Die NATO mit den Beitrittskandidaten FIN und SWE. Blauer Bund

NATO: Vom Hirntod zum Garanten unserer Sicherheit

Der französische Präsident Macron erklärte die NATO im Oktober 2019 in einem Interview mit The Economist für Hirntod. Europa sei nun gefordert, ein geopolitischer Akteur mit eigener strategischer Kultur zu werden. Aus Pariser Sicht kein neuer Befund. Selbst überzeugte Atlantiker mussten allerdings zugeben, dass es im Vorfeld des Londoner NATO-Gipfels im Dezember 2019 kaum Anzeichen gab, sich auf Diskussionen zu einem neuen Strategischen Konzept einzulassen. Der NATO-Generalsekretär Stoltenberg war intensiv, und am Ende erfolgreich darum bemüht, die Volatilität des amerikanischen Präsidenten Trump einzuhegen. An eine Einigung über langfristige strategische Ausrichtung der NATO war nicht zu denken. So blieb es beim Strategischen Konzept von 2010: Darin hieß es:

Im euro-atlantischen Raum herrscht Frieden und die Bedrohung des NATO-Territoriums durch einen konventionellen Angriff ist gering. … Wir streben eine wahre strategische Partnerschaft mit Russland an.

Das dies nicht mehr der Realität entsprach, war spätestens seit 2014 mit der illegalen Annexion der Krim durch Russland und dem Beginn der Auseinandersetzungen in der Ostukraine klar. Insofern hatte Präsident Macron einen Punkt.

Die anderen Partner waren nun gefordert, die präsidentielle Erregung in konstruktive Bahnen zu lenken. Folgerichtig beauftragten die Staats- und Regierungschefs in London den NATO-Generalsekretär, die politische Dimension der NATO durch einen von ihm geleiteten Reflexionsprozess zu stärken. Unter der Überschrift NATO 2030 fanden Konsultationen mit Beteiligung vielfältiger gesellschaftlicher Gruppen statt. Zusätzlich legte eine unabhängige Expertengruppe im November 2020 ihre Empfehlungen vor. Zu ihr gehörte auch Verteidigungsminister a.D. Thomas de Maiziere.

Generalsekretär Stoltenberg behielt sich die Federführung für den endgültigen Entwurf der Agenda NATO 2030 selbst vor. Sie wurde beim Gipfel 2021 in Brüssel verabschiedet. Es wäre möglicherweise bei der Agenda geblieben, wäre Präsident Trump im Amt bestätigt und nicht von Präsident Biden abgelöst worden. So aber war der Weg für die Erarbeitung eines neuen Strategischen Konzepts der NATO frei.

Die militärische Anpassung der NATO war seit 2014 auch ohne ein neues Strategisches Konzept gut vorangekommen. Die militärische Präsenz in den Baltischen Staaten und Polen war erhöht worden. Es wurden Pläne für die rasche Verlegung einer neu aufgestellten teilstreitkraftübergreifenden Eingreiftruppe in verschiedene Teile des Bündnisgebietes erarbeitet. Der Verteidigungsplanungsprozess bezog kollektive Verteidigungsszenarien bei der Entwicklung der Fähigkeitsforderungen an die Nationen ein. Die Generalstabschefs der NATO verabschiedeten 2019 die erste NATO-Militärstrategie seit mehr als 50 Jahren. In ihrer planerischen Umsetzung entstanden weitere Konzepte, Pläne und Direktiven. Der militärische Beitrag zum neuen Strategischen Konzept baute darauf auf.

Die NATO hat 2022 ein Strategisches Konzept beschlossen und reagiert damit auf die veränderte Bedrohung. Blauer Bund
Die NATO hat 2022 ein neues Strategisches Konzept beschlossen und reagiert damit auf die veränderte Bedrohung. Bild: NATO

Im Hinblick auf Russland wird das neue Strategische Konzept 2022 deutlich:

„Im euro-atlantischen Raum herrscht kein Frieden … Wir können die Möglichkeit eines Angriffs auf die Souveränität und territoriale Unversehrtheit von Verbündeten nicht ausschließen… Die Russische Föderation ist die größte und unmittelbarste Bedrohung für die Sicherheit der Verbündeten und für Frieden und Stabilität im euro-atlantischen Raum.“

Diese klaren und markanten Passagen im neuen Strategischen Konzept sind Ausdruck der vielzitierten Zeitenwende. Zu der Frage, wann sie eingetreten ist, gab es allerdings schon Jahre vorher im Bündnis unterschiedliche Meinungen. Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 zweifelte allerdings niemand mehr an der Zeitenwende.

Die letzte Zeitenwende unter völlig anderen Vorzeichen datiert auf das Jahr 1989. Die friedliche Wiedervereinigung Deutschlands, das Ende des Warschauer Pakts und die Auflösung der Sowjetunion beendeten den Kalten Krieg. Es gab keine Notwendigkeit mehr, jederzeit die Verteidigung des Landes und der Bündnispartner aufnehmen zu können. Sicherheitspolitische Experten stellten die Notwendigkeit von Militär gänzlich in Frage. Sie glaubten die globale Ausbreitung der Demokratie sei nur noch eine Frage der Zeit.

Die gewaltsamen Auseinandersetzungen auf dem Balkan im Herzen Europas und das Massaker von Srebrenica zeigten, dass militärische Mittel unverzichtbar blieben, um Menschenrechte zu verteidigen und eine friedliche Entwicklung zu gewährleisten. Fast unbemerkt war die Epoche der Landes- und Bündnisverteidigung, von der Periode der Krisenbewältigung abgelöst worden. In ihr wurde aus der Bundeswehr, die „kämpfen konnte, um nicht kämpfen zu müssen“, die „Armee im Einsatz“.

Spätestens seit 2014 steht das militärische Instrument der NATO und damit auch die Bundeswehr vor einer zweidimensionalen Herausforderung. Einerseits laufen die Einsätze zur Krisenbewältigung weiter, anderseits gilt es, sich auf die konventionelle Verteidigung des Bündnisses vorzubereiten. In diesem neuen Koordinatensystem werden sich die Bündnispartner, von ihrer geographischen Lage beeinflusst, unterschiedlich positionieren. Während für die einen die Bedrohung durch Russland handlungsleitend ist, werden sich die anderen auf die Krisenbewältigung konzentrieren. Dies geschieht ungeachtet des ausgebliebenen Erfolgs in Afghanistan. Latente Instabilität, gefördert durch die Folgen des Klimawandels, begünstigt destabilisierende Flüchtlingsströme und gibt dem Terrorismus frischen Nährboden.

Bündnisverteidigung und Krisenbewältigung stellen politische Entscheidungsprozesse und Streitkräfte vor sehr unterschiedliche Herausforderungen. In den letzten 30 Jahren hat die NATO ihre Krisenbewältigungsverfahren optimiert, und es gibt nur geringen Anpassungsbedarf. In der Bündnisverteidigung bestimmt jedoch der Gegner den Beginn des Einsatzes. Dies hat erhebliche Folgen für die Entscheidungsprozesse und die Truppenstrukturen der NATO. Es bleibt keine Zeit für Truppenstellerkonferenzen. Die Erhöhung der Einsatzbereitschaft von Einheiten und Verbänden in der Grundgliederung ist das Gebot der Stunde. Die Entscheidung dazu sollte der Nordatlantikrat so früh wie möglich treffen, um die nutzbare Vorwarnzeit zu maximieren. Die Vorbereitungen des russischen Angriffs auf die Ukraine waren spätestens ab Anfang November 2021 von allen Alliierten anerkannt. Ob Putin den Angriffsbefehl geben würde, blieb jedoch bis zum tatsächlichen Angriffsbeginn unklar. Die maximale Vorwarnzeit hätte also mehr als 120 Tage betragen. Der politische Wille wäre entscheidend dafür gewesen, wie viele dieser Tage bei einem ähnlichen Szenario gegenüber einem Alliierten nutzbar gewesen wären. Das eigentliche Ziel erhöhter Einsatzbereitschaft bedeutet, mit konventionellen Streitkräften zur wirksamen Abschreckung beizutragen.

Die Kräfte des new NATO Force Model mit den Zeiten bis zum Eintreffen am Krisenort. Blauer Bund
Die Kräfte des new NATO Force Model mit den Zeiten bis zum Eintreffen am Krisenort. Bild: NATO

 

Verteidigung und Abschreckung sind Ziele des Verstärkten Kräfteansatz der NATO an der Ostflanke. Blauer Bund
Verteidigung und Abschreckung sind Ziele des verstärkten Kräfteansatz der NATO an der Ostflanke. Bild: NATO

 

Verteidigung und Abschreckung sind Ziele des Verstärkten Kräfteansatz der NATO an der Ostflanke. Blauer Bund
Die NATO reagiert auf die Bedrohung an der Ostflanke mit einer starke Präsenz von Luftstreitkräften. Bild: NATO

Es gibt heute aufgrund gewachsener Abhängigkeiten infolge der Globalisierung, der zunehmenden Vernetzung im Informationsraum und der Abhängigkeit kritischer Infrastrukturen von funktionierender Informationstechnologie, vielfältige strategische Risiken. Dies Risiken werden bereits heute sichtbar, unterhalb der Schwelle einer konventionellen militärischen Auseinandersetzung. Hybrider Wettbewerb oder, im Extremfall hybride Kriegsführung, sind allgegenwärtig. Die Verfügbarkeit billiger und leicht zu erwerbender disruptiver Technologien führt zu einer wachsenden Anzahl von Akteuren. Die Antwort der NATO darauf ist die Erhöhung der Resilienz, die weit mehr als die Streitkräfte betrifft. Die Diskussion, ob auch Resilienzziele in der Forderungskatalog der NATO gegenüber den Nationen aufgenommen werden sollen, wird zurzeit geführt. Die Rolle von Streitkräften in hybriden Konflikten wird schon seit längerer Zeit diskutiert. Sie sollten durch wirksame Abschreckung dafür sorgen, dass hybride Konflikte „hybrid“ bleiben, und nicht in einen konventionellen Krieg eskalieren.

Die strategischen Risiken bestehen aber nicht nur für das Bündnis, sondern auch für einen potenziellen Gegner. Es gibt also heute mehr Möglichkeiten als im Kalten Krieg, einem Gegner inakzeptablen Schaden zuzufügen. Dennoch verlangt wirksame Abschreckung auf unabsehbare Zeit die Verfügbarkeit nuklearer Optionen.

Plan A zum Schutz der territorialen Integrität und Souveränität der Bündnispartner ist eine wirksame Abschreckung. Er verlangt eine Wiederbelebung strategischer Debatten über erfolgversprechende Eskalations- und Deeskalationsstrategien.

In der Analyse des sicherheitspolitischen Umfelds ordnen viele den „russischen Angriff auf die Ukraine“ als strategischen Schock und damit in die gleiche Kategorie wie die „COVID 19 Pandemie“ ein. Demgegenüber sprechen sie von Megatrends, wenn es um den „Aufstieg Chinas“, die „Beschleunigung der Entwicklung disruptiver Technologien“ und den „fortschreitenden Klimawandel“ geht.

Strategische Schocks und Megatrends werden sich auf die im Strategischen Konzept 2022 genannten drei Kernaufgaben des Bündnisses in unterschiedlicher und zum Teil gegenseitig komplizierender Weise aus. Sie betreffen sowohl (1) „Abschreckung und Verteidigung“, (2) „Krisenprävention und -bewältigung“ als auch (3) „Kooperative Sicherheit“.

Die „COVID 19 Pandemie“ hat der Welt die Verletzlichkeit globaler Lieferketten und die Abhängigkeit von wenigen Produzenten medizinischer Artikel vor Augen geführt. Investitionen in die Resilienz der Versorgungswege sind die Konsequenz. Keinesfalls zufällig besteht eine Verbindung mit dem Megatrend „Aufstieg Chinas“. China ist ein potenter systemischer Wettbewerber, der wiederum Erwerb und die „Beschleunigung der Entwicklung disruptiver Technologien“ mit strategischer Weitsicht innerhalb zentralisierter Strukturen vorantreibt. Deshalb beschreitet die NATO Neuland mit der Förderung disruptiver Technologien, die nicht unbedingt einen sofortigen wirtschaftlichen Gewinn versprechen. Die Ausweitung partnerschaftlicher Beziehungen im Rahmen der Kernaufgabe „Kooperative Sicherheit“ in den pazifischen Raum ist eine logische Konsequenz, auch wenn die NATO ein regionales Bündnis bleibt. Der „fortschreitende Klimawandel“ wird bestehende Instabilitäten verstärken und neue schaffen. Dies hat unmittelbare Auswirkungen auf die Kernaufgabe „Krisenprävention und -bewältigung“.  Daher kann sich die NATO, trotz des strategisches Schocks durch den „russischen Angriffs auf die Ukraine“, nicht einseitig auf die Kernaufgabe „Abschreckung und Verteidigung“ konzentrieren. Die NATO strebt an, zum weltweit führenden Forum politischer Diskussionen über die sicherheitspolitischen Folgen des „fortschreitenden Klimawandels“ zu werden. Dies wiederum verlangt nach Einbeziehung Chinas trotz bestehender systemischer Konkurrenz.

