konnte bereits ein Jahr später seine volle Einsatzbereitschaft melden. Zukünftig soll das JCC die Funktion des „Trusted Agent“, also die zentrale Instanz bzw. die Koordinierungsstelle für das gesamte Netzwerk mit seinen Fähigkeiten einnehmen.

IOC-Declaration DEU LogHub Pfungstadt im November 2020 © Bundeswehr / LogKdoBw Blauer Bund
IOC-Declaration DEU LogHub Pfungstadt im November 2020 © Bundeswehr / LogKdoBw

Als weiterer DEU Beitrag zum Projekt wurde 2019 in Pfungstadt das Bundeswehrdepot Süd als DEU LogHub eingemeldet; in 2020 erfolgte folgerichtig die Umbenennung zu „Bundeswehrdepot Süd und DEU LogHub“. Der Inspekteur der Streitkräftebasis, Herr Generalleutnant Schelleis und der damalige Kommandeur des Logistikkommandos der Bundeswehr, Herr Generalmajor Thomas haben im November 2020 die Anfangsbefähigung des DEU LogHub öffentlich erklärt und dabei betont, dass mit der operationellen Erstbefähigung des deutschen Anteils ein weiterer Meilenstein im Projekt erreicht werden konnte, der die europäische Verteidigungsfähigkeit zusätzlich stärkt. Die für den LogHub angestrebten Fähigkeiten werden schrittweise aufgebaut und multinational zur Verfügung gestellt. Dafür wird auch beginnend ab 2024 in die Modernisierung der Infrastruktur des Materiallagers investiert. Es werden größere Lagerkapazitäten mit modernster Lager- und Anlagentechnik in energieeffizienter Bauweise geschaffen – als positiver Nebeneffekt wird der Primärenergiebedarf der Liegenschaft und der Kohlendioxidausstoß signifikant verringert.

DEU nimmt deutlich erkennbar seine Verantwortung im PESCO-Projekt wahr. Es ist mit dem Anzeigen bzw. der Bereitstellung von konkreten Fähigkeiten als verlässlicher Partner bereits in Vorleistung gegangen und liefert so einen überzeugenden Beitrag zum Projekt, der andere Nationen entweder als Nutzer oder als Leistungserbringer für das Netzwerk zur Nachahmung ermutigen sollte.

Multinationale gemeinsame Projektarbeit (MN / DEU Beitrag)

Bildlich gesprochen lässt sich die gemeinsame multinationale Projektarbeit des Projekts am besten mit einem Uhrwerk vergleichen, das von einer Vielzahl an Zahnrädern (hier: unterschiedliche Arbeitsstränge – sog. „Workstrands“) angetrieben wird.

Zu Beginn des Projekts wurde auf Vorschlag der projektkoordinierenden Nationen festgelegt, dass das Gesamtprojekt auf insgesamt sieben Workstrands aufgeteilt wird. Die ursprüngliche Aufteilung umfasste u.a. die Entwicklung einer Führungsorganisation und Projektsteuerung, die Konzeptentwicklung, die Erstellung eines gemeinsamen Fähigkeitskatalogs der unterschiedlichen LogHubs, Untersuchungen im Bereich des strategischen Transports, die Festlegung von Abruf- und Steuerungsmechanismen (Managementfunktionen) sowie die Berücksichtigung finanzieller Aspekte (Funding als auch Reimbursement). Die drei Projektnationen teilten sich die Führung der jeweiligen Workstrands untereinander auf. Frankreich bearbeitet den Anteil Transport, Zypern analysiert die finanziellen Aspekte und Deutschland übernahm die restlichen Workstrands in Federführung. Aufgrund der erzielten Projekt-Fortschritte können sich die Nationen heute auf drei Arbeitsstränge fokussieren; die restlichen Workstrands können bei Bedarf jedoch jederzeit wieder reaktiviert werden.

