Die Bundeswehr hat knapp eine Million Nebelhandgranaten für die Truppe bestellt. Ein entsprechender Rahmenvertrag zur Herstellung und Lieferung wurde am 22.05.2024 durch die Präsidentin des Beschaffungsamtes der Bundeswehr, Annette Lehnigk-Emden, mit dem Hersteller Rheinmetall Waffe Munition GmbH geschlossen. Insgesamt können aus der Vereinbarung über die kommenden Jahre bis zu 1,5 Millionen Nebelhandgranaten des Typs DM 45 beschafft werden. Zuvor hatte der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages das Vorhaben im Rahmen einer sogenannten „25-Millionen-Vorlage“ gebilligt.
Finanziert aus dem Sondervermögen der Bundeswehr hat die jetzt geschlossene Vereinbarung – bei Beauftragung der knapp eine Million Nebelhandgranaten – ein Volumen von rund 67 Millionen Euro. Dadurch ist ein jährlich flexibler Abruf der Munition anhand des identifizierten Bedarfes für die Truppe bis zum Jahr 2027 möglich.
Die Granate mit der offiziellen Bezeichnung „Granate, Hand, DM45, 800 g, KM“ ist seit Mitte der 1990er-Jahre bei der Bundeswehr eingeführt. Anders als Antipersonenhandgranaten findet bei dieser Munition keine Explosion statt. Die pyrotechnische Ladung in der Granate erzeugt beim Abbrennen starken Rauch. Die dadurch entstehende Nebelwand kann gegnerischen Kräften die Sicht nehmen und die Bewegungen der eigenen Truppe verschleiern. Die Nebelhandgranate erfüllt die im Rahmen von Ausbildung, Übung und Einsatz gestellten Anforderungen der Truppe umfänglich.
Ein weiterer Meilenstein für die Stärkung der Deutschen Marine: Im Beisein zahlreicher Gäste wurde am 07. Mai 2024 die Baunummer 8 der Korvettenklasse K130 in der Hamburger Blohm+Voss Werft feierlich auf den Namen „Karlsruhe“ getauft. Im Anschluss wird die dritte der insgesamt fünf neuen Korvetten K130 planmäßig endausgerüstet. In Hamburg wird die „Karlsruhe“ später auch in Betrieb genommen und durchläuft von dort aus ihre Funktionsüberprüfungen und Abnahmen.
„Dieser exzellente Teamspirit, die intensive Expertenarbeit in gemeinsamen Arbeits-gruppen und selbstverständlich auch das gemeinsame Risikomanagement sind nach wie vor ein nicht wegzudenkender und erfolgsbestimmender Faktor für dieses Projekt.“, betonte Flottillenadmiral Andreas Czerwinski, Abteilungsleiter See des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr, kurz BAAINBw, anlässlich der Taufe. Dies sei ein wirklich guter und sichtbarer Fortschritt im Projekt, freute er sich im Beisein von Vizeadmiral Jan Christian Kaack, dem Inspekteur der Marine und der Taufpatin, Karlsruhes Erster Bürgermeisterin Oberbürgermeisterin Gabriele Luczak-Schwarz
Die Korvetten der Braunschweig-Klasse werden mit dem neuesten Stand der Technik, insbesondere in den Bereichen Schiffstechnik sowie Waffen- und Führungssystemen ausgestattet. Viele Anlagen an Bord sind automatisiert, wichtige Komponenten mehrfach vorhanden. Dank Stealth-Eigenschaften sind die Korvetten nur schwer zu orten. Zusätzlich zum eigenen Mehrzweckradar profitieren sie dicht unter Land von ihren leistungsfähigen Videosensoren. Außerdem können sie Hubschrauberdrohnen einsetzen. Das erweitert das Gebiet, das sie kontrollieren, über den Radarhorizont hinaus.
Rheinmetall ist von der Bundeswehr mit einer weiteren Lieferung von 1.515 Logistikfahrzeugen beauftragt worden, davon 265 geschützte Wechselladersysteme. Dabei handelt es sich um einen erneuten Abruf aus dem im Juni 2020 geschlossenen Rahmenvertrag für Wechselladersysteme (WLS). Die Finanzierung dieses Großabrufes erfolgt zu einem großen Teil über das Sondervermögen der Bundeswehr. Zusätzlich zu den Fahrzeugen wurden durch die Beschaffungsbehörde der Bundeswehr (BAAINBw) 500 Wechselladerpritschen als austauschbare Ladungsträger sowie 500 Plane/Spriegel Aufbauten bestellt. Der Auftragswert des Abrufs liegt bei über 920 MioEUR brutto. Die Auslieferung der Fahrzeuge erfolgt im zweiten Halbjahr 2024 und wird bis Mitte November 2024 abgeschlossen sein.
„Der umfangreiche Abruf aus dem Rahmenvertrag und die Finanzierung über das Sondervermögen zeigt die hohe Relevanz der Bundeswehrlogistik im Rahmen der Zeitenwende. Durch die Lieferung aller Fahrzeuge bis Ende 2024 trägt das Sondervermögen zur unmittelbaren Ausstattung, Stärkung der logistischen Fähigkeiten und Durchhaltefähigkeit der Truppe bei“, führt Michael Wittlinger, Vorsitzender der Geschäftsführung Rheinmetall MAN Military Vehicles GmbH, aus. „Unsere Militär LKW der HX-Baureihe bilden, mit über 4.000 gelieferten Fahrzeugen seit 2018, mittlerweile eine wesentliche Komponente der logistischen Leistungsfähigkeit der Bundeswehr und unterstreichen den Stellenwert von Rheinmetall für die Logistik.“
Im Juni 2020 hatte das BAAINBw mit Rheinmetall einen bis 2027 angelegten Rahmenvertrag zur Lieferung von bis zu 4.000 LKW mit Wechselladersystem (WLS) geschlossen, von denen bereits 1.008 Stück geliefert wurden. Die WLS-LKW knüpfen an das erfolgreiche Projekt der Ungeschützten Transportfahrzeuge (UTF) an und erweitern die Bundeswehr-Fahrzeugflotte der militärischen HX-Familie. Die Kernausstattung der WLS ist das von der Firma Hiab entwickelte Hakenladegerät. Damit lassen sich die in die Bundeswehr eingeführten Wechselladerpritschen ohne weitere Umschlagmittel in nahezu jedem Gelände aufnehmen und absetzen. Alternativ können die Fahrzeuge auch eine Wechselpritsche oder einen Container über die standardisierten 20 Fuß ISO-Schnittstellen transportieren.