Beim Gipfel von MADRID haben die Staatschefs unter anderem das new NATO Force Model beschlossen. Blauer Bund
Beim Gipfel von MADRID haben die Staatschefs unter anderem das new NATO Force Model beschlossen. Bild: NATO

Die im Rahmen der Arbeiten zum Strategischen Konzept 2022 vorgenommenen Analysen, die in diesem Artikel nur in Teilen skizziert werden konnten, zeichnen das Bild eines äußerst komplexen und dynamischen sicherheitspolitischen Umfelds mit neuen und sich teilweise vergrößernden Risiken. Die Alliierten haben sich mit dem Strategischen Konzept 2022 eine solide Grundlage geschaffen, um diesen Risiken erfolgreich zu begegnen und unsere Wertegemeinschaft umfassend zu schützen. Ende Juni 2022 stimmte auch Präsident Macron in Madrid dem neuen Strategischen Konzept der NATO zu. Darin heißt es:

„Die NATO ist entschlossen, die Freiheit und Sicherheit der Verbündeten zu wahren Ihre zentrale Aufgabe und wichtigste Funktion ist es, unsere kollektive Verteidigung gegen jede Bedrohung aus jeder Richtung sicherzustellen.“

Auch in den Augen der Kritiker wurde aus dem vermeintlich hirntoten Bündnis in nur drei Jahren der Garant unserer kollektiven Sicherheit.

GenLt a.D. Hans-Werner Wiermann, ehem. deutscher militärischer Vertreter bei NATO und EU, zur Neuausrichtung der NATO. Blauer Bund
GenLt a.D. Hans-Werner Wiermann, ehem. deutscher militärischer Vertreter bei NATO und EU, zur Neuausrichtung der NATO.

Text: Generalleutnant a.D. Hans-Werner Wiermann, ehem. DMV MC/ NATO und EU

Anm. Red.: Dieser Artikel steht im Zusammenhang mit dem Vortrag des Autors bei der Informationsveranstaltung des Blauer Bund e.V. im November 2022

Die Ausrichtung der TSH im Kontext der Befähigung zur Landes- u. Bündnisverteidigung

Der Prozess der Refokussierung der Bundeswehr auf die Landes- und Bündnisverteidigung wurde nach dem Russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 deutlich beschleunigt. Diese Zeitenwende hat natürlich auch signifikanten Einfluss auf die TSH als eine zentrale Ausbildungseinrichtung des Heeres.

Soldaten der Streitkräfte (SK) der UKR wurden und werden an der TSH an den von Deutschland gelieferten Waffensystemen ausgebildet.

Die gesamte Ausbildung an der TSH, d.h. Inhalte, Organisation, Verfahren und Strukturen – einschließlich der Abläufe zu deren Bedarfsdeckung, ist im Lichte der aktuellen Herausforderungen unter den Schlagworten Flexibilisierung, Digitalisierung und Optimierung auf den Prüfstand zu stellen. Es gilt, sämtliche Ressourcen bestmöglich zu nutzen, Handlungsbedarfe zu identifizieren und notwendige Anpassungen in den Prozess der Weiterentwicklung der TSH zielgerichtet einzubringen. Dies bedeutet u.a., neben der verstärkten Integration von Leistungen Dritter, gerade auch die Implementierung moderner Ausbildungstechnologien stringent weiter voranzutreiben und innovatives Potential im Rüstungsprozess zu identifizieren.

Ausbildungsunterstützung UKR SK durch die TSH

An der TSH wurden UKR IHKr an der PzH 2000 ausgebildet - Im Bild: IHKr der enhanced Forward Presence Battle Group in Rukla/Litauen. Blauer Bund
An der TSH wurden UKR IHKr an der PzH 2000 ausgebildet – Im Bild: IHKr der enhanced Forward Presence Battle Group in Rukla/Litauen. ©2022 Bundeswehr/Florian Sorge

Die TSH führt seit Mai 2022 die Ausbildungsunterstützung (AusbUstg) UKR Instandhaltungskräfte (IHKr) an der PzH 2000 durch. Die AusbUstg wurde entlang weiterer Waffenlieferungen an die UKR Mitte des Jahres auf den Raketenwerfer MARS II und das geschützte Führungs- und Funktionsfahrzeug DINGO 2 ausgeweitet.

Auch am Raketenwerfer Mars wurden UKR IHKran der TSHausbebildet; Im Bild: Raketenwerfer Mars II feuert eine Rakete aus der Stellung heraus beim Mars II Schießen vom Artilleriebataillon 345 auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr. Blauer Bund
Auch am Raketenwerfer Mars wurden UKR IHKran der TSHausbebildet; Im Bild: Raketenwerfer Mars II feuert eine Rakete aus der Stellung heraus beim Mars II Schießen vom Artilleriebataillon 345 auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr. ©2022 Bundeswehr/Mario Bähr

Vorbereitung und Durchführung der Sondertrainings erfolgten unter hohem zeitlichem Druck und mit großer sicherheits- und außenpolitischer Wirkung.

Auch an den von DEU bereitgestellten DINGO 2 wurden UKR IHKr an der TSH ausgebildet. Im Bild: Ausbildung am Fahrzeug Dingo 2 an der TSH in Aachen. Blauer Bund
Auch an den von DEU bereitgestellten DINGO 2 wurden UKR IHKr an der TSH ausgebildet. Im Bild: Ausbildung am Fahrzeug Dingo 2 an der TSH in Aachen. Bundeswehr/Roberto Pfeil

Auch wenn der Auftrag – mit nachhaltiger Unterstützung durch externe Dienststellen – erfolgreich durch die TSH ausgeführt wurde und wird, so zeigt die AusbUstg UKR IHKr auch die Grenzen der TSH im Rahmen der Bereitstellung zusätzlicher, über die eigentliche Trainingsplanung des Ausbildungsjahres hinausgehender Ausbildungskapazitäten auf. Die Belastung für Ausbildungs- sowie Unterstützungspersonal, Dolmetscher und Sprachmittler ist erheblich, Verdrängungseffekte auf nationale Trainingsbedarfe sind signifikant.

Einbindung von Leistungen Dritter in die technische Ausbildung der TSH

Die heutige Soll-Organisation der TSH leitet sich im Kern aus dem Ergebnis der in 2015 durchgeführten Lehrer- u. Hörsaalbedarfsrechnung ab. Diese entspricht nicht mehr den aktuellen Ausbildungsbedarfen. Einmal entstandene Defizite in der Bedarfsdeckung können kaum kompensiert werden, da die Soll-Organisation der TSH keine flexiblen Trainingskapazitäten vorsieht. Vielmehr ist externe Unterstützung, z.B. durch die Beistellung von – auch in der Truppe nur sehr begrenzt dafür verfügbarem – Ausbildungspersonal, erforderlich.

Zudem bieten sich Ausbildungskooperationen mit der Heeresinstandsetzungslogistik (HIL) GmbH oder mit multinationalen Partnern sowie die Einbindung von Industrieausbilderkapazitäten an. Vertreter der TSH führen dazu derzeit eine Vielzahl von Abstimmungsgesprächen. Absicht ist es, bereits im kommenden Jahr in diesem Handlungsfeld signifikante Fortschritte zu erzielen.

Ausbildungskooperation mit der HIL GmbH

Die HIL GmbH ist integraler Bestandteil des Logistischen Systems der Bundeswehr und maßgeblicher Instandhaltungsdienstleister für Landsysteme der SK. Die Umsetzung der ministeriell gebilligten Unternehmensstrategie der HIL GmbH bis 2031 führt zu einem erheblichen personellen Regenerations- und Ergänzungsbedarf. Bereits jetzt gibt es einen hohen Bedarf an Erst- und Zweitausbildungen für Instandsetzungspersonal, der sich in den folgenden Jahren durch beabsichtigte Neueinstellungen weiter steigern wird.

Die TSH beabsichtigt auch bei der Ausbildung von IHKr eine Partnerschaft mit der HIL GmbH; Logo: HIL GmbH Blauer Bund
Die TSH beabsichtigt auch bei der Ausbildung von IHKr eine Partnerschaft mit der HIL GmbH; Logo: HIL GmbH

Die HIL GmbH verfügt über qualifiziertes und erfahrenes Instandsetzungsfachpersonal, das bei individueller Eignung („Können und Wollen“) als Ausbildungspersonal für die TSH gewonnen und qualifiziert werden kann. Seit 2021 wird daher die Einbindung von Ausbildern der HIL GmbH zur kooperativen Ausbildung von militärischen IHKr und HIL-Mitarbeitern an der TSH erfolgreich erprobt. In der nun fast zweijährigen Pilotphase konnten deutliche Synergieeffekte („win-win“) im Rahmen der Ausbildungsbedarfsdeckung der SK und der HIL GmbH identifiziert werden. Ziel ist die Erarbeitung einer auf Dauer angelegten Kooperationsvereinbarung mit einer gesicherten und planbaren paritätischen Ressourcen- u. Lehrgangsplatzteilung für SK und HIL GmbH, um so die Ausbildungsbedarfe von SK und HIL GmbH flexibel zu decken.

Kooperative Ausbildung mit multinationalen Partnern

Ähnlich geartete Synergieeffekte bestehen im Rahmen der gemeinsamen Ausbildung mit internationalen Partnern.

Der Wechsel bei gemeinsam genutzten Landsystemen von einer national ausgerichteten Ausbildungsorganisation hin zu einem multinationalen Ausbildungsverbund generiert deutliche Vorteile für alle Beteiligten und ist mit Blick auf die grundsätzliche Relevanz von Multinationalität im militärischen Kontext in vielerlei Hinsicht folgerichtig. Neben dem optimierten Ressourceneinsatz werden zusätzlich interoperable Instandsetzungsfähigkeiten aufgebaut, die auch bei multinationalen Übungen und in Einsätzen dazu beitragen können, den logistischen Footprint beherrschbar zu halten. Zu erwartende beiderseitige Vorteile lohnen den Aufwand, insbesondere die Überwindung der nicht zu unterschätzenden Sprachbarriere sowie die Beantwortung noch offener rechtlicher Fragestellungen.

Mit den NLD SK werden entsprechende Kooperationen bereits im Rahmen der Ausbildung an der PzH 2000 und am FENNEK sehr erfolgreich praktiziert. Dabei werden Ausbildungsmittel und Infrastruktur gemeinsam genutzt. In 2023 wird die Ausbildungserweiterung auf den TPz FUCHS angestrebt. Diese Ausbildung wird in englischer Sprache erfolgen.

Neben weiteren Systemen bietet gerade auch der GTK BOXER vielfältige Möglichkeiten zur Multinationalisierung der technischen Ausbildung. Erste Gespräche mit der GBR Seite sind dazu für Januar 2023 geplant.

Auch NDL und GBR gehören zu den Nuternationen des BOXER. Mit diesen Ländern möchte die TSH bei der Ausbildung kooperieren. Im Bild: Reinigung eines NDL BOXER der (VJTF) nach der Übung Wettiner Heide. Blauer Bund
Auch NDL und GBR gehören zu den Nuternationen des BOXER. Mit diesen Ländern möchte die TSH bei der Ausbildung kooperieren. Im Bild: Reinigung eines NDL BOXER der (VJTF) nach der Übung Wettiner Heide. Bundeswehr/Marco Dorow

 

Einbindung von Industrieleistungen in die technische Ausbildung

Die großen Systemhäuser der Rüstungsindustrie verfügen über umfangreiche Ausbildungskapazitäten. Diese Kapazitäten wurden bereits in der Vergangenheit durch die Bundeswehr und andere Armeen genutzt. Die Einbindung von Ausbildungskapazitäten der Industrie – z.B. durch Abruf aus Rahmenverträgen – bietet eine zweckmäßige zusätzliche Möglichkeit, um Trainingskapazitäten der TSH flexibel zu nutzen bzw. bedarfsgerecht anzupassen. Daher wird derzeit im engen Zusammenwirken mit der Industrie und zuständigen Stellen (AusbKdo, BAAINBw) geprüft, wie eine derartige Kooperation realisiert werden kann.

Implementierung moderner Ausbildungstechnologien

Zusätzlich zur ressourcenoptimierten, flexibilisierten Auslastung der TSH ist die Ausbildung auch an die stetig steigenden technischen Anforderungen anzupassen. Dies ist eine Daueraufgabe.

Den Herausforderungen einer großen Variantenvielfalt an komplexen Landsystemen bei zum Teil kleinen Stückzahlen ist auch mit der zielgerichteten Anwendung moderner Ausbildungstechnologien zu begegnen. Mit digitalisierter Ausbildung und darauf angepasster Didaktik und Methodik lassen sich Ausbildungsinhalte in Kombination von Fernausbildung und Präsenzzeiten effizient und effektiv vermitteln.

Durch die Nutzung moderner Technologien von 3D-Animationen über Mixed Reality (MR) bis hin zum Einsatz von Fehlersimulatoren bei komplexen Systemen stellt die TSH eine qualitativ hochwertige, zukunftsfähige Ausbildung sicher.