Multinationale Arbeitspakete © Bundeswehr / LogKdoBw Blauer Bund
Multinationale Arbeitspakete © Bundeswehr / LogKdoBw

Wesentlich für die Projektarbeit sind die regelmäßig stattfindenden Steuergruppensitzungen (Project Management Committee Meetings), bei denen gemeinsam die weitere Ausrichtung des Projekts beschlossen wird. Da an diesen Meetings auch externe Vertreter (z.B. der EDA) teilnehmen, werden Informationen zu anderen PESCO-Projekten wie „Military Mobility“, die einen unmittelbaren Bezug zum Netzwerk haben und auch weitere Initiativen der EU, z.B. Technical Agreement zu Cross Border Movement Permission, regelmäßig ausgetauscht bzw. vorgestellt. Mit Blick auf zukünftige Entwicklungen in den Verteidigungsorganisationen und der Ausrichtung des Netzwerks gilt es, im engen Schulterschluss mit Vertretern aus Brüssel und den Hauptstädten, kontinuierlich am Ball zu bleiben und das Netzwerk zukunftssicher aufzustellen.

Wie bereits angedeutet, liegt die Grundlagenarbeit, die die zentrale Projektsteuerung und die Konzeptentwicklung als auch das Netzwerkmanagement (einschließlich der dafür erforderlichen Führungs- und Informationssysteme) umfasst, in deutscher Verantwortung. Hier konnten mit Inkraftsetzen der beiden Grundlagendokumente (Conceptual Framework Document / Project Management Arrangement) wesentliche Meilensteine Ende 2020 bzw. Anfang 2021 erreicht werden. In der Folge erstellt das JCC aktuell die Standing Operating Procedures (SOPs), also verbindliche und einheitliche Regelungen und Verfahren zur Angleichung der Arbeit in bzw. unter den LogHubs. Mit Blick auf die stärkere Vernetzung der LogHubs und zum Austausch von (sensiblen) Informationen werden derzeit technisch realisierbare Lösungsmöglichkeiten untersucht. Dazu will man sich auf bereits im multinationalen Raum genutzte Führungs- und Informationssysteme (z.B. LOGFAS) abstützen. Hier zeichnen sich vielversprechende Ergebnisse ab.

Der Workstrand in französischer Federführung zielt auf die grundsätzliche Verfügbarkeit multinationaler Transportkapazitäten und die Harmonisierung der zugehörigen Prozesse ab. Aktuell verschaffen sich die am Workstrand beteiligten Nationen einen Überblick über die von den Mitgliedsstaaten genutzten multinationalen Transportlösungen und Kapazitäten. Dieses Ergebnis wird im folgenden Schritt mit dem grundsätzlichen Bedarf des Netzwerks abgeglichen, um etwaige Fähigkeitslücken im Bereich Transport zu identifizieren bzw. zu schließen. Parallel dazu werden die nationalen Regelungen und Besonderheiten im Bereich Transport zusammengetragen, um einen Gesamtüberblick zu erhalten und die jeweiligen Verfahren angleichen zu können. Abstimmungen mit dem PESCO-Projekt „Military Mobility“ stehen daher ebenfalls auf der „To-do-Liste“.

Zypern ist mit den Workstrands „Reimbursement“ und „Funding“ für die Arbeitspakete zuständig, die sich mit finanziellen Aspekten befassen. Auch hier befindet man sich noch in der Analysephase. Mit Blick auf das „Reimbursement“ hat man sich darauf verständigt, dass zunächst die derzeit gültigen HNS-Abrechnungsmodalitäten für die Inanspruchnahme von HNS Leistungen (oder bilaterale TAs) genutzt werden. Insbesondere im Hinblick auf die mögliche Nutzung des Netzwerks durch Drittstaaten, wäre dies ein praktikabler und schneller Lösungsansatz. Im nächsten Schritt soll im Sinne einer Standardisierung eine Preisliste für die entsprechenden Dienstleistungen eines LogHub entwickelt werden. Parallel dazu wird der sog. „Toolbox“-Ansatz weiterverfolgt. Dazu analysieren die Workstrand-Teilnehmer, ob und wenn ja, welche bereits verwendeten internationalen Abrechnungsmodalitäten für das Netzwerk zweckmäßig und anwendbar sind.