Ein signifikanter Teil der WLS-LKW der Bundeswehr wird als geschützte Variante über eine gepanzerte Kabine verfügen, wodurch sich die Überlebens- und Durchhaltefähigkeit sowie die taktische Flexibilität der logistischen Einheiten und Verbände erheblich erhöhen. Eingesetzt werden die WLS-Fahrzeuge insbesondere für die Versorgung der Kampfverbände mit Mengenverbrauchsgütern wie Munition, Treibstoff oder Wasser.
Sowohl die WLS als auch die UTF basieren auf der robusten HX-Fahrzeugfamilie Rheinmetalls. Von vornherein auf militärische Nutzung ausgelegt, zeichnen sie sich durch ausgezeichnete Mobilität auch in schwerem Gelände aus. Die hohe weltweite Verbreitung der HX-Fahrzeugfamilie bringt gerade im Hinblick auf multinationale Einsätze große Vorteile bei Interoperabilität und Logistik. Aktuell gehören unter anderem Großbritannien, Australien, Neuseeland, Norwegen, Schweden, Österreich, Ungarn und Dänemark zum Nutzerkreis. Rheinmetall will die Erfolgsgeschichte der Logistikfahrzeugprojekte gemeinsam mit der Bundeswehr und den Partnerstreitkräften, die die bewährten HX-Fahrzeuge ebenfalls nutzen, fortführen.
Nachdem erst im März die Beschaffung von insgesamt 123 neuen „Schweren Waffenträgern Infanterie“ (sWaTrg Inf) mit einem Regierungsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der australischen Regierung vereinbart wurde, konnte einige Wochen später bereits das erste Fahrzeug als sogenanntes Nachweismuster durch Rheinmetall Landsysteme vorgestellt werden und die symbolische Schlüsselübergabe an die Bundeswehr erfolgen.
Voraussichtlich ab der zweiten Jahreshälfte wird das am 02. Mai 2024 präsentierte Referenzfahrzeug dem Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) für Entwicklungs- und Erprobungszwecke zur Verfügung stehen. Anschließend können erforderliche Nachweise, beispielsweise hinsichtlich Zulassung und Transportierbarkeit, schon frühzeitig erbracht werden und auch Verlade- und Verstautests sowie Ergonomie-Untersuchungen können bereits durchgeführt werden.
Darüber hinaus können Entwicklungsarbeiten bezüglich der elektronischen Architektur und Anpassungen der Systemsoftware an die deutschen Forderungen erfolgen.
Für die Anpassungsentwicklung der Systemsoftware bietet das Referenzfahrzeug eine wertvolle Möglichkeit Softwarestände sehr kurzfristig zu testen, um somit einen hohen Reifegrad der Systemsoftware bei Serieneinführung sicherzustellen.
Bei etwaigen Mängeln können frühzeitig Änderungsvorschläge zur Behebung erarbeitet werden und in die Serienproduktion einfließen. Die derart frühe Bereitstellung eines Nachweismusters ist somit ein wesentlicher Baustein zur Erreichung des zeitlich sehr eng gesteckten Zieles einer Einführung des sWaTrg Inf in 2025.
Gemeinsam mit Rheinmetall schreibe man für die Truppe erneut den Hashtag „Beschaffungläuft“ in die Timeline der seit Monaten ambitionierten Beschaffungsagenda, freute sich die Parlamentarische Staatsekretärin Siemtje Möller bei der Vorstellung des Nachweismusters. Im Beisein weiterer hochrangiger Vertreter des Bundesverteidigungsministeriums und der Streitkräfte betonte sie: „Der heute erreichte Meilenstein ist sichtbares Zeichen der Zeitenwende und ein weiterer Schritt, um die Kriegstüchtigkeit der Bundeswehr so rasch wie möglich herzustellen.“.
Der Radpanzer wird, als Nachfolgesystem des Waffenträgers Wiesel, der direkten taktischen Feuerunterstützung und weitreichenden Panzerabwehr für die Infanterieverbände der Bundeswehr dienen. Er vereint die Fähigkeiten von bisher zwei Wiesel-Varianten sowie der zum Munitionstransport eingesetzten Zusatzfahrzeuge in einer Plattform und stellt einen idealen Mix aus Schutz, Mobilität, Wirkung und Durchhaltefähigkeit dar. Bereits ab 2025 sollen die ersten Systeme des „Schwere Waffenträger Infanterie“ den Mittleren Kräften des Heeres zur Verfügung stehen.
Am 25. April 2024 erfolgte in Rostock die Kiellegung des zweiten Betriebsstoffversorgers für die Deutsche Marine. Die zwei „schwimmenden Tankstellen“ werden künftig die Schiffe der Rhön-Klasse ersetzen.
„Nach dem erfolgreichen Produktionsstart beider Betriebsstoffversorger sowie der Kiellegung des ersten Schiffes im August 2023 können wir heute wiederum termingerecht diese traditionsreiche Zeremonie für das zweite Schiff feiern“, sagte Flottillenadmiral Andreas Czerwinski, Abteilungsleiter See des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr. Die neuen Marinebetriebsstoffversorger würden wie ihre verdienten Vorgänger die Durchhaltefähigkeit maritimer Einsatzverbände auf hoher See sicherstellen und somit einen wesentlichen Beitrag zur Landes- und Bündnisverteidigung leisten, so Czerwinksi weiter.
Die Tanker der Klasse 707 sind deutlich größer als ihre Vorgänger. Mit 173 Metern Länge und 20.000 Tonnen erreichen sie, trotz ihrer Größe und Verdrängung, dank der leistungsstarken Antriebsanlage eine Spitzengeschwindigkeit von 18 Knoten und haben eine Reichweite von bis zu 8.000 Seemeilen.
Beide neuen Schiffe sind gegen den Einsatz von ABC-Kampfstoffen geschützt, besitzen ein Flugdeck für Hubschrauber und haben ein Fassungsvermögen von über 12.000 Kubikmetern Flug- und Dieselkraftstoff. So können sie abseits von Häfen Marineeinheiten in See mit Kraftstoff versorgen.
Mit den verbauten Ballastwasser-Aufbereitungsanlagen und der modernen Abgasnachbehandlung können die Schiffe auch entsprechend aktueller Umweltstandards betrieben werden. Beide Betriebsstoffversorger werden eine Besatzung von 42 Personen umfassen, mit der Option zusätzlich 23 Personen einzuschiffen.
Blotz, Josef D: Denkmäler für den Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Topographieeiner deutschen Erinnerungslandschaft am Beispiel des 20. Juli 1944.
Verlag De Gruyter Oldenbourg, München 2024, 322 Seiten, 39,95 €. ISBN (PDF) 978-3-11-138074-2, ISBN (EPUB) 978-3-11-138115-2, ISSN 21-3222.