Auch an der TSH im Einsatz: AR/VR-Brillen für die Ausbildung der IHKr am LEGUAN; Im Bild: Die Ausbildungseinrichtung der Heeresflieger verfügen über moderne Ausbildungstechnologie, wie hier VR(Virtuelle Realität)-Brillen. Blauer Bund
Auch an der TSH im Einsatz: AR/VR-Brillen für die Ausbildung der IHKr am LEGUAN;
Im Bild: Die Ausbildungseinrichtung der Heeresflieger verfügen über moderne Ausbildungstechnologie, wie hier VR(Virtuelle Realität)-Brillen. Bundeswehr/Alexander Bozic

Das an der TSH etablierte MAT-Autorenteam (MAT: Moderne Ausbildungstechnologie) besitzt die Kompetenz, technische Ausbildungsinhalte mittels 3D-Software so zu visualisieren und zu animieren, dass diese anschließend digital in der Ausbildung nutzbar sind. So werden durch das Autorenteam moderne Ausbildungshilfsmittel – vom Tablet bis zur Augmented-/Virtual-Reality (AR/VR)-Brille – erprobt und deren Nutzen für die technische Ausbildung bewertet. Beim Brückenlegepanzer LEGUAN werden z.B. durch den Rückgriff auf Anwendungen der erweiterten virtuellen Realität (MR) komplexe technische Vorgänge für die Ausbildung aufbereitet und digital animiert. Das Innovationspotenzial einer simulationsbasierten und Netzwerk-gestützten Ausbildung, insbesondere bei komplexen Landsystemen, ist groß. Simulatoren werden niemals die praktische Ausbildung am Gerät vollends ersetzen können, gleichwohl wird an der TSH der Weg der Implementierung moderner Ausbildungstechnologien konzeptionell, organisatorisch, strukturell, materiell sowie inhaltlich konsequent und mit Nachdruck fortgesetzt. Zur weiteren Ausplanung, Steuerung und Überwachung sämtlicher Maßnahmen wird ablauforganisatorisch ein Koordinationselement eingerichtet.

Weiteres Vorgehen

Neben den bereits beschriebenen Handlungsfeldern erzeugt auch die Qualität der Ausbildungs- u. Unterbringungsinfrastruktur an der TSH erheblichen Handlungsdruck. Die umfänglichen Bedarfe sind identifiziert und der Infrastrukturprozess ist in allen Bereichen nachhaltig angestoßen; von einer Realisierungszeit bis weit in die 2030er Jahre ist auszugehen.

Ausbildungsorganisation, Trainingsmanagement und Ausbildungsinhalte werden derzeit bis Ende des Jahres TSH-intern untersucht; die entsprechenden Erkenntnisse werden in einem „Gedankenpapier“ zusammengefasst und auf dem Dienstweg gemeldet. Ziel ist es, auf Basis dieser Überlegungen Prozesse zur Neuausrichtung der TSH anzustoßen bzw. umzusetzen.

Verkleinerung des logistischen Fußabdrucks der IHKr des Heeres

An der TSH gehen das Streben nach Optimierung der Ausbildung sowie Identifizieren von Innovationspotential im Rüstungsprozess Hand-in-Hand. Dazu abschließend ein Beispiel:

Die Vielfalt genutzter Waffensysteme und deren stetig steigende technische Komplexität sowie der Einsatz von BwFPS-Fahrzeugen sind wesentliche Ursachen für eine – aus logistischer Sicht – überbordende und unkoordinierte Ausstattung der IHKr mit Werkzeugen, Sonderwerkzeugen sowie Werkzeug-/Werkstattausstattungen.

Der Bereich Technik/Logistik an der TSH verfügt vor allem mit dem „Fachbereich querschnittliche Werkzeuge“ über umfassende Kompetenz zu Werkzeugen für sämtliche Landsysteme. Aus dem Fachbereich wird jetzt in einem ersten Schritt der Versuch gestartet, die Ausstattung mit querschnittlichem Werkzeug zielgerichtet zu strukturieren und minimieren.

Ein kleiner Teil des querschnittlich verfügbaren Werkzeugs (hier: Werkzeugausstattung, Mechaniker, allgemein). Fallmöglich soll nur querschnittliches Werkzeug zur Instandhaltung genutzt werden. Blauer Bund
Ein kleiner Teil des querschnittlich verfügbaren Werkzeugs (hier: Werkzeugausstattung, Mechaniker, allgemein). Falls möglich, soll nur querschnittliches Werkzeug zur Instandhaltung genutzt werden. Bundeswehr/TSH, Ber T/L

Dazu soll künftigen Auftragnehmern von Rüstungsprojekten eine neu generierte Auflistung der bei den IHKr bereits verfügbaren querschnittlichen Ausstattung übergeben werden. Damit ist die Auflage verbunden, möglichst sämtliche IH-Arbeiten mit diesem Werkzeug zu ermöglichen und auf den Einsatz von Sonderwerkzeug weitestgehend zu verzichten. So sollen die Fähigkeit zum mobilen Einsatz der IHKr erhöht, der Gesamtumfang an Werkzeugen minimiert und die verfügbaren Haushaltsmittel noch wirtschaftlicher verwendet werden. Erste Besprechungen zum Vorhaben zunächst mit den Verantwortlichen im Amt für Heeresentwicklung sind für November 2022 vorgesehen.

Zusammenfassung

Instandsetzungspersonal aller Ebenen muss und wird mit qualitativ hochwertiger Ausbildung auch zukünftig bestmöglich befähigt werden, Landsysteme unter allen Bedingungen, in Frieden, Krise und Krieg, instand zu halten. Für die TSH ist dieses Rational handlungsleitend!

BrigGen Dirk Kipper, Kommandeur der Technischen Schule des Heeres, informierte über Aktuelles aus der TSH. Blauer Bund
BrigGen Dirk Kipper, Kommandeur der Technischen Schule des Heeres, informierte über Aktuelles aus der TSH.

Text: Brigadegeneral Dirk Kipper, Kommandeur der Technischen Schule des Heeres
Anm. Red.: Dieser Artikel steht im Zusammenhang mit dem Vortrag des Autors bei der Informationsveranstaltung des Blauer Bund e.V. im November 2022

Termine in den Kameradschaften

 

An dieser Stelle möchten wir wieder regelmäßig auf die Veranstaltungen der Kameradschaften im Blauen Bund hinweisen.
Erfreulicher Weise sind die Hürden nicht mehr so hoch.

Bonn
Mitgliederversammlung
11.01.2023
Bonn;

Bad Neuenahr/Ahrweiler
Vortrag der BWI – IT-Systemhaus der Bundeswehr
26.01.2023
Meckenheim;

Ulm/Dornstadt
Stammtisch
18.01.2023
Dornstadt;

Aachen/Eschweiler
Besuch Fernmeldemuseum Aachen
31.01.2023
Aachen;

Zentrum für Verifikation der Bw
16.03.2023
Geilenkirchen;

Containerbahnhof Köln-Eifeltor, ggf. mit Motorworld Köln
April 2023
Köln

Die Operative Leitlinie (OpLL) der FRA LaSK – Concept d’emploi des forces terrestres (CEFT) 2020-2035

Das FRA H befindet sich seit der Wahl Emmanuel Macrons (M.) zum frz. Staatspräsidenten im April 2017 in einem stetigen Modernisierungsprozess. Ministerin der Streitkräfte Florence Parly resümierte, M. habe dabei sehr stark unterstützt und „die Streitkräfte ins Zentrum der Nation gestellt“[1]. Ausgehend vom Anspruch FRA den Status einer „relevanten Macht“ („Puissance“) zu bewahren[2], jederzeit weltweit seine Interessen auch mit militärischen Mitteln durchsetzen zu können und dabei weitgehend unabhängig von den USA – unter Rückgriff auf Koalitionen der Willigen („nation cadré“ – dt.: Rahmennation) – in gaullistischer Tradition zu agieren, wurde unter M. die Finanzierung der Streitkräfte erheblich verbessert und die Modernisierung entschieden vorangetrieben.

Im Rahmen der Operation Serval hatte FRA noch im Jahr 2013 in beeindruckender Weise, jedoch unter Inkaufnahme hoher Risiken eine schnelle Anfangsoperation durchgeführt. Ziel war es, die von einer militärische Niederlage bedrohte malische Regierung zu stützen und das Land zu stabilisieren[3]. Gegnerische Kräfte waren vor allem die verschiedenen terroristischen Gruppierungen, wie sie auch heute noch (oder wieder) die Region dominieren.

Seither hat sich aus FRA Sicht die geopolitische Lage erheblich und damit die Anforderungen an die frz. LaSK verändert. Unter Staatspräsident M. läuft daher der Umbau des FRA H mit Nachdruck um neuen Bedrohungen gewachsen zu sein.

Verändertes sicherheitspolitisches Umfeld aus FRA Perspektive

Die Erfahrungen der Einsätze, in denen das FRA H weltweit ständig gebunden ist, spiegeln ein verändertes sicherheitspolitisches Umfeld, in dem die Gleichzeitigkeit von Bedrohungen verschiedener Natur (z.B. Terrorismus, Grenzkonflikte, Cyber-Angriffe, Propaganda) und eine stark angestiegene Geschwindigkeit, mit denen Krisen entstehen, einer Anpassung des bisherigen Konfliktmodells (Frieden – Krise – Krieg) hin zu einer Abfolge von Rivalität – Konkurrenz – Kampf bedurften.

Konfliktmodell FRA SK Blauer Bund
Konfliktmodell FRA SK

Sich grundsätzlich ständig in der Phase des Wettbewerbs von Staaten, Gesellschaftsmodellen und politischen Systemen befindend, wird die Konkurrenz mit friedlichen Mitteln in den Dimensionen Politik, Wirtschaft, Kultur und Militär, materiell sowie immateriell ausgetragen. In der Anfechtung wird ein Konkurrent zum de-facto Gegner, der danach trachtet ein strategisches Ziel zu erreichen, indem er Mittel verwendet, die noch akzeptiert und nicht unmittelbar als offener Konflikt wahrgenommen werden. Im Konflikt werden Streitigkeiten mit militärischen und anderen Mitteln offen ausgetragen, bis zum Konflikt hoher Intensität („engagement de haute intensité“).

Dabei betonte général d’armée Thierry Burkhard (56), FRA Generalstabschef – CEMA – (Chef d’État-major des Armées) im Herbst 2021, dass es dabei vor allem gelte den „Krieg vor dem Krieg“ zu gewinnen. D.h. mit den Fähigkeiten der Streitkräfte in allen Phasen in der Lage zu sein, einen entsprechenden Beitrag leisten zu können, um zu verhindern, dass es überhaupt zu einer bewaffneten Konfrontation komme. Diese bleibe die seltenere Form der Auseinandersetzung, auf die man sich aber als die schwerste Herausforderung vorbereiten müsse.[4]

Aus Sicht des général d’armée Pierre Schill (55), seit 14. Juli 2021 neuer Chef des FRA H – CEMAT – (Chef d’État-major de l’Armée de Terre), zeichnet sich nach diesem Verständnis die Dimension Land (le milieu aéroterrestre) durch eine hohe Fragmentierung, eine hohe Sättigung an materiellen und immateriellen Einflussfaktoren sowie eine hohe Komplexität, die durch Technologiesprünge noch verschärft wird, aus. Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, müssen die Landstreitkräfte (LaSK) die moralische und mentale Resilienz steigern, die Digitalisierung beherrschen und die Integration autonomer Robotersysteme vorantreiben. Diese sollen die Einheiten der LaSK verstärken und ihre Leistungsfähigkeit multiplizieren. In diesem Zusammenhang sind die Programme SCORPION (neue digitalisierte und vernetzte geschützte Plattformen, seit 2020 in der Einführung), VULCAIN (Robotisierung) und das darüberhinausgehende langfristige Fähigkeitsprogramm TITAN 2040 zu sehen, welches SCORPION, MGCS (Main Ground Combat System) und andere Systeme zu einem Verbund zusammenführen soll.

Neben den konventionellen Streitkräften bildet die „force de frappe“, die Nuklearstreitkräfte FRAs (luft- und seegestützt), den Kern der Nationalen Verteidigung und Basis der Unabhängigkeit als eine von fünf (offiziell erklärten) Nuklearmächten. Dies ist bei der Bewertung der französischen konventionellen LaSK zu bedenken, da man sich immer auf die letzte Option des Einsatzes von Nuklearwaffen zum Schutze FRAs berufen kann.

Beitrag des FRA H zu den strategischen Aufgaben der SK

Der Französische Kampfpanzer Leclerc; Blauer Bund
Der Französische Kampfpanzer Leclerc; Foto FRA SK/ Armée de Terre

Im Weißbuch der Verteidigung (Livre blanc) 2008 wurden erstmals fünf strategische Funktionen definiert, die in den Aktualisierungen 2013 und der ergänzenden strategischen Vorausschau (Revue stratégique de défense et de sécurité nationale) 2017 Erwähnung finden („connaissance et anticipation, prévention, intervention, protection-résilience et dissuasion“, zu dt. Aufklärung und Vorausschau, Prävention, Intervention, Schutz-Resilienz und Abschreckung). Schill sieht „das große Fähigkeitsspektrum und (die) Gefechtserfahrung“ der frz. LaSK als „einzigartig in Europa“ und die LaSK damit in der Lage, auf jede Art von Krise zu reagieren und eine Palette von Handlungsmöglichkeiten anzubieten.