 Drittstaatenbeteiligung

Im Oktober des letzten Jahres gelang der Durchbruch bei der Beteiligung von Drittstaaten an PESCO-Projekten; der während der deutschen Ratspräsidentschaft in 2020 entwickelte Kompromissvorschlag wurde angenommen. Somit können sich nun Drittstaaten über PESCO an europäischen Verteidigungsprojekten beteiligen. Bei der Erstellung der Grundlagendokumente für das PESCO-Projekt „Network of LogHubs in EUR and Support to Operations“ wurde bereits Weitblick durch die Mitglieder bewiesen und eine mögliche Beteiligung von Drittstatten bzw. Öffnung des Projekts für Nichtmitglieder am Projekt in Betracht gezogen. Allerdings sind an eine Beteiligung auch bestimmte Konditionen geknüpft. So müssen zunächst alle am Projekt beteiligten Nationen der Beteiligung des Nicht-EU-Mitglieds zustimmen; danach folgt die formale Zustimmung zur Beteiligung am PESCO-Projekt durch die Europäische Kommission, vergleichbar dem Beitritt der USA, Canada und Norwegen zum PESCO-Projekt „Military Mobility“ im Mai 2021. Vertreter Kanadas haben bereits Interesse zur Nutzung des Netzwerks angezeigt. Die entsprechenden Modalitäten, wie Unterstützungsumfänge, Lagerungsmöglichkeiten, etc. sollen in den kommenden Monaten geklärt werden. Mit Blick auf die Beteiligung von Drittstaaten ist anzumerken, dass diese grundsätzlich entgeltlich die Leistungen der LogHubs in Anspruch nehmen und auch an den Steuergruppensitzungen als Beobachter teilnehmen können. Sie haben dort allerdings keine Stimmberechtigung.

schematische Darstellung des Netzwerks © Bundeswehr / LogKdoBw Blauer Bund
schematische Darstellung des Netzwerks © Bundeswehr / LogKdoBw

Weitere Überlegungen zum PESCO-Projekt „Network of LogHubs in EUR and Support to Operations“ gehen in die Richtung, dass man eine Kooperation mit dem in Ulm neu aufgestellten Joint Support and Enabling Command (JSEC) anstrebt. Erste Informationsaustausche auf Arbeitsebene haben diesbezüglich bereits stattgefunden.

Anwendungsfälle / Bewährungsproben für das Netzwerk

Wenn man von den LogHubs spricht, denkt man zumeist an Landoperationen und an Landsysteme. Jedoch ist diese Betrachtungsweise, die nur auf solche Anwendungsfälle abzielt, zu einseitig und nicht umfassend. Die logistischen Einrichtungen des Netzwerks stehen nicht nur Heeresverbänden zur Verfügung. Aufgrund der verkehrstechnisch guten Anbindung, beispielswiese zu Flug- und Seehäfen, können auch Versorgungsartikel von Einheiten der Marine oder auch der Luftwaffe bewirtschaftet bzw. vorausstationiert werden. Auch kann das Netzwerk für die werterhaltende Lagerung (z.B. für den Einsatz mobiler Instandsetzungstrupps) genutzt werden. Kurz gesagt, LogHubs sind mehrdimensional ausgelegt, sie stellen teilstreitkraftübergreifend die logistische Versorgung / Unterstützung in allen Szenaren sicher!

Noch bevor das Projekt seine eigentliche Anfangsbefähigung erreichen konnte, hatte das Netzwerk im November 2019 bereits seine erste Bewährungsprobe – einen sog. Anwendungsfall (engl. „Use-Case“) – zu absolvieren. An diesem Anwendungsfall, über den ein Teil der Folgeversorgung für enhanced Forward Presence in Litauen (eFP LTU) gesteuert wurde, beteiligten sich Belgien, die Niederlande, Deutschland und Litauen. Das zum damaligen Zeitpunkt neu aufgestellte JCC wurde mit der Materialsteuerung beauftragt. Dazu wurde das Material der beteiligten Nationen im deutschen LogHub in Pfungstadt zusammengeführt, dort kommissioniert und im Eisenbahn- und Lufttransport in den litauischen LogHub in Kaunas transportiert. Aus diesem heraus erfolgte dann die Versorgung der jeweiligen eFP-Truppenteile. Die beteiligten Akteure können sich mit Stolz auf die Schultern klopfen; sie haben mit ihrem Einsatz, ihrem Willen und mit Kreativität den Grundstein für dieses multinationale Projekt gelegt.