Das gescheiterte Attentat auf Adolf Hitler vom 20. Juli 1944 jährt sich 2024 zum achtzigsten Mal. Zu diesem wichtigen Ereignis der neuern deutschen Geschichte liegen heute Forschungsergebnisse und andere Veröffentlichungen in großer Fülle vor – auch zur Rezeption des Widerstandes gegen das NS-Regime nach 1945. Ergänzend zu dem kaum noch überschaubaren Schrifttum und den jährlichen Gedenkfeiern gibt es in Deutschland, in einigen Fällen auch im Ausland, zahlreiche ››Denkmäler für den Widerstand gegen den Nationalsozialismus‹‹, so der Titel des hier vorzustellenden Buches von Josef D. Blotz. Darin wird beschrieben, wie der Widerstand sichtbar gemacht wird. An 300 Orten im Bundesgebiet wurden im öffentlichen und privaten Raum, in Schulen, Kirchen und Kasernen rund 1.130 Denkmäler, Gedenktafeln und anderen sichtbaren Formen der Erinnerung an Persönlichkeiten oder Ereignissen im Zusammenhang mit dem Widerstand errichtet, zumeist dort, wo es einen regionalen Bezug dazu gibt.
Blotz untersucht die Vielfalt dieser Denkmäler und anderer Erinnerungsstätten, ihre Entstehungsgeschichte sowie deren sich im Laufe der Zeit ändernde Wahrnehmung. Die in seinem Buch erfassten Denkmäler sind räumlich im Bundesgebiet sehr ungleichmäßig verteilt. Besonders viele befinden sich in Berlin, weil sich dort ein Schwerpunkt des Widerstandes war. Seit 1952 fanden die ersten Gedenkveranstaltungen im Bendlerblock statt. Ein Großteil der Denkmäler befindet sich in Bayern und Baden-Württemberg-Württemberg, im Norden und Westen der Bundesrepublik deutlich weniger. In seinem Buch untersucht Blotz auch die Gründe für dieses regionale Ungleichgewicht.
Da Kenntnis und Bedeutung des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus heute vielfach in Vergessenheit geraten, können und sollen die in dem Buch beschriebenen Denkmäler auch Lernprozesse, insbesondere bei Jugendlichen unterstützen. Außer den von Blotz beschriebenen Denkmälern gibt es noch andere Formen der Erinnerung: Filme, Fernsehsendungen, Briefmarken, Symposien oder zwei IC-Züge der Deutschen Bahn.
Das Buch leistet einen wichtigen Betrag zur Erinnerungskultur für einem wichtigen Abschnitt der neueren deutschen Geschichte. Der Verfasser untersucht auch die mit diesen Denkmälern verbundenen städtebaulichen und kunstgeschichtlichen Aspekte, wobei viele dieser Denkmäler nicht als Kunstwerk, sondern zumeist als bescheidene Erinnerungs- und Mahnobjekte konzipiert sind, wie zum Beispiel die dem Widerstand gewidmeten Stolpersteine. Mit dem Buch erwirbt der Verfasser auch ein Stück Deutungshoheit über den bis heute noch zum Teil umstrittenen Widerstand gegen das NS-Regime
Generalmajor a. D. Josef D. Blotz hat seine Arbeit zwei Jahre nach dem Eintritt in den Ruhestand abgeschlossen, als Dissertation vorgelegt und wurde damit zum Dr. phil. promoviert. Dabei ist ein gut lesbares, reich bebildertes und materialreiches Buch entstanden. Die für die Darstellung der Erinnerungslandschaft erforderlichen Tabellen und Graphiken sind anschaulich und übersichtlich. Der als Datenbasis für Folgeuntersuchungen angelegte Katalog ist online verfügbar.
Dem Verfasser und seinem Buch sind zu wünschen, dass damit die Erinnerung an den deutschen Widerstand auch im Bewusstsein der jüngeren Generation angemessene Anerkennung und Verbreitung findet.
General Dynamics European Land Systems (GDELS) hat die PIRANHA-Familie um eine neue Variante erweitert: Den PIRANHA Heavy Mission Carrier „HMC“.
Mit einem zulässigen Gesamtgewicht von bis zu 40 Tonnen und einer Nutzlast von 17 Tonnen stellt der PIRANHA HMC das obere Ende der erfolgreichsten Radpanzerfamilie der westlichen Hemisphäre dar. Das Fahrzeug verfügt über die modernste Antriebs- und Aufhängungstechnologie, wie den 10×10- Allrad-Antriebsstrang und das einzigartige Multi-Link-Aufhängungssystem mit Lenkung der ersten, zweiten, sowie der vierten und fünften Achse. Die Auslegung stellt minimale Achslasten in Einklang mit dem europäischen Straßenverkehrsrecht, überragende Geländegängigkeit und Grabenüberschreitfähigkeit, sowie einen auf weniger als 18 Meter reduzierten Wendekreis sicher.
Mit dem 10×10 PIRANHA Heavy Mission Carrier kommt das Unternehmen dem steigenden Bedarf an hochbeweglichen Plattformen für immer anspruchsvollere Missionsprofile und den dringenden Anforderungen von NATO- und internationalen Kunden an militärische Mobilität nach. „Der PIRANHA HMC ist eine direkte Antwort auf die Anforderungen unserer weltweiten Kundenbasis an Nutzlast und -volumen für vielseitige und flexible Missionen wie direktes und indirektes Feuer, Flugabwehr und taktische Brückenlegekapazitäten“, so Dr. Thomas Kauffmann, GDELS Vice President für Global Sales & Services. „Diese einzigartige Plattform ist das Ergebnis unseres anhaltenden Strebens nach innovativen Fahrzeug- und Antriebstechnologien, zusammen mit 40 Jahren Exzellenz und Erfahrung als ein Fahrzeughersteller von Weltrang“, ergänzt Giuseppe Chillari, GDELS Vice President Wheeled Vehicles & Managing Director GDELS-Mowag.
Die PIRANHA-Fahrzeugfamilie stellt mit mehr als 12.000 Fahrzeugen bei über 20 Nutzernationen den erfolgreichsten Radpanzer der westlichen Welt dar. Neben dem verbreiteten 8×8 sind auch Ausführungen mit den Antriebsformeln 4×4, 6×6 und 10×10 sowie amphibische Varianten im Einsatz.