Der Beitrag zu den strategischen Funktionen wird u.a. durch permanenten Einsatz in Auslandsmissionen, Vorausstationierung in den Überseeterritorien und Partnernationen (forces prepositionnées), hartes Training und Ausbildung, Spezialkräfte, operative Partner (z.B. Koalitionen der Willigen) sowie den Brigaden (Brig) des FRA H erbracht.[5]

Diese Mittel und Kräfte sollen gleichsam als Sensoren zur Einschätzung des strategischen Umfeldes beitragen, den politischen Willen untermauern, einen Gegner frühzeitig zum Einlenken zwingen und, falls nötig, das Gefecht in einer größeren Auseinandersetzung führen.

Mit den einzigartigen Fähigkeiten von LaSK (lange Stehzeit im Einsatz, Fähigkeit zum Nehmen und Halten von Gelände, Glaubwürdigkeit und Umkehrbarkeit, skalierbarer Einsatz im Heimatland („l’Hexagone“) und im Einsatzland, Beitrag zu schnell verlegbarem Kräftedispositiv / nat. Krisenreaktionskräfte (System GUÉPARD), Teilnahme an Informationsoperationen, Bereitstellung von Kräftedispositiven mit vielen verschiedenen Fähigkeiten) leistet das FRA H damit einen entscheidenden Beitrag, müsse aber stets „Plug-In“-fähig sein, um mit anderen Kräften oder Fähigkeitsträgern zivil wie militärisch zusammen wirken zu können.

Das Zusammenwirken der unterschiedlichen Fähigkeiten des Heeres in seinen vielfältigen Rollen haben unmittelbarer Wirkungi n andere Dimensionen hinein, wie die Spezialkräfte des Heeres, Aufklärung, Kampfunterstützung (Flugabwehr/Luftverteidigung und Pioniertruppen), Koordination des Kampfes in der Tiefe, Logistik, Überwachen des rückwärtigen Raumes, End-to-End-Verbindungen der digitalen Kräfte, Teilnahme an Informationsoperationen sowie an amphibischen oder luftgestützten Operationen, müssen koordiniert und „de-conflicted“ werden um aus den Beiträgen der Multiplikatoren einen echten Mehrwert zu generieren.

Grundsätze beim Einsatzes von LaSK

Einsatz Tigre von Landungsschiff Blauer Bund
Einsatz Tigre von Landungsschiff, Foto: A. ROINÉ/ECPAD

Das FRA H stellt in seiner derzeitigen Struktur („Au contact“) mit einem Korpshauptquartier („corps de réaction rapide“; Rapid Reaction Corps / RRC-FR in Lille) als taktisches Hauptquartier unterhalb des Führungskommandos der Landstreitkräfte (commandement de forces terrestres – CFT, ebenfalls in Lille) den Nukleus der FRA LaSK. Das CEFT definiert innerhalb eines Kapitels Grundsätze für den Einsatz des Korps und das Zusammenwirken mit unterstellten Verbänden sowie Nachbarn. Gem. CEFT wird dem Korps eine frz. Division mit zwei Brigaden und ggf. mehrere Divisionen von Partnernationen unterstellt. In den Grundsätzen ist damit auch die Basis für die Rolle der LaSK als Rahmen für eine ad-hoc Koalition gelegt, so wie M. dies seit einiger Zeit regelmäßig postuliert (und dabei TF TAKUBA als Beispiel anführt). Aus Erfahrungen in Einsätzen, aber vor allem auch aus der Teilnahme der US-Übungsserie WARFIGHTER, werden Funktionen des Korps und der Führung der ihm unterstellten Truppenteile definiert.

So befasst sich der erste Abschnitt mit der Raumordnung. In einem Operationsumfeld, das durch große, z.T. voneinander getrennte Räume und Gleichzeitigkeit geprägt ist (Anlehnung an Multi-Domain-Warfare) komme es entscheidend auf die Raumordnung und eine angepasste Führungsorganisation an. Die Raumordnung wird in kurzen Beispielen für Boden- und Luftraumordnung sowie Aspekte des Cyberspace, dargestellt um ein Verständnis für die Herausforderung zu entwickeln.

Die Führungsorganisation solle in einer „Kaskade“ von Gefechtsständen disloziert die Führungsfähigkeit in jeder Lage sicherstellen. Die in den LaSK dabei vorherrschende vertikale Organisation wird als Widerspruch zur allg. vorherrschenden Matrixorganisation gesehen, deren Vorteil aber nicht nur in der schnellen und verzugslosen Weitergabe der Absicht der übergeordneten Führung liegt, sondern vor allem in der Elastizität und der Befähigung der Führer auf allen Ebenen unabhängig Entscheidungen zu treffen. Insbesondere im sog. „mode dégradé“ oder „alternatif“ (dt. etwa „Zustand eingeschränkter Führungsfähigkeit“) kommen demnach die Stärken einer dislozierten Führung und größerer Freiheitsgrade zum Tragen. Man sei also grundsätzlich zukunftsfest und müsse in der Führerausbildung noch mehr Wert auf eigenständiges Denken und Handeln legen.

In einem weiteren Abschnitt des Kapitels über das Korps werden Aufgaben von Division und Brigaden beschrieben. Im Rahmen der Operationsführung kann demnach eine Division unter dem Befehl eines Korps stehen oder selbst die Funktion eines Land Component Command (für kleinere Operationen) wahrnehmen und übernimmt in dieser Funktion die Synthese von operativem Plan und taktischer Befehlsgebung. Die Division ist die erste Führungsebene die zum autonomen Gefecht befähigt ist und verfügt dafür in einem groupment de soutien divisionnair (GSD; dt. Logistischer Unterstützungsverband Division) über alle notwendigen nationalen Unterstützungsleistungen sowie die der integrierten Verbündeten. Organisch als Divisionstruppen unterstellte Aufklärungs- und OpKom/Cyber-Komponenten runden das Fähigkeitsportfolio der Division ab.

Die der Division unterstellten Brigaden sind je nach ihrer Spezialisierung mit bestimmten Waffensystemen ausgestattet die sie für den konkreten Einsatz besonders befähigen. Trotz der Spezialisierung findet die streitkräftegemeinsame Auftragserfüllung auch auf der Brigadeebene vollständig Anwendung. Führung und Unterstützung sind auf dieser Ebene hochmobil und ggf. geschützt bzw. gehärtet geplant. Insbesondere für den Einsatz einer mechanisierten (schweren) Brigade ist davon auszugehen, dass sie aufgrund des Operationstempos, der Störfähigkeiten des Gegners und der Herausforderungen der Topographie ggf. nicht mehr unmittelbar durch die übergeordnete Ebene geführt werden können und somit autark und zu selbstständigem Handeln zu befähigen sind.

Zusammenfassung und Bewertung

Robotik im Programm VULCAIN Blauer Bund
Robotik im Programm VULCAIN; Bild: FRA SK,/1er régiment de tirailleurs

Das CEFT ist ein gut verständnliches Grundlagendokument zum Schaffen eines gemeinsamen Verständnisses des Einsatzes von LaSK für Führer aller Ebenen aus dem Heer und anderer Kommandobereiche sowie von Partnernationen. Es bildet gleichsam den Ausgangspunkt für weitere doktrinäre Dokumente, die sich derzeit in der Erarbeitung befinden. Das Dokument entspricht den spezifischen nationalen Anforderungen FRAs und knüpft zugleich an die NATO-Doktrinlandschaft an.

 Trotz Parallelen in der Analyse und dem Verständnis des sicherheitspolitischen Umfeldes ergeben sich aus FRA Sicht andere Anforderungen an LaSK, als beispielsweise für DEU oder POL. Der selbstgestellte Anspruch an die SK insgesamt weltweit in Konflikten aller Intensitätsstufen einsetzbar zu sein und dabei den Kampf gegen hochgerüstete Gegner, vor allem in der südlichen Peripherie Europas mit seinen weiten Räumen in Nord- und Zentralafrika und zum Schutz der eigenen Territorien in Übersee führen zu können, erfordert andere Fähigkeiten als die zentraleuropäischer SK, die in erster Linie eine Abschreckung RUS vorsehen.

In diesen unterschiedlichen Sichtweisen bestehen möglicherweise Sollbruchstellen für eine Zusammenarbeit (Was muss ein zukünftiges Hauptwaffensystem der LaSK können? Verlegbarkeit vs. Schutz vs. Wirkung), die frühzeitig mitgedacht werden müssen um nicht im Verlauf der kommenden Jahre ein Scheitern dieser, auch für die europäische Verteidigung wichtigen Projekte zu gefährden. Eine reine politische Kooperationsabsicht könnte langfristig nicht ausreichen um unterschiedliche Anforderungen zu überbrücken. Gleichzeitig bieten diese Unterschiede gerade für Ausbildung und Übung sowie gemeinsam geführte Einsätze potentiell Synergien, die das Fähigkeitsspektrum europäischer Verteidigung erweitern können.

Der Schlüssel zur Erfüllung des Anspruchs an die strategische Autonomie Frankreichs findet sich schlussendlich in der nuklearen Abschreckungsfähigkeit. Mittel und Methoden hybride Kriegsführung bedrohen die eigene nationale Sicherheit jedoch jederzeit, auch unterhalb der Schwelle eines Krieges, und erfordern ggf. den Einsatz der konventionellen Streitkräfte. In deren Lastenheft steht zwar die Landes- und Bündnisverteidigung, die jedoch mit höherer Wahrscheinlichkeit zum Heimatschutz (Cyberabwehr, Weltraum, Objektschutz) und weltweit gegen Regionalmächte oder Terrorgruppen zum Einsatz kommen werden. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, sich nicht nur doktrinär und strukturell, sondern auch mit entsprechender Ausrüstung darauf einzustellen. FRA LaSK müssen vor allem schnell verlegbar, durchsetzungsstark und im gesamten Fähigkeitsspektrum autark sein, um nach kurzer Entscheidung durch den Staatspräsidenten weltweit FRA Interessen und Überseeterritorien schützen zu können.

Für das Deutsche Heer bedeutet dies Anknüpfpunkte zu suchen, wo FRA LaSK die eigenen, zunehmend auf Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BV) zu konzentrierenden Fähigkeiten ergänzen können. Dies ist zum Beispiel bei Einsatzgrundsätzen, Ausstattung und Gliederung mittlerer Kräfte sowie dem Einsatz in unterschiedlichen Klimazonen und amphibischen Operationen der Fall. Wer LV/BV kann, kann auch Kampf gegen irreguläre Kräfte und Stabilisierung, jedoch sind die Mittel und Wege durchaus unterschiedlich. FRA LaSK bieten hier Erfahrung und Anknüpfpunkte, um das Fähigkeitsportfolio des DEU H zu ergänzen und auch zur Sicherstellung der Handlungsfähigkeit deutscher Außen- und Sicherheitspolitik gehören. Gleichzeitig kann das FRA H von den deutschen Erfahrungen beim Führen mit Auftrag und schweren Kräften profitieren.

Der Angriff RUS auf die UKR und dem seit einem dreiviertel Jahr andauernden Krieg hat die Führung der frz. LaSK grundsätzlich in ihren Überlegungen zum Kriegsbild und der OpLL (insb. quantitativer Aspekte / Bedarf an größerer materieller und personeller Durchhaltefähigkeit) bestätigt. Ggf. wird es in Zukunft jedoch leichte Anpassungen geben.

Hinweis für den Leser: aufgrund der sprachlichen und doktrinären Unterschiede werden ggf. frz. Begriffe den deutschen ggü. aus Authentitätsgründen bevorzugt.

[1] Ministère des Armées, Discours de Florence Parly, voeux aux armées, Balard, Paris, 21. Januar

2022

https://www.defense.gouv.fr/salle-de-presse/discours/discours-de-florence-parly/discours-de-florence-parly-ministre-des-armees-voeux-aux-armees-le-jeudi-21-janvier-2021-a-balard

[2] CEFT, Seite 5

[3] Shurkin, Michael; „France’s War in Mali – Lessons for an Expeditionary Army“, Santa Monica, CA, RAND Corporation 2014.

https://www.rand.org/pubs/research_reports/RR770.html

[4] Ministère des Armées, Vision Stratégique du CEMA 2021

https://www.defense.gouv.fr/content/download/628900/10435817/file/211022_EMACOM_VisionStrategiqueCEMA_FR_Vdef_HQ.pdf

[5] brigades différencées (dt. „spezialisierte Brigaden; z.B. brigades blindées de décisions (PzBrig / sKr), brigades medianes (MotInfBrig / mKr), brigades amphibie (amphBrig), brigades d’urgences parachutiste (LLBrig), brigade de montagne (GebJgBrig), brigade d’aérocombat (LuftMechBrig) und die bigade franco-allemande (D/F-Brig).

