Gruppenfoto beim ZVBw in Geilenkirchen; Blauer Bund

Kameradschaft Aachen/Eschweiler zu Gast beim ZVBw

Kameradschaft Aachen/Eschweiler zu Gast beim Zentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr (ZVBw)

Das Zentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr (ZVBw) befindet sich seit 1991 in der Selfkant-Kaserne in Geilenkirchen und gründet seinen Ursprung aus der damaligen historischen Umbruchssituation, nämlich der „Tauwetterperiode“ und dem späteren Niedergang der Sowjetunion und nachfolgend des Warschauer Pakts sowie der daraus entstandenen Möglichkeit einer sicherheitspolitischen Kooperation und Abrüstung für ganz Europa.

Obwohl die Kameradschaft schon vor ca. 20 Jahren das ZVBw besuchte, fanden sich dennoch 14 Teilnehmer, um sich über neueste Erkenntnissen aus den vielfältigen Verifikationsaufgaben unter der nun doch stark veränderten geopolitischen Situation unterrichten zu lassen.

Gruppenfoto beim ZVBw in Geilenkirchen; Blauer Bund
Gruppenfoto beim ZVBw in Geilenkirchen; © Bundeswehr/ZVBw

Vorstellung Auftrag, Aufgaben und Aktuelles

Wesentliche Aufgabe ist die Implementierung und Verifikation von 21 Rüstungskontrollverträgen und -abkommen, mit besonderem Augenmerk auf die großen Verträge der konventionellen Rüstungskontrolle in Europa (KSE- Vertrag, Wiener Dokument und Vertrag über den Offenen Himmel), im Inland zu begleiten und im Ausland zu überprüfen. Die so gewonnenen Informationen werden ausgewertet an das Bundesministerium der Verteidigung und Auswärtige Amt weitergeleitet sowie anderen Vertragsstaaten zur Verfügung gestellt.

Die rund 185 Angehörigen des Zentrums führen Beobachtungsflüge durch, inspizieren Militäranlagen der Vertragspartner und begleiten ausländische Delegationen, die zur Inspektion nach Deutschland kommen. Von den jährlich rund 300 Rüstungskontrollmaßnahmen des Zentrums finden etwa zwei Drittel im Ausland statt.

Daneben werden am ZVBw deutsche und ausländische Rüstungskontrolleure ausgebildet, in der Summe sind dies bisher ca. 1300 Inspektoren.

Einblicke in die Abteilungen Regionale Rüstungskontrolle (RegRüKo), Globale Rüstungskontrolle (GlobRüKo) und Offener Himmel (OH)

Das Ziel der Rüstungskontrolle ist, durch Transparenz und Vertrauensbildung einen Beitrag zur internationalen Sicherheit und Stabilität zu leisten. Auf Grundlage internationaler Verträge und Abkommen werden beispielsweise Informationen über Waffensysteme wie Art, Anzahl, Standorte oder über bevorstehende militärische Übungen bestimmter Größenordnungen unter den Vertragsstaaten ausgetauscht.

Ein Beispiel ist der Nukleare Nichtverbreitungsvertrag. Dieser ist eine wichtige Grundlage für deutsches Regierungshandeln bei der nuklearen Nichtverbreitung und Abrüstung. Allerdings gestaltet sich eine Verifikation schwierig, da infolge des russischen Angriffskrieges strategische Gespräche zwischen USA und Russland ausgesetzt sind und ein Folgeabkommen für den 2026 auslaufenden New START (Strategic Arms Reduction Treaty) -Vertrag nicht in Aussicht steht. Ein Folgevertrag ist aber für die europäische Sicherheit enorm wichtig, um das Problem der nichtstrategischen Nuklearwaffen in Europa, wo Russland eine sehr große Überlegenheit besäße, anzugehen. Perspektivisch wäre für eine effektive nukleare Rüstungskontrolle eine Beteiligung aller Atomwaffen besitzenden Staaten sinnvoll.

Auf der Grundlage des Wiener Dokuments über Vertrauens- und Sicherheitsbildende Maßnahmen aus dem Jahr 1990 (letzte Anpassung aus 2011) und des KSE-Vertrags werden Inspektionen und Überprüfungen durchgeführt, um festzustellen, ob die Reduzierung des militärischen Großgeräts den vertraglich festgelegten Obergrenzen entspricht. Darüber hinaus dienen die Maßnahmen insbesondere der Vertrauens- und Sicherheitsbildung. Beispiel dafür ist eine 2019 durchgeführte Inspektionsreise nach Armenien, um die Zerstörung von 21 Mannschaftstransportwagen zu überwachen. Selbst 2020 und 2021 führte das ZVBw noch Rüstungskontrollen in die Russische Föderation durch, um als Beobachter die ankündigungspflichtige Großübung KAVKAZ zu inspizieren oder ein Luftsturmregiment zu überprüfen.

