Die Annexion der Krim und die Destabilisierung der Ukraine durch Russland seit 2014 erforderte eine militärisch robustere Aufstellung der NATO und der EU in Europa. Aufgrund seiner zentralen geografischen Lage ist Deutschland hierbei potenzielles Aufmarschgebiet, Transitland wie auch rückwärtiges Operationsgebiet. Alle relevanten Verbindungslinien nördlich der Alpen führen durch Deutschland.
Dies fordert bei der Verlegung militärischer Verbände vor allem die Host-Nation-Support-Fähigkeiten Deutschlands und damit die der Streitkräftebasis. Ein Beispiel: Bereits bei der Verlegung der Very High Readiness Joint Task Force (VJTF), der schnellen Speerspitze der NATO im Umfang einer verstärkten Brigade, würden etwa 11.000 Soldaten, 4.000 Fahrzeuge und 900 Container über die Drehscheibe Deutschland in Richtung Operationsgebiet bewegt – eine herausfordernde Aufgabe!
Die Streitkräftebasis leistet einen zentralen Anteil der erforderlichen Unterstützungsleistungen. Die Dimension solcher Truppenverlegungen erfordert gleichwohl einen ganzheitlichen Ansatz. Dies betrifft sowohl die bundeswehrgemeinsame ressortübergreifende Zusammenarbeit auf Bundes-, Länder- und Kommunalebene, aber auch die Einbindung gewerblicher Leistungen und nicht zuletzt die Akzeptanz der deutschen Bevölkerung.
Sehr wertvolle Erfahrungen konnten in Zusammenarbeit mit den US-Streitkräften gemacht werden. Diese nutzen im Rahmen ihrer OPERATION ATLANTIC RESOLVE die Rotationsphasen bei enhanced Forward Presence im Baltikum, um vor dem Hintergrund unterschiedlicher Lagen und Rahmenbedingungen eines Transits durch Europa verschiedene Verkehrswege und Transportverfahren realistischen Belastungstests zu unterziehen.
2020 wird durch die Übung DEFENDER EUROPE eine neue Dimension erreicht. Dann verlegt eine verstärkte Division mit 20.000 US-Soldaten und weiteren 17.000 Soldaten verbündeter Streitkräfte.
Bei DEFENDER EUROPE 20 wird neben der Fähigkeit zum Host Nation Support vor allem die Führungsfähigkeit der Streitkräftebasis gefordert.
Die Aufgaben zur Planung und Führung militärischer Verlegungen im großen Umfang wurde dem Inspekteur der Streitkräftebasis übertragen. Seither fungiert der Stab des Kommando Streitkräftebasis als „Aufmarschführendes Kommando für die Bundeswehr“- eine gute Grundlage für die Bewältigung der oben genannten Aufgaben im internationalen Rahmen.
Die Verlegung von großen Truppenkörpern der Bundeswehr erfolgt in verschiedenen Phasen. Für die Aufgabe „Aufmarsch führen“ sind insbesondere zwei Phasen von Bedeutung. In der Phase „Mount“ werden die nach der Alarmierung bereitstehenden Truppenteile an die vorbestimmten See- und Flughäfen sowie Bahneinrichtungen verlegt oder halten sich für die selbstständige Verlegung bereit. In der folgenden Phase „Deploy“ erfolgt die eigentliche strategische Verlegung in ein Einsatzgebiet.
Vereinfachte Prinzipskizze „Aufmarschführendes Kommando“ (Quelle: Bundeswehr, KdoSKB)
Die Zusammenführung und Verlegung der VJTF (L) 2019 betrifft nicht nur die beteiligten deutschen Truppenteile, sondern auch die Kräfte der weiteren an der VJTF beteiligten Nationen – immerhin neun an der Zahl. Die Marschbewegungen sind zu koordinieren, auch unter Friedensbedingungen mit dem üblichen Berufs- bzw. Individualverkehr.
Die Übernahme der Führungsverantwortung für die Verlegung der VJTF bis in ein potenzielles Einsatzgebiet ist eine neue Aufgabe für den Inspekteur der Streitkräftebasis, die dazu benötigten Fähigkeiten sind allerdings bereits in seinem Verantwortungsbereich gebündelt. Dies betrifft insbesondere die durch das Logistikkommando der Bundeswehr abgebildete logistische Kompetenz oder die für den zu erwarteten Host Nation Support benötigten Netzwerke, die durch das Kommando Territoriale Aufgaben der Bundeswehr gepflegt werden. Hinzu kommen weitere unterstützende Fähigkeiten wie beispielsweise Verkehrslenkung und Schutz durch die Feldjägerkräfte oder Dekontamination durch ABC-Abwehrkräfte der Streitkräftebasis.
All diese Fähigkeiten werden im Rahmen von NATO (Framework Nations Konzept) und EU (PESCO) multinational ausgebracht und in Abstimmung mit dem Joint Support and Enabling Command (JSEC), ebenfalls Teil der Streitkräftebasis, weiterentwickelt.
Die Streitkräftebasis übernimmt Verantwortung im Zentrum eines europäischen Unterstützungsnetzwerks, stellt wesentliche Leistungen selbst bereit und integriert als Anlehnungspartner die Fähigkeiten kleinerer Partner. Zudem werden Fähigkeiten und Kapazitäten von Industrie, Gewerbe und nationalen Sicherheits- und Unterstützungskräften in das Gesamtsystem eingebunden.
Damit wird sie ihrem Anspruch gerecht, Schrittmacher der Multinationalisierung im Unterstützungsbereich in Europa zu sein.
Autor: Generalleutnant Martin Schelleis, Inspekteur der Streitkräftebasis