Text: Oberstleutnant i.G. Sascha Nötzel, stellvertretender Heeresattaché, MilAttStab Paris

Zuverlässigkeit und Materialerhaltbarkeit von Landsystemen - Treiber der Lebenswegkosten (LCC) und Leitthema des Symposiums. Bild: BiZBw Biemann Blauer Bund

Symposium „Zuverlässigkeit und Materialerhaltbarkeit von Landsystemen“ – ein Resümee

Nach der Auftaktveranstaltung im Jahr 2019 konnte nun nach zwei Jahren lagebedingter Pause eine Fortsetzung des Symposiums „Zuverlässigkeit und Materialerhaltbarkeit von Landsystemen“ stattfinden. Über 100 Teilnehmer waren geladen.

Die Teilnehmer des Symposiums 2022 Blauer Bund
Die Teilnehmer des Symposiums 2022; Foto: Bundeswehr/Susanne Braun

Die Schirmherrschaft des Symposiums hatten der Abteilungsleiter Kampf des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr, Generalmajor Schmidt, und der Leiter der Wehrtechnischen Dienststelle für landgebundene Fahrzeugsysteme, Pionier- und Truppentechnik, Direktor WTD Simon, inne.

Da das Thema des Symposiums nicht nur innerhalb der Bundeswehr brisant ist, sondern auch aufgrund der Medienberichterstattung und nicht erst seit dem Zitat des Generalinspekteurs („Die Bundeswehr steht mehr oder weniger Blank da.“[1]) auch außerhalb der Bundeswehr viel Interesse hervorruft, fand die Veranstaltung dieses Mal auch unter Einbezug Bundeswehr-Externer aus der Industrie und von Instituten statt.

Die Gespräche im Anschluss an die Vorträge waren fruchtbar und intensiv.

Direktor WTD Simon konstatierte, dass wir in Zeiten exponentiellen technischem Wachstums leben und dass sich diese Tatsache insbesondere bei wehrtechnischen Produkten bemerkbar.

Nicht nur die Variantenvielfalt wächst, auch werden die Systeme selbst immer komplexer und somit zunehmend schwieriger beherrschbar.

Beispielsweise darf modernes Fahrzeug, ausgestattet mit einem schadstoffarmen Dieselmotor, im Einsatz nicht aufgrund minderwertigen Kraftstoffes liegenbleiben.

Schadstoffarme Dieselmotoren sind heute vielfach in Bundeswehrfahrzeugen verbaut - hier: im Materiallager in Karlsruhe Blauer Bund
Schadstoffarme Dieselmotoren sind heute vielfach in Bundeswehrfahrzeugen verbaut – hier: Ein Wechselladersystem Lkw 15t mil gl Multi 2 im Materiallager in Karlsruhe ©2022 Bundeswehr/Roland Alpers

Wann immer sogenannte „Tech-of-the-Art“-Produkte zum Einsatz kommen, ist das Risiko hoch. Die Ausfallwahrscheinlichkeit eines neuartigen Produktes kann erst nach einem längeren Beobachtungszeitraum, also Erprobung, reell erfasst werden. Am Beispiel eines Schweizer Uhrwerks, das seine Präzision und Zuverlässigkeit seit vielen Jahrzehnten unter Beweis stellt, ohne dass das grundlegende Konzept geändert wurde, wird dies deutlich.

Der Einsatz handelsüblicher Produkte mag an dieser Stelle zunächst sinnvoll erscheinen. Doch diese sind oft nicht für den harten militärischen Einsatz konzipiert. Daraus erwächst die strikte Forderung, dass diese deswegen ebenfalls und unbedingt auf ihre Einsatztauglichkeit hin ausgiebig erprobt werden müssen.

Der Projektleiter Leopoard 2 stellte in seinem Vortrag fest, dass es Zuverlässigkeit nicht zum Nulltarif gibt.

Am Beispiel der Baugruppeninstandsetzung zeigte er, dass eine gute Versorgung mit Ersatzteilen im ZKA[2] durch falsche Anreize leidet. Ökonomische Entscheidungen wirken sich zu allzu oft nachteilig auf die Zuverlässigkeit aus.

Man wisse, wer billig kauft, kauft zweimal. Dem Soldaten im Einsatz nützt ein Gewährleistungsanspruch wenig, wenn sein System gerade dann ausfällt, wenn er es dringend benötigt.

Der Referatsleiter PlgABw II 3 (5), zuständig für Fähigkeitsmanegement, zeigte auf, dass Bundeswehr-Inhousegesellschaften u. a. Dienstleister (wie z. B. HIL, Bw-Fuhrpark, BWI, BwBM[3]) aktuell nicht vollumfänglich die notwendigen Erfordernisse an die Kaltstartfähigkeit und Kriegstauglichkeit der deutschen Streitkräfte für die Landes- & Bündnisverteidigung erfüllen.

Mögliche Ursachen und Hebel, an denen man ansetzen könnte, wurden genannt aber auch genannt.

In dem für die Bundeswehr festgeschriebenen Verfahren für die Bedarfsermittlung und -deckung von Produkten und Dienstleistungen CPM gibt es bzgl. Zuverlässigkeit keine stringente Aussage über alle Phasen.

In diesem könnte das Projektelement Logistik[4] sowie die Projektbezogenen Logistischen Konzepte[5] optimiert werden.

Auch scheint es im Forderungsmanagement in dieser Hinsicht nur unzureichende Vorgaben zu geben.

Entsprechende techn.-logistischen Forderungen müssten möglichst frühzeitig Bestandteil des Vertrages werden.

Weitere, auch konkrete Lösungsmöglichkeiten wurden aufgezeigt:

Der Vertreter des Wehrwissenschaftlichen Instituts für Werk- und Betriebsstoffe der Bundeswehr (WIWeB) hat gezeigt, dass es Möglichkeiten, schadstoffarme Fahrzeuge im Notbetrieb auch bei unzureichender Kraftstoffqualität nutzen zu können ohne dass sie zwangsläufig ausfallen.

Neue Technologien müssen nicht nur Fluch, sondern können auch Segen sein:

Die Fa. Hutchinson zeigte an Beispielen, wie mit Hilfe neuartiger Werkstoffe Schutzmechanismen für Kraftstofftanks, Reifen, aber auch der Fahrerkabine das Ausfallrisiko landgebundener Fahrzeuge bei Treffereinwirkung reduziert werden kann.

Eine defekte Radbaugruppe vom Transportpanzer Fuchs Radbaugruppen waren gleich zweimal Vortragsthema. Blauer Bund
Eine defekte Radbaugruppe vom Transportpanzer Fuchs; Radbaugruppen waren beim Symposium gleich zweimal Vortragsthema. Foto: Bundeswehr/PAO MINUSMA

Neben materiellen gab es auch organisatorische Ideen:

Eine Standardisierung und somit Reduktion der Vielfalt insbesondere der Baugruppe Rad kann einen wesentlichen zur Vereinfachung der Logistik beitragen. Weitere Möglichkeiten im Supply-Chain-Management, der Serialisierung und Predictive Maintenance, also Voraussagungen darüber zu treffen, welche Bauteile ihre Belastungsgrenze als nächstes erreichen, um genau dort bei der Instandsetzung einzugreifen, nannte der Bereichsleiter Logistik der HIL GmbH.

Notwendige Voraussetzungen dafür wurden auch genannt:

So ist z. B. eine ganzheitliche Betrachtung vom Werkstoff bis zum System anzustreben, um Zuverlässigkeit, Sicherheit und Strukturdynamik exakt bewerten zu können.

Der Erhalt und die Verbesserung der Zuverlässigkeit und Materialerhaltbarkeit von Landsystemen erfordert permanente Anstrengungen in der Zusammenarbeit, zwischen allen Dienststellen im Rüstungsbereich, der Truppe , insbesondere dem Bereich Technik/Logistik aber auch der Industrie.

Dieses Symposium sollte einen Beitrag dazu leisten. Damit der rege Austausch nicht abreißt, wird es 2023 eine Fortsetzung[6] geben. Der geplante Termin ist 14.-16. November 2023. Save the Date!

[1] Tagesspiegel, 24.02.2022

[2] Zustandscode „Alpha“, d. h. neuwertig

[3] Bw Bekleidungsmanagement

[4] PE-Log

[5] PLK

[6] Wehrtechnik Land – BAAINBw K1.1 – Informationen – Wiki-Service Bw (bundeswehr.org)

Veranstaltungsort des Symposiums - das Bildungszentrum der Bundeswehr Blauer Bund
Veranstaltungsort des Symposiums – das Bildungszentrum der Bundeswehr

Text: Wissenschaftlicher Direktor Dipl.-Ing. Jörg Biemann, Bildungszentrum der Bundeswehr

Die Aggregate können unter anderem Gefechtsstände oder kleine Feldlazarette betreiben/VINCORION Blauer Bund

Neue und effiziente Stromaggregate für die Bundeswehr

Die Bundeswehr soll moderne und umweltfreundliche Stromerzeugeraggregate (SEA) erhalten. Dazu hat das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) das Technologieunternehmen VINCORION beauftragt, Aggregate in den Leistungsklassen 200 und 50 Kilowatt zu entwickeln und Erprobungs- sowie Vorserienmodelle bereitzustellen.
Neu und bislang einzigartig sind die sparsamen und emissionsarmen Diesel-Generatoren der SEA. Im Normalbetrieb mit Dieselkraftstoff halten diese die relevanten Normen sowie die Emissionsgrenzwerte der EU-Abgasstufe V ein. Bei Bedarf, zum Beispiel im Rahmen eines Auslandseinsatzes, kann auch regional erhältlicher Dieselkraftstoff genutzt werden. Durch eine innovative Emission-Downgrade-Technologie in der Abgasnachbehandlung können selbst stark schwefelhaltige oder verwässerte Kraftstoffe genutzt werden.Die Aggregate können unter anderem Gefechtsstände oder kleine Feldlazarette betreiben/VINCORION Blauer Bund

Die Aggregate können unter anderem Gefechtsstände oder kleine Feldlazarette betreiben/VINCORIONDie Aggregate können unter anderem Gefechtsstände oder kleine Feldlazarette betreiben/VINCORIONNeben den Aggregaten ist auch die Lieferung neuer Energiespeichermodule in denselben Leistungsklassen beauftragt. Unabhängig vom weltweit möglichen Einsatzort können hierdurch etwaige Stromschwankungen lokaler Netze oder Spannungen anderer Geräte aufgefangen werden. Zudem können diese Module nun im Verbund mit den SEA betrieben werden. Bei zu geringer Auslastung der SEA schont das Hinzuschalten der Speichermodule die Dieselmotoren und verlängert somit die Lebenszyklen der Aggregate.
Durch die Einbindung zusätzlich verfügbarer Photovoltaik-Module in den Stromerzeuger-Verbund können zusätzlich aktiv Treibstoff und Emissionen eingespart werden.Die neuen Stromerzeugeraggregate können im Verbund oder alleine betrieben werden/VINCORION Blauer Bund

Die neuen Stromerzeugeraggregate können im Verbund oder alleine betrieben werden/VINCORIONDie Bundeswehr erwartet die Lieferung erster Erprobungsmodelle Anfang 2024, die Vorserienmodelle sollen ein Jahr später folgen. Sofern dann die benötigten Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt werden, sollen die ersten Serienmodelle der Truppe im Jahr 2026 zulaufen.

Text: BIZ AIN
Fotos: VINCORION

Rund 200 Besucher nutzten die Informationsveranstaltung des Blauer Bund e.V. um sich weiterzubilden und zu informieren.

Die Informationsveranstaltung „blauer Bund e.V.“ stand unter dem Leitthema „Zeitenwende“

Welchen Einfluss hat der Angriffskrieg Russlands in der Ukraine und die damit verbundene „Zeitenwende“, auf die Bundeswehr und die Logistikbranche? Dieser Leitfrage widmete sich die Informationsveranstaltung des blauen Bundes (bB) in der Lucius-D.-Clay-Kaserne in Osterholz-Scharmbeck. Rund 200 Besucher aller TSK/OrgBer aus Logistik und Rüstung sowie Vertretern der zivilen Logistik und Wehrindustrie wurden vom Präsidenten des bB, GenMaj Gerald Funke, zur Veranstaltung begrüßt.

Der Präsident des Blauer Bund e.V., GenMaj Gerald Funke begrüßt die Teilnehmenden der Informationveranstaltung in Garlstedt.
Der Präsident des Blauer Bund e.V., GenMaj Gerald Funke, begrüßt die Teilnehmenden der Informationveranstaltung in Garlstedt.

 

Rund 200 Besucher nutzten die Informationsveranstaltung des Blauer Bund e.V. um sich weiterzubilden und zu informieren.
Rund 200 Besucher nutzten die Informationsveranstaltung des Blauer Bund e.V. um sich weiterzubilden und zu informieren.

Zuvor wurde jedoch in der Mitgliederversammlung des bB ein Blick auf das zurückliegende Jahr im Verein geworfen und über die Pläne für die Zukunft berichtet.