Für das Jahr 2020 waren ursprünglich zwei Anwendungsfälle geplant, von denen pandemiebedingt allerdings nur einer stattfinden konnte. Der ausgefallene „Use-Case“ zielte auf die Unterstützung des Flugabwehrraketengeschwader 1 bei der Übung „Tobruq Legacy 2020“ ab. Dabei sahen die Planungen vor, dass ca. 50 Fahrzeuge sowie sonstige Ausrüstungsgegenstände im Seetransport über den LTU LogHub nach KAUNAS zur Übungstruppe transportiert werden sollten. Die Unterstützung durch Litauen war bereits zugesagt, das JCC hatte den Anwendungsfall zwischen den Beteiligten bereits koordiniert.

Erfreulicherweise konnte der zweite für 2020 geplante Anwendungsfall „Verfahrungsübung robuste Folgeversorgung“ zur Unterstützung „Verstärktes Air Policing im Baltikum 2020“ (VAPB) erfolgreich durchgeführt werden. Für die Luftwaffe wurde dazu Feldlagermaterial aus dem Materialwirtschaftszentrum in WESTER-OHRSTEDT mit zivilem Spediteur in den polnischen LogHub in KUTNO transportiert und dort für mehrere Wochen bis zur Nutzung in Litauen vorausstationiert bzw. zwischengelagert. Die Einlagerung/Bewirtschaftung des deutschen Materials erfolgte durch die am polnischen LogHub eingesetzten Soldaten bzw. Zivilbeschäftigten; die Kräfte LogBtl 172 – 90 Soldaten mit 35 Fahrzeugen – trafen mit Beginn der Verfahrensübung robuste Folgeversorgung im LogHub ein. Von dort aus wurden dann in zwei Wochen über 100 Container nach Litauen transportiert.

POL LogHub KUTNO – Materiallagerung © Bundeswehr / LogZBw JCC Blauer Bund
POL LogHub KUTNO – Materiallagerung © Bundeswehr / LogZBw JCC

Zur Erhöhung der Transportleistung wurden dabei die Kraftfahrer ausgetauscht – so konnte die Anzahl der Umläufe erhöht werden. Auch diesen Anwendungsfall koordinierte das JCC. Die Zusammenarbeit mit den polnischen Kameraden in KUTNO war aus logistischer Sicht äußerst professionell, die Zusammenarbeit war unkompliziert, zielorientiert und sehr kameradschaftlich. Das Material konnte so zeitgerecht und einsatzbereit für die Durchführung des VAPB in Litauen bereitgestellt werden. Das Netzwerk hat so seine Leistungsfähigkeit erneut bewiesen und einen wesentlichen Beitrag zur Unterstützung VAPB geleistet.

In Anlehnung an die DEU-HUN Übung „Safety Transport“[4], die gemeinsam mit den ungarischen Streitkräften in Ungarn durchgeführt wurde, konnte auch in 2021 – trotz pandemiebedingter Einschränkungen und reduzierter als ursprünglich geplant – ein weiterer Anwendungsfall generiert werden.

Dazu wurden 40 Fahrzeuge einschl. Anhänger und sechs Container des LogBtl 472 aus KÜMMERSBRUCK im Schienentransport in den ungarischen LogHub in TABORFALVA transportiert. Vor Ort in Ungarn erfolgte dann die Eisenbahnentladung durch Kräfte LogBtl 472 (sog. „Reception). Ungarische Kräfte stellten den Containerumschlag sicher. Nach erfolgreicher Durchführung der Übung „Safety Transport“ erfolgte auch der Rücktransport des DEU Materials über das Netzwerk. Zur Verbesserung und Optimierung von Prozessabläufen, insbesondere für die zugewiesene Rolle als Manager des Gesamtnetzwerks, entsandte das JCC ein Evaluierungsteam, das wertvolle Erkenntnisse für die weitere Arbeit und zur Ausgestaltung des Netzwerks in den unterschiedlichen Arbeitssträngen sammeln konnte.