Das Commonwealth of Australia hat Rheinmetall heute den Auftrag über die Produktion von 123 Gefechtsfahrzeugen „Schwerer Waffenträger Infanterie“ erteilt, von denen über 100 in Australien für die Bundeswehr gefertigt und nach Deutschland exportiert werden sollen. Es handelt sich hierbei um den größten militärischen Export Australiens an die Bundesrepublik Deutschland.
Nathan Poyner, Geschäftsführer von Rheinmetall Defence Australia, bekräftigte, dass es sich bei dem Auftrag um den bisher größten australischen Rüstungsexport nach Deutschland handelt. „Die Auslieferung soll im Jahr 2025 beginnen“, fügte Poyner hinzu.
Der „Schwere Waffenträger Infanterie“ basiert auf dem Boxer Combat Reconnaissance Vehicle (CRV) der australischen Armee. Der Boxer ist ein modernes, gepanzertes 8×8-Fahrzeug, das bei Armeen auf der ganzen Welt im Einsatz ist. Es bietet verbesserten Schutz für die Besatzung und verbindet ein hohes Maß an Feuerkraft und Mobilität für internationale Einsätze, vor allem in friedenserhaltenden Missionen, bis hin zu Gefechten mit hoher Intensität. Der CRV ist mit einem Aufklärungsmodul ausgestattet, das den digitalen Zwei-Personen-Turm Lance umfasst; der erste bemannte Mittelkaliber-Turm, der auf der Boxer-Plattform in Dienst gestellt wird.
Die Boxer werden im Rheinmetall-Kompetenzzentrum für militärische Fahrzeuge in Redbank im Südosten Queenslands produziert. Dort fertigen mehr als 650 qualifizierte Rheinmetall-Mitarbeiter Fahrzeuge, Panzerungen und Elektronik für Australien und globale Partner.
Der Auftrag unterstützt Rheinmetalls Ziel, die Fähigkeiten der australischen Rüstungsindustrie auszubauen, lokale Wertschöpfung zu generieren und australische Unternehmen in die globale Lieferkette von Rheinmetall zu integrieren.
„Wir sind dankbar dafür, mit dem ‚Schweren Waffenträger Infanterie‘ ein wesentliches Element der neuen Streitkräftekategorie ‚Mittlere Kräfte‘ des Heeres liefern zu dürfen. Wir bündeln das Know-how und die Fähigkeiten unserer australischen MILVECOE-Kollegen aus unserem weltweiten Rheinmetall-Netzwerk, um dem deutschen Heer so schnell wie möglich die benötigten Kampffahrzeuge zur Verfügung zu stellen. Damit werden die Verteidigungsbeziehungen zwischen Australien und Deutschland weiter vertieft und eine nachhaltige souveräne Verteidigungsfähigkeit Australiens gestärkt.“
„Wir begrüßen die enge Partnerschaft zwischen Australien und Deutschland im Bereich der strategischen Verteidigung, da die beiden Nationen zusammenarbeiten, um die globale Sicherheit zu erhöhen. Das deutsche Boxer-Programm in Australien wurde durch die langfristigen australischen Investitionen von Rheinmetall in die Produktentwicklung und fortschrittliche Fertigung ermöglicht“, so Armin Papperger, Vorstandsvorsitzender der Rheinmetall AG.
Neben den 211 Fahrzeugen, die im Rahmen des australischen Projekts Land 400 Phase 2 bestellt wurden – 133 davon sind die CRV-Variante mit dem bemannten digitalen Lance-Turm – betreut Rheinmetall auch die HX-LKW-Flotte der australischen Armee, die mehr als 2.900 Fahrzeuge umfasst. Das Unternehmen liefert zudem das Multi-Ammunition Soft-Kill System (MASS) an die Royal Australian Navy, entwickelt und betreut Ausbildungssysteme für den militärischen Bereich und hat mehr als 200 HX-Trucks an die neuseeländischen Streitkräfte geliefert.
Der PRADA-WebService des Planungsamtes der Bundeswehr – Innovative Entscheidungsunterstützung als IT-Service
Nicht erst mit der Zeitenwende rückte die materielle Einsatzbereitschaft in der Nutzung von Waffensystemen in den Fokus. Schon Jahre davor war festzustellen, dass die generelle Verfügbarkeit hinter den Erwartungen zurückblieb. Die in 2017 aufgelegte „Agenda Nutzung“ hatte das Ziel, dies nachhaltig zu ändern. Die Erarbeitung einer Fähigkeit, logistische Prozesse, die Nutzung von Waffensystemen und deren Instandhaltung auf Basis von Daten darstellen und modellieren und sogar Prognosen zur zukünftigen Verfügbarkeit der Waffensysteme erstellen zu können, war von Anfang an Bestandteil dieses Konzeptes.
Kernfrage: Lässt sich auf Basis vorhandener Daten aus der Nutzung eine weitgehend automatisierte Prognosefähigkeit herstellen, um Defizite zu analysieren, Optimierungspotenziale zu identifizieren und die zukünftige materielle Einsatzbereitschaft zu prognostizieren?
Von den Dimensionsblaupausen zum PRADA-WebService
Das Planungsamt der Bundeswehr ist ministerieller Dienstleister und gestaltet darüber hinaus eigenständig. Es ist u. a. zentraler Serviceleister zur Analyse von Problemstellungen mit wissenschaftlichen Methoden. 2018 wurde die Abteilung Wissenschaftliche Unterstützung und Interoperabilität des Planungsamtes vom BMVg mit der Untersuchung der Kernfrage beauftragt.
Anhand dreier Studien sollte gemeinsam mit industriellen Partnern die grundsätzliche Machbarkeit eines Simulationssystems zur Abbildung der realen Prozesse der Nutzung, Instandhaltung und Materialbewirtschaftung untersucht werden. Als Untersuchungsobjekt wurde in den Dimensionen Land, Luft, See je ein Waffensystem ausgewählt (GTK BOXER, Eurofighter, Korvette 130). Die Studien endeten mit dem Ergebnis, dass es möglich ist eine Prognosefähigkeit auf Basis waffensystemspezifischer Simulationsmodelle in jeweils separaten Softwaredemonstratoren herzustellen. Die Fähigkeit, Kennzahlen des technisch-logistischen Managements unter vereinfachten Annahmen abzuschätzen, konnte nachgewiesen werden. Die „Blaupause“ für Folgeaktivitäten lag damit vor.