Der Präsident: „Mit rund 1.150 Mitgliedern konnten wir unsere Mitgliederzahl halten. Das bewerte ich in der heutigen Zeit als Erfolg.“

GenMaj Funke führte diesen Umstand auf die ansprechenden Vereinspublikationen, den attraktiven Webauftritt und die Informationsveranstaltung -als Zugpferd- zurück. Auch die Mitarbeit des bB innerhalb des „Beirat für Reservistenangelegenheiten“ sehe er als wichtig an, um im Sinne der Reservisten im Verein mitgestalten zu können.

Im kommenden Jahr wird sich der bB mit einem eigenen Auftritt auf einem Social Media Kanal befassen und möchte sich Vorschläge für ein Corporate Design unterbreiten lassen und dann umsetzen. Die Zeichen stehen auf Moderne, denn junge Mitglieder sollen verstärkt im Verein eingebunden werden.

„Durch welche Maßnahmen können junge Mitglieder in Vereinsangebote eingebunden werden? Was ist attraktiv? Wie gelingt die Mitarbeit der Jungen?“

 

Die Informationsveranstaltung

Die folgenden elf Einzelvorträge mit dem Leitthema „Zeitenwende, auch in Logistik/ Rüstung/ Nutzung?!“ waren geprägt von erfreulicher Offenheit und höchst aktuell. An der Vielzahl der gestellten Fragen konnte man das große Interesse des Publikums an den Inhalten ablesen.

Den Aufschlag machte GenLt a.D. Hans-Werner Wiermann, ehem. deutscher militärischer Vertreter bei NATO und EU, zur Neuausrichtung der NATO.

GenLt a.D. Hans-Werner Wiermann, ehem. deutscher militärischer Vertreter bei NATO und EU, zur Neuausrichtung der NATO. Blauer Bund
GenLt a.D. Hans-Werner Wiermann, ehem. deutscher militärischer Vertreter bei NATO und EU, zur Neuausrichtung der NATO.

Er führte aus, dass sich das Bündnis in einem außerordentlich dynamischen Umfeld befinde. Er leitete historisch den Weg zur NATO 3.0 nach dem Konflikt auf der Krim 2014 her, der Internationales Krisenmanagement (IKM) und Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BV) gleichrangig stellte. Weiter verwies er auf den Gipfel in Madrid im Juni 2022, der die Aufstockung der Präsenz an der Ostflanke und den Beitritt Schwedens und Finnlands zur Folge hatte. Das derzeitige strategische Konzept der NATO setze auf Abschreckung, auch nuklear.

Abschreckung muss Funktionieren! Kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen!

Sollte in einem Konflikt die USA anderweitig gebunden sein, seien die Augen in Europa auf Deutschland gerichtet. Es ergäben sich im Bündnis folgende Notwendigkeiten: Die verfügbare Vorwarnzeit müsse optimal genutzt werden. Internationale Verbände müssten durch häufiges, gemeinsames Üben befähigt werden. Die NATO müsse bis zur taktischen Ebene zu Multi Domain Operationen befähigt sein und die Digitalisierung vorantreiben. Die Handlungslinie sei: 1) Krise ist festgestellt, dann vorgesehene Manöverelemente in schnelle Einsatzbereitschaft versetzen. 2) Kräfte in einsatznahen Verfügungsraum verlegen. 3) Eskalationsmanagement betreiben.

 

Im Anschluss erläuterte BrigGen Holger Draber, Unterabteilungsleiter Planung II im BMVg, die aktuellen Aspekte der Fähigkeitsentwicklung.

BrigGen Holger Draber, Unterabteilungsleiter Planung II im BMVg, zu den aktuellen Aspekten der Fähigkeitsentwicklung. Blauer Bund
BrigGen Holger Draber, Unterabteilungsleiter Planung II im BMVg, zu den aktuellen Aspekten der Fähigkeitsentwicklung.

Er zeigte auf, welchen Beitrag Deutschland am NATO Force Model 2025, der Verstärkung der Ostflanke, hat. Um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen, müsse das Fähigkeitsprofil 2022 derzeit angepasst werden. Mit dem nun bereitgestellten Sondervermögen solle im Schwerpunkt die Führungsfähigkeit, die Mobilität und die Ausstattung mit Munition gestärkt werden. Nach dem Aufzeigen von Beispielen stellte er heraus, dass diese Haushaltsmittel schnell umgesetzt werden sollen, auch unter Abstrichen bei den Fähigkeiten.

 

Danach befasste sich Vizeadmiral Carsten Stawitzki, Abteilungsleiter Ausrüstung im BMVg, mit der Zeitenwende in Rüstung und Nutzung.

Vizeadmiral Carsten Stawitzki, Abteilungsleiter Ausrüstung im BMVg, zur Zeitenwende in Rüstung und Nutzung. Blauer Bund
Vizeadmiral Carsten Stawitzki, Abteilungsleiter Ausrüstung im BMVg, zur Zeitenwende in Rüstung und Nutzung.

Zur Leitfrage „Zeitenwende“ sprach er auch über das erforderliche gemeinsame neue Mindset.
„Für mich heißt Zeitenwende: Nichts wird mehr so sein wie es vorher war!“

Man müsse bei der Ausrüstung vom Einsatz her denken. Was braucht der „nackte“ Soldat als erstes? Kampfbekleidung, Waffe, Nachtsichtgerät, bewegliche Unterbringung, Transportfahrzeuge und so fort.

Der Abteilungsleiter Ausrüstung erläuterte die „quick wins“ an schnell umsetzbaren Projekten, die dieser Logik folgen, zeigte daneben aber auch die Stärkung der Dienstleister BwFPS und HIL GmbH auf.

Abschließend erläuterte er die materielle Unterstützung der Ukraine mit Fahrzeugen und Artilleriesystemen aus Beständen der Bundeswehr und deren Auswirkungen auf unsere Streitkräfte.

 

Aktuelles aus der TSH, BrigGen Dirk Kipper, Kommandeur der Technischen Schule des Heeres

BrigGen Dirk Kipper, Kommandeur der Technischen Schule des Heeres, informierte über Aktuelles aus der TSH. Blauer Bund
BrigGen Dirk Kipper, Kommandeur der Technischen Schule des Heeres, informierte über Aktuelles aus der TSH.

Der Aachener Kommandeur erläuterte sein Bestreben die TSH an die Erfordernisse anzupassen, die für die Verlagerung hin zur Aufgabe LV/BV nötig sind. Die TSH brauche dazu mehr Flexibilität bei der Deckung des Ausbildungsbedarfes. Ein Anstieg an internationaler Zusammenarbeit sei zu verzeichnen, einschließlich der Ausbildung ukrainischer Kräfte.

„Ich möchte mehr Kooperation; mit der HIL GmbH, den Niederlanden und auch mit Großbritannien.“

Alle Anstrengungen richteten sich nach den Ausbildungsbedarfen für die „Division 2025“.

 

Aktuelles aus der LogSBw, BrigGen Boris Nannt, Kommandeur der Logistikschule der Bundeswehr

BrigGen Boris Nannt, Kommandeur der Logistikschule der Bundeswehr berichtete über Aktuelles aus der LogSBw. Blauer Bund
BrigGen Boris Nannt, Kommandeur der Logistikschule der Bundeswehr berichtete über Aktuelles aus der LogSBw.

Der Gastgeber berichtete über das bereits länger andauernde Projekt „Modernes Lernen“. Dafür ist ein Steuerungsboard eingerichtet, das mit 12 Mitgliedern durchgängig die Belange der Methodik und Didaktik vorantreibt. Modernes Lernen stehe dabei auf den Säulen kompetenzorientierte Ausbildung, Digitalisierung und Wissensmanagement. Eine Kultur der Akzeptanz dieser Instrumente sei für den Erfolg wesentlich.

Aus dem Logistischen Übungszentrum gab es zu berichten, dass die „Zentrale Ausbildung Logistik“ inzwischen grundsätzlich gemeinsam von einem Versorgungsbataillon des Heeres und einem Logistikbataillon der SKB besucht wird. Also zwei wesentliche Elemente der logistischen Kette gemeinsam üben.

 

Invictus Games, BrigGen a.D. Michael Bartscher

BrigGen a.D. Bartscher warb für die Invictus Games 2023 in Düsseldorf. Blauer Bund
BrigGen a.D. Michael Bartscher warb für die Invictus Games 2023 in Düsseldorf.

Am Ende des ersten Tages konfrontierte BrigGen Bartscher die Zuhörer mit den Einsatzrealitäten unserer Soldaten, welche Verletzung an Leib und Seele einschließen können. Auch er war durch einen Anschlag in Afghanistan betroffen. Solchen Veteranen eine Perspektive und auch Selbstvertrauen zurückzugeben ist auch eine Aufgabe der Invictus Games. Durch Harry, Prince of Wales, ins Leben gerufen, ist dies eine sportliche Großveranstaltung für Soldaten mit Handicap und deren Begleitung. Denn jeder Sportler darf Familienangehörige oder Freunde zu den Games mitbringen. Besonders die Videoeinspielungen vergangener Jahre aus Sydney und Den Haag machten Lust auf einen Besuch in Düsseldorf 2023.

 

Gesellschaftsabend

Netzwerk festigen und erweitern ist ein wichtiges Ziel des Gesellschaftsabends, das mühelos erreichbar war. Die Sammlung für das Soldatenhilfswerk ergab die Summe von 1.430 Euro, die vom bB auf 2.000 Euro aufgestockt wurde. Drei Mitglieder wurden für ihre 25-jährige Treue zum bB geehrt.

Ehrung für 25jährige Treue zum bB. Von links: GenMaj Funke, Präsident im bB, BrigGen Zeyen, BrigGen Draber, Oberstlt d.R Becker © Bundeswehr/Bärbel Krach

 

Der Gesellschaftsabend. Zeit zum Austausch ohne Grenzen. Der aktuellste Beitrittzum bB - aus Überzeugung! Blauer Bund
Der Gesellschaftsabend. Zeit zum Austausch ohne Grenzen. Olt Wolf ist der aktuellste Beitritt zum bB – aus Überzeugung! © Bundeswehr/Bärbel Krach

 

Rollenverständnis JSEC (Joint Support and Enabling Command), BrigGen Thomas Seifert, DCOS OPS JSEC

Rollenverständnis JSEC (Joint Support and Enabling Command), BrigGen Seifart, DCOS OPS JSEC, Blauer Bund
Rollenverständnis JSEC (Joint Support and Enabling Command), BrigGen Thomas Seifert, DCOS OPS JSEC

Der Gast aus Ulm machte zu Beginn des zweiten Tages deutlich, wie die Aufgabe des JSEC zur Unterstützt aller Missionen des SACEUR (deu.: Oberbefehlshaber der NATO für Europa) zu verstehen sei. Die Aufgaben seien Enablement, Reinforcement by Forces and Sustainment Flow, übersetzt etwa: Die Fähigkeit, Truppen schnell verlegen, nachhaltig verstärken und gesichert versorgen zu können.

Mit rund 470 Dienstposten betreibt das JSEC diese Managementaufgabe, die von der Industrie bis zur verbrauchenden Truppe reicht. Eine große Herausforderung sei das Steuern von Truppenbewegungen in Zeit und Raum, ohne eigene Logistiktruppen unterstellt zu haben.

„We are asking, not tasking“

Das Kommando erstelle Pläne und schaffe ein RSN (Reinforcement and Sustainment Network), welches gewährleiste, dass Kräfte nicht mehrfach eingeplant werden und in allen Abschnitten des Prozesses effektiv und effizient gehandelt wird. Und dies, obwohl die Verantwortung für die Logistik nationale Aufgabe bleibt und die NATO lediglich eine koordinierende Rolle hat.

 

Zeitenwende aus Sicht der Industrie, Dr. Hans Christian Azpodien, Hauptgeschäftsführer Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie

Dr. Hans Christian Azpodien, Hauptgeschäftsführer Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, zu Zeitenwende aus Sicht der Industrie. Blauer Bund
Dr. Hans Christian Azpodien, Hauptgeschäftsführer Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, zu Zeitenwende aus Sicht der Industrie.

Das Sprachrohr der SVI (Sicherheits- und Verteidigungsindustrie) beleuchtete die Thematik mit Hilfe von 10 Thesen. In diesen stellte er vor, dass die SVI marktverfügbare Produkte schnell zur Verfügung stellen kann, jedoch abweichende deutsche Forderungen zu häufig hinderlich seien. Er betonte, dass die SVI Planbarkeit benötige und zum Erhalt von Schlüsseltechnologien die politische Leitung eigene Vorgaben mit Leben füllen müsste und auch verbindliche Bestellungen essentiell seien. Im Zusammenhang mit dem Streben als nachhaltige Industrie zu gelten, brachte er den passenden Slogan zur Kenntnis.

„Sicherheit ist die Mutter aller Nachhaltigkeit!“

 

Nächster Vortragender war GenLt Michael Vetter, Abteilungsleiter CIR im BMVg, zur Bedrohung im Cyber- und Informationsraum.