Der Vertrag über den Offenen Himmel (OH), der 2002 in Kraft trat, ermöglicht darüber hinaus Beobachtungen aus dem Luftraum über dem Territorium anderer Mitgliedsstaaten durch Kameraaufnahmen aus unterschiedlichen Höhen mit speziell ausgerüsteten Beobachtungsflugzeugen. Dazu hat Deutschland 2021 eine A319 OH beschafft und in 2022 für Beobachtungen im Rahmen OH zertifiziert. Unsere Gruppe konnte sich anhand der Luftaufnahmen von der Detailliertheit und hohen Genauigkeit der Bilder überzeugen. Bis heute wurden über 1.500 Beobachtungen nach dem Vertrag durchgeführt. Deutschland war an über zwölf Prozent dieser Flüge beteiligt.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass wichtige Verträge wie der „Offener Himmel“, der völkerrechtlich verbindliche KSE-Vertrag (Konventionelle Streitkräfte in Europa) oder auch das politisch verbindliche Abkommen Wiener Dokumentnach dem Ausstieg Russlands heute als beschädigt angesehen werden müssen. Das Ziel sei aber, und daran arbeitet das Zentrum als Arbeitsmuskel des BMVg und nach den Vorgaben des Auswärtigem Amtes, diese und andere wichtige Instrumente der Rüstungskontrolle wenigstens zu erhalten, besser noch zu erweitern. Allerdings herrscht die Prämisse vor, keine irreversiblen Schritte zu unternehmen, um den Gegnern der Rüstungskontrolle keine Vorwände zu liefern, die Implementierung von Verträgen zu torpedieren.

Interessant war der Aspekt der „Kleinwaffenkontrolle und deren Munition“. Darunter versteht man die Kontrolle von Handfeuerwaffen unterschiedlichster Herkunft, deren Sicherheit und Lagerung, einschließlich funktionsfähig gemachter Spielzeugwaffen. Besonders in Regionen des Westbalkans, Afrikas und Lateinamerikas kreisen illegal und unkontrolliert Millionen von Handwaffen mit entsprechender Munition. Eine Rüstungskontrolle in diesem Bereich ist auch in schwierigen Zeiten wie den heutigen prinzipiell möglich, besonders angesichts der Gefahren durch die Proliferation von Kleinwaffen dringend notwendig. Hier gibt es durchaus Fortschritte zu verzeichnen. Ziel ist es, Konflikte und Krisen, verursacht durch Kleinwaffen, einzudämmen und Gefahren von Deutschland abzuwenden Einen hoch interessanten Einblick in unterschiedlichste Handwaffen ergab die Führung durch die Waffenlehrsammlung des ZVBw.

Herausforderungen der Zukunft

Der KSE-Vertrag wird durch Russland schon lange nicht mehr implementiert, der russische Austritt aus dem OH-Vertrag wurde vollzogen, die Modernisierung des Wiener Dokuments wird durch Russland blockiert.

Militärische Aggression, Misstrauen und Bedrohungen sind durch das russische Verhalten in den letzten Jahren nach Europa zurückgekehrt. Die Stärkung von Abschreckung und Verteidigung haben angesichts des massiven Vertrauensverlusts in Europa zu Recht eine hohe Priorität seitens der NATO-Staaten erhalten. Mehr Sicherheit und Stabilität benötigen aber auch ein neues Denken für die Rüstungskontrolle, für militärische Vertrauensbildung und für militärische Risikoreduzierung in Europa. Eine Vielzahl politischer, militärischer und vor allem technologischer Veränderungen gestalten die Weiterentwicklung und Anpassung der Rüstungskontrollarchitektur in Europa zu einer mehr als komplexen Aufgabe für die NATO und OSZE.

Hier sticht besonders das Thema „Neue Technologien und Rüstungskontrolle“ ins Auge. Zu benennen sind die Felder Weltraumsicherheit, LAWS (Letale Autonome Waffensysteme) und Künstliche Intelligenz (KI). Es gelte, das teils aggressive Engagement Chinas und Russlands, etwa mit Anti-Satelliten-Raketen, im Blick zu behalten.

Damit fällt dem ZVBw als Durchführender der Implementierung und der Verifikation weiterhin eine zentrale Rolle für die Zukunft der konventionellen Rüstungskontrolle in Europa zu.

Zusammenfassung

Nach 4 Stunden detaillierter Information und Diskussion endete der Nachmittag in einer gemeinsamen Aussprache mit den Teilnehmern des ZVBw in lockerer Kaffeerunde. Oberst a.D. Günter Selbert, Vorsitzender der Kameradschaft Aachen/Eschweiler, bedankte sich bei den Durchführenden des ZVBw für die hochinteressanten und offenen Einblicke in das aktuelle Verifikationsgeschehen. Ganz besonders bedankte er sich bei unserem Truppengattungs- und Vereinskameraden, Oberst i.G. Andreas Kräutner, der uns als Dezernatsleiter des Zentrums begleitete und rundum mit betreute. Alle Teilnehmer der Kameradschaft sind sich einig, eine hoch informative, offene und dem aktuellen Stand zu den Verifikationsaufgaben entsprechende Weiterbildung genossen zu haben. Sie können jetzt ihre Meinung zur aktuellen Sachlage auf diesem Gebiet fundiert kundtun. Schade nur, dass nicht mehr Mitglieder des bB diese Gelegenheit der Gewinnung von Informationen aus erster Hand wahrgenommen haben. Ein besonderer Dank dafür gilt insbesondere Oberstleutnant a.D. Joseph Steibel, der diese Veranstaltung initiiert und durchgehend organisiert hat.

Text: Oberstlt a.D. Joseph Steibel