Die beauftragte Folgestudie „Prognosefähigkeit, Änderung des Ausfallverhaltens“ kurz: PRADA knüpfte inhaltlich an die vorangegangenen Ergebnisse an. PRADA zielte darauf ab, die getroffenen Annahmen zu konkretisieren und das Ganze in einem Softwaredemonstrator für die zu untersuchenden Waffensysteme GTK BOXER, FENNEK und KH TIGER umzusetzen. Im Schwerpunkt sollte der Einfluss von Nutzungsprofilen[1] auf das Ausfallverhalten der genannten Waffensysteme bis auf Hauptbaugruppenebene und die Implikationen auf das Instandhaltungssystem quantifiziert werden. Nutzungsprofile und Prozesse der Instandhaltung werden in ausführbaren und waffensystemspezifischen Simulationsmodellen abgebildet und können über einen beliebig einstellbaren Zeitraum bis zu sieben Jahren in die Zukunft untersucht werden.
PRADA ermöglicht sogenannte „Was-wäre-Wenn“-Analysen. Mit Hilfe statistischer Methoden und Machine Learning werden aus Nutzungsdaten der Waffensysteme unterschiedlicher Quellen Muster in der Nutzung festgestellt, entsprechende Abnutzungsparameter pro Hauptbaugruppe berechnet und in die Simulation übernommen. Dies ermöglicht bei vergleichbarer zukünftiger Nutzung der Komponenten eine quantitative Abschätzung über die Belastung der Flotte und den Instandhaltungsbedarf in der Zukunft. Der PRADA-WebService vereint die Simulationsmodelle, die Datenanalyse und das Management in einer softwarecontainer-basierten Anwendung. Ergebnis ist ein experimenteller IT-Service zur simulationsgestützten Flottenanalyse und Nutzungsplanung.
Von der Theorie zur Praxis
Der Kampfhubschrauber TIGER als Träger der luftgestützten Panzerabwehr- und Aufklärungsfähigkeit des Heeres stand trotz Bewährung im Einsatz in Afghanistan und Mali seit Jahren in der Kritik, da seine Zuverlässigkeit hinter den Erwartungen zurückblieb. Zwischen der Bundeswehr und der Industrie wurden Maßnahmen zur Optimierung des technisch-logistischen Systems vereinbart. PRADA konnte erfolgreich eingesetzt werden, um Ursachen für die zu geringe Einsatzbereitschaft zu analysieren und mögliche Änderungen vorab auf ihre Wirksamkeit hin zu untersuchen. Die Datenanalyse zeigte eindeutig, dass Wartungsplan und korrespondierende Instandhaltungskapazität begrenzende Faktoren für eine Steigerung der Verfügbarkeit waren. Mit PRADA kann neben der Jahresflugstundenplanung, den Instandhaltungskapazitäten und den Durchlaufzeiten für Inspektionen auch das implementierte Inspektionssystem in seinen Komponenten frei konfiguriert werden So können sich daraus ergebende Implikationen auf die Einsatzbereitschaft frühzeitig untersucht werden. Mit der Gegenüberstellung diverser, vorab auf grundsätzliche Machbarkeit geprüfter Änderungen der Wartungspläne und Instandhaltungskapazitäten konnte simulativ das erfolgversprechendste Maßnahmenpaket bestimmt werden.
Dabei zeigte sich auch, dass eine Änderung bei Wartungsplänen, -zyklen und -kapazitäten erst mit einem deutlichen zeitlichen Verzug Wirkung entfaltet, weil sich das neue System erst „einschwingen“ muss. Umso wichtiger ist damit die Fähigkeit, Änderungen vorab im Rahmen von Simulation zu prüfen, um besser fundierte Entscheidungen zu treffen und somit Zeit und Geld zielgerichtet zu investieren. Inzwischen ist festzuhalten, dass sich die reale Einsatzbereitschaft der TIGER-Flotte wie prognostiziert vom negativen Trend lösen konnte.
Studie Datenraum Nutzung – GTK BOXER
Während das TIGER-Modell einen weit fortgeschrittenen Stand der Modellentwicklung vorwies und die Nutzung der Simulation für weitere Zielvereinbarungen im Projekt als verstetigt angesehen werden konnte, wurde beim GTK BOXER ein anderer Ansatz gewählt.
Bei allen Simulationen dieser Art sind Daten die Grundlage für gute Prognoseergebnisse. Bei allen Waffensystemen der Dimension Land spielen insbesondere für die Nutzung das „Wo“ und „Wie“ eine herausragende Rolle. Beim GTK BOXER kann die Nutzung im Vergleich zu anderen Waffensystemen der Dimension Land durch die Existenz eines in jedem Fahrzeug integrierten, digitalen Logbuches kontinuierlicher nachvollzogen werden. Im Rahmen von PRADA wurde mit diesen Daten anhand des entwickelten Algorithmus zur automatisierten Quantifizierung des Ausfallverhaltens in Abhängigkeit von Nutzungsintensität, Verwendungsdauer und Umwelteinflüssen (Nutzungsprofil) festgestellt, dass die verfügbare Datenbasis für eine hinreichende Qualität der Vorhersagen bisher unzureichend ist. Insbesondere in Bezug auf das Ausfallverhalten von Baugruppen konnten noch keine Kennzahlen für nutzungsabhängiges Ausfallverhalten quantifiziert werden.
Im Rahmen der F&T-Studie „Datenlabore – Datenraum Nutzung“ wird von der WTD 41[2] die Schwingungsbelastung an ausgewählten Radfahrzeugen messtechnisch erfasst und ausgewertet. Genutzt wird dazu ein speziell entwickeltes Einsatzmesssystem, das sowohl eigene Daten wie z. B. Beschleunigungswerte generiert, als auch Daten aus dem CAN-Bus des Fahrzeuges sammelt und alle Daten georeferenziert ablegt. Parallel dazu wurde BMVg Rüstung (Rü I 2) mit der Einführung eines Produktlebenszyklus-Management befasst. So wurde entschieden, dass das Planungsamt der Bundeswehr, die WTD 41, die Universität der Bundeswehr München und ein externer Partner eine gemeinsame Forschungs- und Technologiestudie aufsetzen. Zudem wurde das Einsatzmesssystem in ausgewählte Radfahrzeuge der BOXER-Flotte eingerüstet, um neue Daten zu gewinnen. Während die WTD 41 vorrangig die Betriebsfestigkeit der Fahrzeuge mit dem sogenannten „Durability-Transfer-Verfahren“ („Rupp´sches Verfahren“) untersucht, sollen die zu gewinnenden Daten auch als verbreiternde Basis für den PRADA-WebService genutzt werden. Insbesondere von der Georeferenz der Datenpakete wird erwartet, dass Ableitungen möglich sind, wie sich die Nutzung der BOXER in unterschiedlichem Gelände auf das Ausfallverhalten auswirkt. Die dann vorliegenden Nutzungsprofile würden es zukünftig erlauben, auf Basis der Einsatzplanung Aussagen über die Verfügbarkeit zu treffen und Empfehlungen für die Bemessung der technisch-logistischen Unterstützung abzugeben. So könnten die nutzenden Verbände in die Lage versetzt werden, ihren Kräfteansatz für den Einsatz als auch für die Wartung und Instandhaltung präziser vorauszuplanen.