GenLt Michael Vetter, Abteilungsleiter CIR im BMVg, zu Bedrohung im Cyber- und Informationsraum und den Auswirkungen auf die Logistik. Blauer Bund
GenLt Michael Vetter, Abteilungsleiter CIR im BMVg, zu Bedrohung im Cyber- und Informationsraum und den Auswirkungen auf die Logistik.

Er berichtete über die ca. 3 Mio. Angriffe auf die Bundeswehr aus dem Cyber- und Informationsraum im Halbjahr. Erklärte ein neues Phänomen namens „Hacktivismus“, bei dem nichtstaatliche Akteure Aktionen im Cyberraum zu Gunsten oder Schaden eines Konfliktbeteiligten starten, die nicht mit staatlichem Handeln, das in gleiche Richtung wirken soll, abgestimmt sind. Als Beispiel führte er die Gruppe „Anonymous“ mit einem Hack gegen Gazprom Deutschland an, der in der Wirkung eher gut gemeint, als gut gemacht war, da die Gesamtbetrachtung fehlte.

Er stellte heraus, dass wegen der notwendigen stärkeren Digitalisierung in allen Lebensbereichen die Möglichkeiten zu Cyber-Angriffen zunähmen. Davon sind die Streitkräfte, vom Zulieferer aus der Industrie bis zum Verbraucher in der Truppe, stark betroffen.

Schutz gegen diese Bedrohung sei essenziell, die Akteure in der Cybersicherheit jedoch vielfältig. Es benötige ausgefeilte Koordination, Prozesse, und Strukturen. Übungen gegen Cyberbedrohung seien ebenfalls notwendig.

Nach Vorstellung des BMVg sei es das Ziel, im Nationalen Cyberabwehrzentrum neben den Ressorts BMI und AA auch die Länder und Betreiber von kritischer Infrastruktur (wie z.B. Netzanbieter für Kommunikation) einzubinden.

Den Einfluss des Sondervermögens auf die Projekte zur Führungsfähigkeit bewerte er positiv.

„Viele Ampeln von Projekten der Führungsfähigkeit springen auf grün.“

 

LV/BV aus Sicht der Basislogistik, Oberst Kai Häußermann, Kommandeur der mobilen Logistiktruppen (mobLogTr)

Oberst Kai Häußermann, Kommandeur der mobilen Logistiktruppen (mobLogTr), zu LV/BV aus Sicht der Basislogistik. Blauer Bund
Oberst Kai Häußermann, Kommandeur der mobilen Logistiktruppen (mobLogTr), zu LV/BV aus Sicht der Basislogistik.

Oberst Häußermann erläuterte die Strukturmerkmale der mobLogTr mit ihren umfangreichen Aufgaben, aber noch bestehenden Einschränkungen bei der Kaltstartfähigkeit. Die ausstehende Entscheidung zur Strukturanpassung sei schnell erforderlich, um die Kaltstartfähigkeit zu verbessern. Weitere Voraussetzung seien gemeinsame Feldeinsatzübungen mit der Einsatzlogistik. Aus vergangenen Übungen dieser Art könne man als Handlungsfelder u.a. die Führungsfähigkeit/Führungsmittel, die feldmäßige Lagerung von Munition und die Bedrohung aus der Luft durch Drohnen ausmachen.

 

LV/BV aus Sicht der Einsatzlogistik Heer, Oberstlt Sven Heidel, Kommandeur Versorgungsbataillon 131

Oberstlt Sven Heidel, Kommandeur Versorgungsbataillon 131 und Kommandeur multinationale Combat Service Support (MN CSS) Battalion VJTF 2023. Blauer Bund
Oberstlt Sven Heidel, Kommandeur Versorgungsbataillon 131 und Kommandeur multinationale Combat Service Support (MN CSS) Battalion VJTF 2023. Aufnahme am Heimatstandort. © Bundeswehr/Susan Billing

Der Kommandeur VersBtl 131 bildete den Abschluss der Informationsveranstaltung und berichtete aus Sicht der Truppe über die Übungstätigkeiten zur Vorbereitung des Auftrages NRF 2022-2024. Er lobte, dass die Integration der multinationalen Partner (4 Kompanien aus BEL, NOR, NDL) sehr gut gelungen sei. Die Übung Wettiner Heide sei der Lackmustest gewesen und mit der Zertifizierung auch bestanden worden. Die Information zum aktuellen Planungsstand über das Zielbild Heer und die dazu ausgeplante Struktur der Einsatzlogistik Heer schlossen seinen Vortag ab.

Am Ende der Veranstaltung bedankte sich der Vizepräsident im bB Oberst a.D. Thomas Mönnikhoff bei allen Mitwirkenden und warb bereits jetzt für die Informationsveranstaltung im November 2023 in Aachen/Eschweiler. Die Informationsveranstaltung des bB ist nach zwei Jahren Abstinenz erfolgreich zurück auf dem Podium!

Text: Oberstleutnant Roman Schlosser, Redakteur im blauer Bund e.V.

Bilder: Bundeswehr/Petra Reiter oder laut Bildbeschriftung

Beim Kampfbekleidungssatz Streitkräfte handelt es sich um eine moderne Kampfausstat-tung, die - mit 25 verschiedenen Artikeln - den Soldatinnen und Soldaten eine für alle Ein-satzszenarien in sämtlichen Klimazonen lagebezogen angepasste Bekleidung bietet.

Vollausstattung mit Bekleidung und persönlicher Ausrüstung bis 2025

Die Bundeswehr soll bis Ende 2025 mit Schutzwesten, Gefechtshelmen, Kampfbekleidung und Rucksäcken voll ausgestattet werden. Der dazu erforderliche Änderungsvertrag wurde im Juni 2022 zwischen dem Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) und der Inhouse-Gesellschaft Bw Bekleidungsmanagement (BwBM) GmbH geschlossen.

Auf Basis bereits in der Vergangenheit durch das BAAINBw initiierter Beauftragungen und dem im Juni 2022 vertraglich besiegelten Anschub sollen alle aktiven Soldatinnen und Soldaten bis zum Ende des Jahres 2025 mit bis zu 351.000 Sätzen der Modularen ballistischen Schutz- und Trageausstattung (MOBAST), 313.000 Sätzen des Kampfbekleidungssatzes Streitkräfte (KBS SK), 338.000 Rucksäcken mit einem Volumen von 110l und 313.000 neuen Gefechtshelmen ausgestattet werden. Hierbei inbegriffen sind entsprechende Mengen zur Bevorratung verschiedener Größen und einer anteiligen Reserve zur Regeneration.

Oberstleutnant Marko Dietzmann hebt als zuständiger Referatsleiter im BAAINBw hervor: „Diese Investition ist ein enormer Meilenstein für die Truppe. Sah der ursprüngliche Zeitplan aufgrund nicht ausreichender Haushaltsmittel noch das Jahr 2031 vor, so werden wir nun die Vollausstattung der Truppe bereits 2025 erreichen können.“

Dieser zügig erfolgte Vertragsschluss sichert der Bundeswehr ausreichend Produktionskapazitäten der Industrie in Zeiten eingeschränkter Rohstoffverfügbarkeit sowie steigender Nachfrage am Weltmarkt. Um den parallelen Herausforderungen des seinerzeit durch Bundeskanzler Scholz angekündigten Sondervermögens für die Bundeswehr bei gleichzeitig geltender vorläufigen Haushaltsführung des Bundes zu begegnen, hat das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) frühzeitig den Bedarf auf Bewilligung überplanmäßiger Ausgaben nebst erforderlicher Verpflichtungsermächtigung in Höhe von mehr als 2,3 Mrd. Euro gegenüber dem Bundesministerium für Finanzen (BMF) angezeigt. Hierüber wurde der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages in seiner 10. Sitzung am 7. April 2022 informiert.

Anlässlich der Ausschusssitzung teilte die Bundesministerin der Verteidigung Christine Lambrecht mit: „Wir werden zügig erste Verbesserungen bei der Truppe sehen und wollen bis Ende 2025 eine Vollausstattung der Truppe mit Schutzwesten, Kampfbekleidung und Rucksäcken erreichen. Die persönliche Schutzausrüstung liegt mir besonders am Herzen, denn unsere Soldatinnen und Soldaten verdienen den besten Schutz bei Einsatz und Übung.“ Das BAAINBw hat dazu die vertraglichen Grundlagen gelegt.

Bei der beauftragten Ausrüstung handelt es sich um bereits in die Bundeswehr eingeführte Artikel:

Kampfbekleidungssatz Streitkräfte (KBS SK)

Beim Kampfbekleidungssatz Streitkräfte handelt es sich um eine moderne Kampfausstat-tung, die - mit 25 verschiedenen Artikeln - den Soldatinnen und Soldaten eine für alle Ein-satzszenarien in sämtlichen Klimazonen lagebezogen angepasste Bekleidung bietet.
Eine Auswahl der 25 verschiedenen Artikel des Kampfbekleidungssatz Streitkräfte

Beim KBS SK handelt es sich um eine moderne Kampfausstattung, die – mit 25 verschiedenen Artikeln – den Soldatinnen und Soldaten eine für alle Einsatzszenarien in sämtlichen Klimazonen lagebezogen angepasste Bekleidung bietet.

Modulare ballistische Schutz- und Trageausstattung (MOBAST)

Soldat mit dem Schutzwestensystem modulare ballistische Schutz- und Trageausstattung (MOBAST) sowie dem Rucksacksystem 110Liter
Soldat mit dem Schutzwestensystem modulare ballistische Schutz- und Trageausstattung Soldat (MOBAST) sowie dem Rucksacksystem 110Liter

Das Schutzwestensystem MOBAST besteht aus einer Schutzweste der Schutzklasse 4, ballistischer Unterwäsche zum Schutz vor Kleinstsplittern und einer Trageausstattung für Magazine und Ausrüstung. Zusätzlich stehen modulare Splitterschutzelemente für Hals und Schulter, Tiefschutz sowie ein Oberarm- und Oberschenkelschutz zur Verfügung.

Gefechtshelm Streitkräfte

Gefechtshelm Streitkräfte im Einsatz bei den Fallschirmjägern mit erweiterter Grundbefä-higung (EGB) der 3. Kompanie des Fallschirmjägerregiments 26 aus Zweibrücken üben auf dem Truppenübungsplatz Wildflecken den Kampf im Gebäude. Wildflecken, am 26. Okto-ber 2021.
Fallschirmjäger mit erweiterter Grundbefähigung (EGB) der 3. Kompanie des Fallschirmjägerregiments 26 aus Zweibrücken üben auf dem Truppenübungsplatz Wildflecken den Kampf im Gebäude. Wildflecken, am 26. Oktober 2021.

Der künftige Gefechtshelm wird bereits von den Spezialisierten Kräften genutzt. Mit diesem Helm werden aktuell die Soldatinnen und Soldaten der VJTF 2023 ausgestattet. Als sogenanntes „Full Cut“-Modell bietet er größtmöglichen Schutz für den Kopf gegen Schlag- und ballistische Einwirkungen, ist kompatibel zu Ausrüstungsgegenständen (insbesondere Sprechsätzen und Gehörschutz) und ermöglicht eine Adaption von Nachtsichtgeräten und anderen Anbauteilen.

Rucksacksystem 110 Liter

Soldat mit dem Schutzwestensystem modulare ballistische Schutz- und Trageausstattung Soldat (MOBAST) sowie dem Rucksacksystem 110Liter
Soldat mit dem Schutzwestensystem modulare ballistische Schutz- und Trageausstattung Soldat (MOBAST) sowie dem Rucksacksystem 110Liter

Dieses System besteht aus einem Rucksack, zwei Seitentaschen, einem kleineren Einsatzrucksack sowie mehreren Packlinern und ist für Truppenteile mit einer vorgegebenen Durchhaltefähigkeit von 72 Stunden im abgesessenen Einsatz vorgesehen.

 

Text und Bilder: PIZ AIN

Der Schirmherr Brigadegeneral Robert Wilhelm und der Leiter des CIHBw Sven Weizenegger mit einer Auswahl der Ideengeber der Challange beim Demo-Day. Foto: CIHBw Blauer Bund

Innovative Lösungen für die Logistik von morgen

Die „Innovation Challenge Logistik – Innovation? Rollt!“ ist ein Ideenwettbewerb des Cyber Innovation Hub der Bundeswehr (CIHBw) in Kooperation mit der Logistiktruppe der Bundeswehr. Schirmherr ist der stellvertretende Kommandeur des Logistikkommandos Brigadegeneral Robert Wilhelm. Gemeinsam mit den Angehörigen des Logistikbataillon 161, des Logistikbataillon 461 sowie der Logistikschule der Bundeswehr werden innovative Ideen und digitale Lösungen für die Logistik von morgen gesucht.

„Die Energie im Raum ist spürbar“ kommentiert ein Innovationsexperte der MVP Factory aus Berlin die Stimmung im Cyber Innovation Hub der Bundeswehr. 27 Soldat:innen pitchen gerade acht Prototypen im Rahmen des Demo-Days der Innovation Challenge Logistik. Die Challenge-Jury ist zusammengesetzt aus Logistikexperten der Bundeswehr und Akteuren aus dem zivilen Start-Up Ökosystem. Der Demo-Day ist ein wichtiger Meilenstein für Ideen aus der Truppe hin zu möglichen Innovationsvorhaben mit dem Cyber Innovation Hub der Bundeswehr.