Für die zweite Jahreshälfte ist eine weitere Nutzung des ungarischen LogHubs im Zusammenhang mit der Übung „Break Through“, einer Übung des Artilleriebataillon 131 (ArtBtl) vorgesehen. Dabei soll die für das Schießen benötigte Artilleriemunition zunächst bis zum Beginn der Übung im ungarischen LogHub zwischengelagert bzw. vorausstationiert werden. Darüber hinaus wird derzeit geprüft, ob die Ersatzteilversorgung der Heeresinstandsetzungslogistik (HIL) für das ArtBtl auch (teilweise) über den LogHub gesteuert werden kann.

Das „Network of LogHubs in EUR and Support to Operations“ konnte sein aktuelles Leistungsspektrum bislang Einheiten des Heeres bzw. der Luftwaffe zur Verfügung stellen. Die Planungen zur Unterstützung der Marine sind ebenfalls bereits angelaufen. Ein möglicher Anwendungsfall wurde konzipiert; dabei sollen über den italienischen LogHub in BRINDISI Versorgungsgüter für die EU Operation IRINI eingelagert/vorausstationiert werden, um diese im Bedarfsfall den jeweiligen Marineeinheiten übergeben zu können. Ein Durchführungszeitraum steht u.a. aufgrund der Corona Pandemie noch aus.

Zusammenfassung

Mit der ständigen strukturierten Zusammenarbeit hat die EU einen entscheidenden Schritt hin zu einer Selbstverpflichtung eingeschlagen, bei der es weniger um strategische Autonomie geht, sondern vielmehr um das Ausplanen und Vorhalten gemeinsamer militärischer Fähigkeiten für das Krisenmanagement.

PESCO bietet den Mitgliedern den Rahmen, um gemeinsam Verteidigungsfähigkeiten zu entwickeln, in gemeinsame Projekte zu investieren und dadurch die generelle Einsatzbereitschaft der Streitkräfte zu erhöhen. Das PESCO Projekt „Network of LogHubs in EUR and Support to Operations“ ist hinsichtlich zeitlicher Umsetzung und Realisierung, der aktiven Beteiligung und Mitarbeit aller Projektmitglieder und bisherigen Leistungen eine Erfolgsgeschichte und ein Vorzeigemodell. Das Netzwerk ist von Anfang an konsequent auf den operativen Mehrwert ausgerichtet. Dennoch darf man sich gerade jetzt nicht auf dem Erreichten ausruhen. „Keep the momentum“ ist daher das Motto, mit dem das Projekt derzeit weiter aktiv vorangetrieben wird. Im übertragenen Sinn heißt dies, dass der Druck auf dem Projekt aufrecht erhalten bleibt bzw. sogar Schritt für Schritt bis zur Erreichung der Vollbefähigung in 2024 gesteigert werden muss. Daher sind aktuell alle Projektmitglieder – getreu dem Motto „Use it or loose it“ – angehalten, weitere Anwendungsfälle für alle möglichen Einsatzoptionen bzw. Übungsszenare zu entwickeln und durchzuführen. Von weiteren konkreten Use-Cases in 2021 und den Folgejahren ist auszugehen.

Entwicklungslinie des Projekts © Bundeswehr / LogKdoBw Blauer Bund
Entwicklungslinie des Projekts © Bundeswehr / LogKdoBw

Nur auf diese Weise kann erreicht werden, dass „Operateure“, Übungs- und Einsatzplaner die Leistungsfähigkeit des Netzwerks (er)kennen und dieses zukünftig als „feste Größe“ bei all ihren Planungen mitberücksichtigen.

Soviel sei an dieser Stelle bereits gesagt – „das Netzwerk wird dazu bereit sein“!

 

[1] 1. Training/Facilities; 2. Land/Formations/Systems; 3. Maritime; 4. Air/Systems; 5. Enabling/Joint; 6. Space;
7. Cyber/C4ISR

[2] Malta hat aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken eine Teilnahme abgelehnt; Dänemark nimmt grundsätzlich nicht an der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union teil.

[3] Alle PESCO-Mitgliedsstaaten nehmen an diesem Projekt teil.

[4] Weitere Information zur DEU – HUN Zusammenarbeit sind dem Artikel „DEU/HUN Kooperation Strukturierte Partnerschaft in der Logistik (SPiL)“ im Sonderheft zu entnehmen.

Text: Autorenteam LogKdoBw Abt Planung I (2) MN Logistik