PRADA goes private Cloud Bundeswehr
Bisher wird der prototypische Demonstrator PRADA-WebService in einer gekapselten IT-Umgebung des Planungsamtes am Standort Taufkirchen betrieben. Mit der „Cloud First“-Strategie der Bundeswehr eröffnen sich neue Möglichkeiten. Neue IT-Services sollen grundsätzlich als Cloud-basierte Dienste bereitgestellt werden und Product-Lifecycle-Management-Systeme stehen hierbei im Mittelpunkt. Um PRADA als IT-Service zukünftig einem breiten Nutzerkreis bei den Waffensystemverantwortlichen zugänglich zu machen, ist die Überführung des IT-Service auf die private Cloud der Bundeswehr (pCloudBw) bis Ende 2024 geplant. Eine erste Implementierung auf der Entwicklungsumgebung der pCloudBw wurde erfolgreich realisiert, bis zur vollständigen Umsetzung sind jedoch noch einige Schritte zu gehen.
Ausblick
PRADA ist noch ein experimenteller IT-Service zur simulationsgestützten Flottenanalyse und Nutzungsplanung von Waffensystemen. Unter Anwendung wissenschaftlicher Methoden können aber schon heute für ausgewählte Waffensysteme entscheidungsrelevante Kennzahlen und Prognosen auftragsbezogen, datengestützt und teilautomatisiert berechnet werden.
PRADA ermöglicht daher in Ergänzung zur Einschätzung der Waffensystemexperten erstmals eine datengestützte und somit objektive und reproduzierbare Perspektive im Nutzungsprozess. Der Mehrwert, gerade für die Projektleitungen, spricht sich herum. So werden im laufenden Jahr mit dem SPz PUMA, NH90 NTH SeaLion und A400M weitere Waffensysteme in PRADA integriert.
In Verbindung mit dem Private-Cloud-Programm der BWI soll die Prognosefähigkeit mit dem PRADA-WebService als Nukleus als Anwendungsfall im Cloud-Clusterprogramm „Analytics & Simulation“ ausgerollt werden. Eine Entscheidung dazu steht unmittelbar bevor. Dies böte zukünftig vielen Projektleitungen weiterer Waffensysteme die Möglichkeit, diesen IT-Service für die zielgerichtete Nutzungssteuerung zur Verbesserung der Einsatzbereitschaft zu verwenden.
[1] Kombination aus Umweltfaktoren und der Nutzung des Waffensystems
[2] Wehrtechnische Dienststelle für landgebundene Fahrzeugsysteme, Pionier- und Truppentechnik
Im Fall der Landes- und Bündnisverteidigung müssen innerhalb von kürzester Zeit umfangreiche Mengen an Personal und Material an die Peripherie der NATO verlegt werden. Das Innovationsvorhaben YARDED ist eine Software, welche hilft, große Fahrzeug- und Materialströme während der Verlegung zu planen und zu steuern. Mithilfe dieser Software werden strategische Anforderungen der NATO taktisch umsetzbar.
Innovation ist kein glücklicher Zufall. Mithilfe eines klaren Prozesses werden Ideen identifiziert, angepasst, entwickelt – und oftmals zugunsten vielversprechenderer Vorschläge verworfen. YARDED durchlief von der Skizzierung einer ersten Idee bis hin zur Entwicklung des heute verfügbaren Produkts unzählige Iterationen.
Von der Herausforderung zur Idee
An strategischen Entladeseehäfen und Bahnhöfen werden sogenannte Bereitstellungsräume, im Englischen als Marshalling Areas (MA) bezeichnet, eingerichtet. In einer Marshalling Area werden Fahrzeuge, Container und Material organisiert und für die weitere Verlegung vorbereitet. Die räumlichen Anforderungen werden idealerweise durch eine befestigte und zusammenhängende Fläche mit fester Infrastruktur erfüllt. Der Raum kann sich aber ebenso über diverse kleinere Bereiche erstrecken.
Die Anforderungen der NATO an das RSOM Bataillon fordern die Fähigkeit der Abfertigung von bis zu 500 Fahrzeugen und 2.500 Tonnen Material pro Tag in jeder Marshalling Area.
Als Planungsgrundlage dienen Daten aus LOGFAS – dem logistischen Führungs- und Informationssystem der NATO. Mit dem aktuellen Versionsstand 8.0 besteht im Portfolio der bestehenden LOGFAS-Module eine Lücke. Die für die taktische Umsetzung der Pläne erforderliche Detailtiefe wird nicht ohne weiterführende manuelle Aufbereitung der Daten erreicht. Während für die operative Planung die „Mission“ als kleinste logische Einheit genügt (bspw. ein Eisenbahntransport, oder eine Marschteileinheit), erfordert die taktische Realisation die Betrachtung von „Items“ (bspw. einzelner LKW oder Container).
In der Praxis wurden die operativen Planungsdaten bisher in Exporten der LOGFAS-Daten für die jeweiligen Zwecke händisch aufbereitet und weitergenutzt. So konnten – mit entsprechendem Aufwand – Daten für die erforderliche fahrzeug- und containerspezifische Organisation der Materialströme in den Marshalling Areas generiert werden. Während der Durchführung bestand der Werkzeugkasten des MA-Offiziers aus einem Klemmbrett mit Stift, gedruckten Excel-Tabellen und Lageplänen.
Der analoge Planungsaufwand war mühselig, zeitraubend und fehleranfällig. Weiterhin war diese Art der Organisation unflexibel bei der Reaktion auf Lageänderungen. Unter Umständen wurden Stunden der Vorbereitung aufgrund einer Lageänderung irrelevant und der gesamte Planungsprozess begann von vorne. Mit Durchführungsbeginn wurde der MA-Offizier mit seinen analogen Übersichten zur einzigen validen Informationsquelle im Raum. Ein digitalisiertes Lagebild für die übergeordnete Führung konnte nur mit genügend Freiraum zum folgenden Umschlag verfügbar gemacht werden. Dieses war zum Zeitpunkt der Weitergabe bereits veraltet. Weder Redundanz noch eine nachhaltige Durchhaltefähigkeit waren mit diesem System und Personalansatz unter Einsatzbedingungen umsetzbar.