Präsentation von 8 ausgewählten Projekten beim Demo-Day in Berlin. Die Stimmung ist gelöst,die Energie spürbar. Foto: CIHBw Blauer Bund
Präsentation von acht ausgewählten Projekten beim Demo-Day in Berlin. Die Stimmung ist gelöst, die Energie spürbar. Foto: CIHBw

Der Cyber Innovation Hub der Bundeswehr: Aus der Truppe für die Truppe, mit der Truppe

Der Cyber Innovation Hub der Bundeswehr ist die erste „Digital Innovation Unit“ eines deutschen Bundesministeriums und die erste militärische Innovationseinheit in Europa. Als Scharnier zwischen Start-Ups und der Bundeswehr ist es das Ziel des CIHBw ein agiles Digital-Mindset in die Bundeswehr zu tragen. Dabei agiert der CIHBw als Katalysator mit eigenen Ressourcen, als Freiraum für innovative Gedanken und als Matchmaker zwischen den Akteuren. Ziel des „Do-Tanks“ der Bundeswehr ist es den Kulturwandel der Bundeswehr aktiv zu gestalten. Dazu wird neben der Zusammenarbeit mit der Start-Up-Welt auch auf einen „Defence Intrapreneurship“ Ansatz gesetzt. Defence Intrapreneurship ist eine neuartige Methode des Innovationsmanagements bei den Streitkräften, die Soldat:innen dazu befähigt und dabei unterstützt, ihre Ideen eigeninitiativ voranzutreiben.

Innovation? Rollt! – Die Innovation Challenge Logistik

Innovatiln Rollt! Plakat zu den ausgewählten Projekten zum Demo-Day Blauer Bund
Innovatiln Rollt! Plakat zu den ausgewählten Projekten zum Demo-Day. Foto: CIHBw

Die Innovation Challenge Logistik – Innovation? Rollt! ist ein Ideenwettbewerb des Cyber Innovation Hub der Bundeswehr in Kooperation mit der Logistiktruppe der Bundeswehr. Schirmherr ist der stellvertretende Kommandeur des Logistikkommandos Brigadegeneral Robert Wilhelm. Mit der Bearbeitung innovativer Projekte durch einem „bottom-up“-Ansatz, trägt die Innovation Challenge zum Kulturwandel in der Truppe bei – hin zu einer agilen, innovativen und digital-ready Organisation. Seit dem Frühjahr 2022 waren die Profis aus der Truppe aufgerufen, ihre Projekte einzureichen. Gesucht wurden Herausforderungen und Lösungsideen mit einem hohen digitalen Anteil. Innerhalb weniger Wochen wurden 86 Ideen aus sieben Verbänden eingereicht. Acht Projekte schafften es in die nähere Auswahl. Die 27 Ideengeberinnen und -geber wurden eingeladen, innerhalb einer Coaching-Woche im CIHBw in Berlin gemeinsam mit IT-, Design- und Marketing-Experten aus ihren „Kaffee-Ecken-Ideen“ erste Prototypen zu entwickeln. Die Bandbreite der Projekte reichte von der Refokussierung auf die Landes- und Bündnisverteidigung, über die Digitalisierung von Prozessen bis hin zu datengetriebener Optimierung.

Innovation ist kein Zufall

Brigadegeneral Wilhelm leitete den Demo-Day mit einer Keynote ein: „Die digitale Transformation in der Logistik der Bundeswehr steht erst am Anfang.“ Er betonte: „Wir brauchen neue Waffensysteme, neue Technik wie zum Beispiel einen neuen schweren Transporthubschrauber. Aber es sind oft kleine Dinge, die den Dienstalltag erleichtern. Pragmatische Lösungen, die aus der Truppe kommen und für die man nicht 100 Milliarden braucht, um sie umsetzen.“ Dass Geld allein nicht ausreiche, unterstrich auch Sven Weizenegger, der seit Mitte 2020 den CIHBw leitet, er betonte die Bedeutung von Methodik und Praxisbezug: „Innovation ist kein Zufall. Wir gehen methodisch vor. Denn vielleicht eine von 100 Ideen ist umsetzbar. Die entwickeln wir hier.“ Dabei liege der Fokus immer auf Praxisbezug und Umsetzbarkeit: „Aus der Truppe, für die Truppe, mit der Truppe: Es gibt kein Projekt ohne Soldatin oder Soldaten. Wir lösen nur echte Probleme. Und die Truppe sagt uns, ob Lösungen funktionieren.“

Der Schirmherr Brigadegeneral Robert Wilhelm und der Leiter des CIHBw Sven Weizenegger mit einer Auswahl der Ideengeber der Challange beim Demo-Day. Foto: CIHBw Blauer Bund
Der Schirmherr Brigadegeneral Robert Wilhelm und der Leiter des CIHBw Sven Weizenegger mit einer Auswahl der Ideengeber der Challange beim Demo-Day. Foto: CIHBw

Startup-Ideen der Soldat:innen

Die Innovationsidee zum NATO-Parkplatz YARDED stammt aus dem Logistikbataillon 163 RSOM in Delmenhorst. Das erst im September 2020 aufgestellte Bataillon wird im Bündnisfall der NATO unterstellt und koordiniert Aufnahme (Reception) und Zusammenführung von Einsatzkräften und Material (Staging) sowie den Weitertransport (Onward Movement) in einem Einsatzraum. Eine fordernde Aufgabe: Laut NATO-Vorgabe müssen pro Tag 500 Fahrzeuge und 2.500 Tonnen Material pro so genannter Marshalling Area umgeschlagen werden – auf einem fünf Hektar großen Gebiet mit verschiedenen Bereichen und einem Team von nur sechs Soldatinnen und Soldaten. Bisher muss das ohne digitale Unterstützung erfolgen.

Oberleutnant Anna Thumer aus der Einsatzzentrale RSOM des Bataillons erklärt: „Natürlich gibt es zivile Lösungen zum Parking- und Containermanagement. Anwendungen wie sie beispielsweise in Containerhäfen eingesetzt werden, sind auf unseren Bereich jedoch nicht übertragbar. Ein Tracking, in dem jeder alles weiß, wäre ein Sicherheitsrisiko. Außerdem ist unser Material nicht sortenrein. Vom Kampfpanzer bis zum Kühlcontainer kann alles dabei sein.“ Die Idee von Thumer und ihres Kameraden Oberleutnant zur See, Eric Lindner, soll dabei helfen, Material- und Fahrzeugströme effizient zu planen und steuern, ohne die Auftragserfüllung durch Sicherheitsrisiken in der Datenübermittlung zu gefährden.

Die Innovationsidee „KUB Container Monitoring“ stammt aus dem Logistikbataillon 461 in Walldürn. Kern der Idee ist das Tracking von Containern. „Dabei liegt der Fokus aber nicht auf dem Ort, an dem sich die Container befinden, sondern auf dem Tracking der Daten, die Rückschlüsse auf den Zustand des Containerinhalts zulassen“, weiß Oberstleutnant Peter Bienert. Das ist wichtig um Material jederzeit in der geforderten Qualität zur Verfügung zu stellen. Die Lösung besteht aus einem smarten Device mit Sensoren für u.a. Luftfeuchtigkeit, Temperatur, Zutrittskontrolle und Nachweisführung. Im Rahmen des Coaching Workshops im Cyber Innovation Hub der Bundeswehr wurde schon ein erster funktionsfähiger Prototyp entwickelt.

Text: CIHBw, Kevin Adlhoch

Gebirgsjäger sind mit Seilen an dem unbemannten Fahrzeug befestigt und lassen sich von ihm ziehen. Bundeswehr/Alexander Harms Blauer Bund

Infanterieroboter besteht Test im Schnee

Er ist modular aufgebaut und kann mit oder ohne Waffensysteme unbemannt und autonom fahren, für den Transport von Soldaten und Material eingesetzt werden und Infanterieeinheiten bei der Aufklärung helfen. Offiziere des Amtes für Heeresentwicklung haben in Norwegen erstmals unter subarktischen Bedingungen gemeinsam mit Gebirgsjägern einen Infanterieroboter getestet.

Auf Initiative der Gruppe Infanterie im Amt für Heeresentwicklung erstand die Bundeswehr im Jahr 2019 ein unbemanntes, bodengebundenes Fahrzeug (engl. Unmanned Ground Vehicle [UGV]) als Demonstrator. Nach technischer Überprüfung durch die Robotik Abteilung des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) wurde es Ende 2021 an das Amt für Heeresentwicklung übergeben. Das UGV steht somit sowohl dem BAAINBw als auch dem Amt ständig für praktische Überprüfungen von bislang ausschließlich theoretisch erprobten Einsatzverfahren in verschiedenen Szenarien zur Verfügung.

Ein unbemanntes Kettenfahrzeug steht in verschneitem Gelände, im Hintergrund geht die Sonne auf. Blauer Bund
Das Tracked Hybrid Modular Infantry System (THeMIS) verfügt über einen Hybrid-Motor aus einem Lithium-Ionen-Akkumulator und einem Dieselgenerator. Seine Höchstgeschwindigkeit beträgt bislang 20 Kilometer pro Stunde.
Bundeswehr/Alexander Harms

Wie leistungsfähig und robust ist das Fahrzeug?

Auf Einladung des Kommandeurs des Gebirgsjägerbataillons 231 erhielten Hauptmann Alexander Harms und Hauptmann Göran Bölke vom Amt für Heeresentwicklung die Möglichkeit, diesen Demonstrator des Modells Tracked Hybrid Modular Infantry Systems (THeMIS) der estnischen Firma Milrem Robotics während der Übung Eiskristall 2022 in Norwegen zu testen. Durch die Teilnahme an dem Manöver wurde der erste Schritt in Richtung „Erprobung unter Realbedingungen“ gemacht. Es wurde vor allem untersucht, wie leistungsfähig und robust der Roboter ist. Die Temperaturen reichten von minus 30 Grad in den Abendstunden bis zu minus fünf Grad während des Tages. Weder der Hersteller noch Partnernationen haben bisher das UGV unter diesen Witterungsbedingungen erprobt.

Ein Überschneefahrzeug BV 206 S vom Typ Hägglunds bringt den Infanterieroboter THeMIS an seinen Einsatzort. Bundeswehr/Alexander Harms Blauer Bund
Ein Überschneefahrzeug BV 206 S vom Typ Hägglunds bringt den Infanterieroboter THeMIS an seinen Einsatzort.
Bundeswehr/Alexander Harms

Der Infanterieroboter fuhr auf befestigten Straßen, über unwegsames Gelände bei einer Schneetiefe von bis zu einem Meter, durch Wälder und über Freiflächen. Während einer Gefechtsübung transportierte er Material und Versorgungsgüter für die Soldatinnen und Soldaten des Gebirgsjägerbataillons 231 von bis zu 500 Kilogramm. Neben dem Materialtransport wurden auch der Verwundetentransport und das Verbringungsverfahren „Skijöring“ getestet. Dabei ließen sich sechs Gebirgsjäger im Gefechtsanzug mit Skiern von dem vollbeladenen UGV ziehen. Skijöring nutzen die Soldaten, um schnell und kräfteschonend größere Distanzen zu überwinden. Die Kapazitätsgrenze des Roboters war dabei bei Weitem nicht erreicht, sodass künftig die Unterstützung und Verbringung einer ganzen Gebirgsjägergruppe, also von zehn Soldaten, anvisiert werden kann.

Gebirgsjäger befürworten Nutzung

Gebirgsjäger sind mit Seilen an dem unbemannten Fahrzeug befestigt und lassen sich von ihm ziehen. Bundeswehr/Alexander Harms Blauer Bund
Gebirgsjäger sind mit Seilen an dem unbemannten Fahrzeug befestigt und lassen sich von ihm ziehen.
Bundeswehr/Alexander Harms

Die Einsätze des THeMIS erfolgten sowohl im Remote-Controlled-Modus (aus Distanz gesteuert) als auch im sogenannten Follow-Me-Modus (selbstständiges Folgen von vorausgehenden Soldaten). Besonders positiv hervorzuheben ist, dass sich der Infanterieroboter einfach und intuitiv bedienen lässt, die robuste Technik kälteresistent und simpel aufgebaut ist. Daher sind leichte Instandsetzungsarbeiten gut zu bewältigen und auch die Steuerung durch schwieriges Gelände ist kein Problem. Die Soldaten des Gebirgsjägerbataillons 231 waren von der Nutzung des Roboters als Transportmittel vor allem für schwere Infanteriezüge sehr angetan.

Insgesamt war die Erprobung ein großer Erfolg. Das autonom fahrende Fahrzeug kann die Durchhaltefähigkeit, Kampfkraft, und Geschwindigkeit der abgesessenen Infanterie erhöhen und damit die Truppe deutlich entlasten.

Text: Alexander Harms und Göran Bölke