Der Status Quo war unhaltbar und von den durchführenden Kräften der Marshalling Area bis hin zu dem Bataillonskommandeur herrschte Einigung über den Handlungsbedarf. Es reifte rasch die Absicht, die Prozesse in der Planung und dem Betrieb von MAs zu digitalisieren. In diesem Rahmen wurden beispielsweise Hafenumschläge der amerikanischen Streitkräfte in Bremerhaven und im dänischen Esbjerg beobachtet und die Möglichkeiten der eingesetzten Software im Hinblick auf den eigenen Auftrag analysiert. Doch schnell war klar, dass die Anforderungen des Logistikbataillons 163 RSOM (LogBtl 163 RSOM) mit seinem spezialisierten Auftrag bisher nicht adressiert wurden. Auch die Betrachtung ziviler Anwendungen führte nicht zum Erfolg. Frau Hauptmann Anna T. aus der Einsatzzentrale RSOM des Bataillons zog damals Resümee: „Natürlich gibt es zivile Lösungen zum Parking- und Containermanagement. Anwendungen wie sie beispielsweise in Containerhäfen eingesetzt werden, sind auf unseren Bereich jedoch nicht übertragbar. Ein Tracking, in dem jeder alles weiß, wäre ein Sicherheitsrisiko. Außerdem ist unser Material nicht sortenrein. Vom Kampfpanzer bis zum Kühlcontainer kann alles dabei sein.“
Obwohl diese Erkenntnis offenbarte, dass eine innovative Softwarelösung geschaffen werden musste, blieb der Entschluss, dass Planung und Organisation der Marshalling Areas künftig digital erfolgen müssen.
Von der Idee zum Innovationsvorhaben
Die vom Logistikkommando der Bundeswehr (LogKdoBw) in Verbindung mit dem Cyber Innovation Hub der Bundeswehr (CIHBw) organisierte Innovation Challenge Logistik als Ideenwettbewerb im Jahr 2022, bot dem Projektteam schließlich eine einmalige Gelegenheit. Mit ihrem innovativen Ansatz konnten die Projektmitglieder des LogBtl 163 RSOM die Entscheidungsträger im LogKdoBw und im CIHBw von Beginn an überzeugen.
Das war auch die Motivation für Kapitänleutnant L.: „Dieser Spruch, der einem in der Bundeswehr oft begegnet: ‚Warum machen wir das so? – Weil wir das immer so gemacht haben!‘ Damit kommen wir nicht weiter. Gerade wenn man auf die globale sicherheitspolitische Situation schaut. Mit dem CIHBw wird etwas Großes dazu beigetragen, dass Innovation in der Bundeswehr schneller gedacht und umgesetzt werden kann.“
Mithilfe des CIHBw wurden aus den jungen Offizieren des Projektteams Defence Intrapreneure. Intrapreneure bzw. Intrapreneurinnen sind Mitarbeiter in Unternehmen oder öffentlichen Einrichtungen, welche sich unternehmerisch Verhalten. Diese Personen handeln eigenverantwortlich und gestalten die Organisation proaktiv mit.
Am 15. Juni 2022 präsentierten acht Teams aus dem Kommandobereich des LogKdoBw am Ende der Innovation Challenge Logistik ihre Innovationsideen einer Jury aus Experten der Bundeswehr und zivilen Start-up-Unternehmern.
Nur drei Monate nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine war die Relevanz von YARDED für die Verlegung von kampfkräftigen Verbänden im Bündnisfall das entscheidende Argument für die Idee.
Beim sogenannten „Ideation Review Pitch“ des CIHBw in Berlin ging es erneut um alles oder nichts für das Projekt. Nur wenn die überarbeitete Idee dem Urteil aller Mitarbeiter im CIHBw standhält und sich ein Innovation Manager bereiterklärt das Projekt zu betreuen, wird aus einer Idee ein neues Innovationsvorhaben mit eigenem Budget.
Nachdem die Idee zu YARDED abermals überzeugen konnte entstand das Innovationsvorhaben #142 YARDED. Damit begann der Übergang in die Phase Setup und damit die ersten Schritte in Richtung einer Umsetzung. Zur Vorbereitung der Ausschreibung musste das Projektteam eine Leistungsbeschreibung verfassen. Diese definiert rechtlich bindend, welche Umfänge durch die Anbieter zwingend oder optional zu erfüllen sind.
Auch die Lieferantenauswahl erfolgte keineswegs Top-Down, wie es in den strikt hierarchisch organisierten Streitkräften üblich ist. Die Intrapreneure des LogBtl 163 RSOM wählten anhand der Anbieterpräsentationen, gemeinsam mit dem CIHBw die Lieferanten aus: Ein Bieterzusammenschluss aus der MVPF Technologies GmbH aus Berlin und der VisiTrans GmbH aus Paderborn. Nach Vertragsschluss zwischen dem CIHBw und den Anbietern ging das Projekt in die Entwicklungsphase der Software über.
Die Entwicklung von YARDED – Co-Entwickler statt bloßer Kunde
Da YARDED nicht einfach durch den Kauf und die Inbetriebnahme eines marktverfügbaren Produkts gelöst werden konnte, sondern eine Entwicklungsleistung beinhaltete, mussten die Auftragnehmer im Detail verstehen, vor welchen Herausforderungen das Bataillon steht. Jeder Arbeitsschritt, jeder Handgriff und jeder Kommunikationsweg wurde erfasst und darauf untersucht, wie er mit YARDED effizienter abgebildet werden könnte.
Zu diesem Zwecke wurden Workshops im LogBtl 163 RSOM und beim CIHBw in Berlin durchgeführt, um den Ist-Prozess zu erfassen und anschließend den Soll-Prozess zu modellieren. Effiziente Digitalisierung bedeutet nämlich nicht, analoge Prozesse digital zu kopieren. Nur wer unter Beachtung der zusätzlichen Möglichkeiten Arbeitsschritte völlig neu denkt, kann die Effizienz- und Fähigkeitsgewinne digitaler Lösungen ausschöpfen.
Die permanente Bereitstellung der Entwicklungsumgebung durch die VisiTrans GmbH erlaubte es den Intrapreneuren jeden Entwicklungsschritt und jedes Update live im System zu verfolgen und unmittelbar zu testen. Mit dem so generierten Feedback wurde permanent sichergestellt, dass die Entwicklung von YARDED eng auf die Bedürfnisse des Bataillons ausgerichtet blieb.
Als im September 2023 die Softwareanwendung YARDED – nach Erfüllung aller Anforderungen der Leistungsbeschreibung – übergeben wurde, begann die Phase Build & Experiment. Diese trägt dem Faktum Rechnung, dass viele Details des eigenen Bedarfs erst dann deutlich werden, wenn man ein testbares Produkt in den Händen hält. So war es auch bei YARDED. Am Reißbrett entworfene Designs, wie etwa Anordnung von Informationen und Schaltflächen wurden angepasst und sogar neue Funktionen ins Lastenheft aufgenommen.
— Die YARDED Exercise – Test as you fight —
Im niedersächsischen Delmenhorst führte das LogBtl 163 RSOM Ende Januar 2024 einen dreitägigen Feldtest mit dem Testprodukt der YARDED Software durch. „Ziel der Übung ist es, Schwachstellen der Software sichtbar zu machen, die Anwendung mit Soldatinnen und Soldaten unter realen Einsatzbedingungen zu testen und sie dadurch zu verbessern“, so Bundeswehr-Intrapreneur Kapitänleutnant Eric L. Die Erwartungen für den Feldtest in Delmenhorst waren hoch. Das Innovationsvorhaben des CIHBw hat das Potenzial, die logistischen Abläufe im RSOM-Prozess weiterzuentwickeln und zu verbessern. Eine Übertragung der für die Marshalling Area entwickelten Software auf Staging Area und Convoy Support Center ist naheliegend. Andere logistische Einrichtungen könnten folgen. Aufgrund der offenen Konzeption der Software haben auch andere Truppengattungen und Organisationsbereiche der Bundeswehr die Möglichkeit, sich am Projekt zu beteiligen. Darüber hinaus ist das Innovationsvorhaben auch für alle NATO-Partner interessant, welche wie Deutschland vor ähnlichen logistischen Herausforderungen im Bündnisfall oder bei Großübungen stehen. Oberstleutnant Julian H., Kommandeur des Logistikbataillons 163 RSOM, zeigte sich optimistisch: „Wir hatten kleine Startschwierigkeiten, aber das, was ich bis jetzt erlebe, ist ein großer Erfolg und ein gewaltiger zeitlicher Vorteil.“
In der Durchführung stellt YARDED nicht weniger als einen Paradigmenwechsel dar. Durch die Umstellung des Prozesses wird jedem Soldaten der Umschlagkräfte mehr Verantwortung übertragen. Das stellte natürlich zunächst eine Umstellung dar. Aber bereits 2 Stunden nach Übungsbeginn konnte in der Marshalling Area dieselbe Arbeitsgeschwindigkeit erreicht werden, wie zuvor nach 2 Jahren Praxiserfahrung im Altsystem. Dabei wurden während der Übung auch Anpassungsbedarfe erkannt und sogar live im laufenden Übungsbetrieb in das System eingearbeitet. Nach einer ohnehin eingeplanten kurzen Pause, konnte dann mit dem neuen Update weitergearbeitet werden. Hier zeigte sich beispielhaft die enorme Entwicklungsgeschwindigkeit und Flexibilität der Anwendung.
Am Ende konnten auch die Bundeswehr-Intrapreneure zufrieden mit ihrem Feldtest sein: „Mit den bisherigen Testergebnissen sind wir derzeit sehr zufrieden“, erklärt Hauptmann Oskar H. im Namen des Projektteams. Die Daten zeigten einen deutlichen Vorteil von YARDED: „Unsere Planung ist schneller, präziser und durch die Standardisierung deutlich verständlicher und übersichtlicher in der Visualisierung. In der Durchführung herrscht nun endlich ein einheitliches Lagebild!“
Vom erfolgreichen Test zur Einführung in die Truppe
Im Abschlussbericht werden alle relevanten Erkenntnisse des Innovationsvorhabens zusammengefasst und nachgehalten. Er bildet die Grundlage für eine Umsetzungsempfehlung durch das Zentrum für Digitalisierung der Bundeswehr als zentraler Bedarfsträger für die Streitkräfte im Teilportfolio Cyber/IT und damit die Überführung in den regulären Beschaffungsprozess.
Neben der bestehenden nationalen Erfolgsgeschichte konnte sich das Projektteam zusammen mit dem CIHBw im November 2023 in der finalen Runde der jüngsten NATO Innovation Challenge nicht nur behaupten, sondern belegte darüber hinaus den ersten Platz! Im Rahmen des Wettbewerbs war die NATO, unter dem Vorsitz des Supreme Allied Commander Transformation, auf der Suche nach zukunftsfähigen Lösungen für die militärische Transportplanung im transeuropäischen Verkehrsnetz. Unter dem Motto „Military Mobility“ hat sich das Innovationsvorhaben YARDED gegen 39 anderen Ideen von NATO-Staaten durchgesetzt. Die finale Runde des Wettbewerbs fand am Dienstag, den 14. November 2023, in der slowenischen Hauptstadt Ljubljana statt. Dort kämpften elf zuvor ausgewählte Ideen um den Sieg. Im Finale waren mit Estland, Frankreich, Deutschland, Kanada, Polen und den USA Bewerber aus insgesamt sechs NATO-Ländern vertreten.
Eine Weiterentwicklung des Projekts durch Institutionen der NATO erscheint im weiteren Verlauf mehr als vorstellbar.
Fazit
Die Geschichte von YARDED zeigt beispielhaft, dass Innovationen „aus der Truppe, mit der Truppe, für die Truppe“ allen Beteiligten viel Kreativität, Engagement und Durchhaltewillen abverlangt. Der Weg von der ersten Idee bis zum abgeschlossenen Innovationsvorhaben erfordert die Unterstützung aufstrebender Intrapreneure durch ihre Vorgesetzten. Die Vielzahl der zu durchlaufenden Etappen ist ohne Verständnis für den erforderlichen Arbeitsumfang und entstehende Kosten (Stichwort Dienstreisen) nur schwierig zu bewältigen. Doch diese Kraftanstrengung bedeutet gelebte Zeitenwende und leistet einen wertvollen Beitrag zur Transformation in Richtung einer bedrohungsangepassten Landes- und Bündnisverteidigung.
YARDED fügt sich in die bestehende LOGFAS Softwarefamilie ein und ergänzt diese um Funktionen zur taktischen Umsetzung operativer Pläne während der Phase RSOM. Es ermöglicht eine transparentere Kommunikation, kürzere Reaktionszeiten auf Lageänderungen und eine erhöhte logistische Leistungserbringung durch Optimierung der Fahrzeug- und Materialströme. Mit dem Innovationsvorhaben YARDED erhält die Bundeswehrlogistik die Chance einen neuen Standard in der NATO zu setzen und zum Vorreiter in der Weiterentwicklung bündnisgemeinsamer Logistikprozesse zu avancieren. Es gilt nun das aufgebaute Momentum aufrechtzuerhalten und die zügige Verstetigung voranzutreiben.