„Wir brauchen eine Reserve, die bereit ist“

Die Reserve der Bundeswehr ist in der Zeitenwende für die Landes- und Bündnisverteidigung wichtiger denn je. Das unterstrich Verteidigungsminister Boris Pistorius in seiner Rede auf der Jahrestagung der Reserve in Berlin. Auch der Neue Wehrdienst soll zur Stärkung der Reserve beitragen.

Die russische Invasion in der Ukraine habe alle Beteiligten wachgerüttelt, sagte der Verteidigungsminister zum Auftakt: Zu lange habe man sich in Sicherheit gewogen, anstatt in sie zu investieren. Jetzt werde mit Hochdruck daran gearbeitet, die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands zu stärken. „Wir richten die Bundeswehr wieder konsequent auf Landes- und Bündnisverteidigung aus und setzen bei allen wichtigen Stellschrauben an: beim Geld, beim Material und beim Personal“, sagte Pistorius vor rund 350 Menschen, die auf Einladung des Verteidigungsministeriums und des Reservistenverbandes der Bundeswehr nach Berlin gekommen waren.

„Der Schutz unseres Landes ist eine Aufgabe, die wir nur mit einer starken Reserve leisten können.“
Boris Pistorius, Verteidigungsminister
@Bundeswehr/Norman Jankowski

Die globale Sicherheitslage dulde keinen weiteren Aufschub, so der Minister: Deutschland müsse seinen Verbündeten ein verlässlicher und starker Partner sein. Abschreckungspotenzial müsse entwickelt und Verteidigungsbereitschaft bewiesen werden. „Bereit sein heißt, sich zu engagieren und Verantwortung zu übernehmen. Und bereit sein heißt auch: militärisch auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein“, so der Minister. Es gehe darum, Russland aus einer Position der Stärke heraus zu begegnen und klarzumachen, dass man willens und in der Lage sei, Deutschland und seine Werte zu verteidigen.

Rückgrat des Heimatschutzes

Der Reserve komme dabei eine zentrale Rolle zu, so Pistorius. „Wir wollen die Reserve in den kommenden Jahren so aufstellen, dass sie zum Rückgrat für den Heimatschutz wird“, sagte der Minister. Zusätzlich werde sie wichtige Aufgaben bei der Unterstützung verbündeter Nationen übernehmen, so Pistorius. „Das ist eine anspruchsvolle Aufgabe und eine, die die Reserve nur erfüllen kann, wenn wir ihre Strukturen personell befüllen und die Anzahl der Beorderungen deutlich nach oben bringen.“ Zudem müsse in die Ausrüstung investiert und die Zahl der Übungen insbesondere im Heimatschutz erhöht werden. Die Reserve müsse im Frieden so befähigt werden, dass sie im Ernstfall unmittelbar einsetzbar sei, fuhr Pistorius fort.

Teamarbeit: Generalleutnant Andreas Hoppe (l.) leitet die Tagung mit Oberst d. R. Patrick Sensburg.
Hoppe ist Beauftragter des Verteidigungsministeriums für Reservistenangelegenheiten,
Sensburg Präsident des Reservistenverbandes der Bundeswehr. @Bundeswehr/Jörg Carstensen

Sicherheit geht alle an

Außerdem würden mehr Frauen und Männer gebraucht, die sich für die Verteidigung ihres Landes einsetzten, so der Minister. „Sicherheit kann nicht von einigen Wenigen geleistet werden – es liegt an uns allen. Gerade im Ernstfall brauchen wir eine schnelle Aufwuchs- und Durchhaltefähigkeit“, sagte er. „Wir brauchen eine Reserve, die sichtbarer und effektiver wird. Wir brauchen eine Reserve, die bereit ist.“

Auch deshalb habe er den Neuen Wehrdienst vorgeschlagen, der am Mittwoch von der Regierung gebilligt worden war. Künftig sollen junge Erwachsene wehrdienstlich erfasst und bis zu 5.000 Freiwillige im Jahr zusätzlich für den Wehrdienst herangezogen werden. Nach ihrer militärischen Ausbildung werden die Freiwilligen in die Reserve überführt und sollen regelmäßig an Wehrübungen teilnehmen.

Volles Haus: Verteidigungsminister Pistorius spricht zu den 350 Reservistinnen und Reservisten und in der Reservistenarbeit tätigen Bundeswehrangehörigen,
die für die Jahrestagung der Reserve 2024 nach Berlin gekommen waren.  @ Bundeswehr/Jörg Carstensen

„Junge Menschen sollen sich für unser Land einsetzen können“, sagte Pistorius dazu. Es gehe nicht nur darum, die Uniform zu tragen, sondern auch um die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Der Neue Wehrdienst sei ein erster und wichtiger Schritt auf diesem Weg, so der Minister. „Und es ist der erste Berührungspunkt, das erste Verständnis für das, was es heißt, Reservist zu sein.“ Deutschland und die NATONorth Atlantic Treaty Organization stünden derzeit einer Bedrohung gegenüber, wie es sie seit Ende des Kalten Krieges nicht mehr gegeben habe, mahnte Pistorius zum Abschluss seiner Rede. „Und die wird nicht verschwinden, wenn wir sie ignorieren.“

von Timo Kather

Beschattung ist eine bewährte passive Kühlungsmethode und diente in der Erprobung als Vergleich zu den neuen Technologien. Blauer Bund

Ohne Strom – WIWeB erprobt passive Kühlungstechnologien

Extrem heiße Temperaturen in Einsatzgebieten können gelagerter Ausrüstung ordentlich zu schaffen machen. Nicht immer besteht dann die Möglichkeit, energiehungrige Geräte zur Kühlung zu nutzen. Das Wehrwissenschaftliche Institut für Werk- und Betriebsstoffe (WIWeB) im bayerischen Erding erprobte nun verschiedene passive Kühlungstechnologien.

Beschattung ist eine bewährte passive Kühlungsmethode und diente in der Erprobung als Vergleich zu den neuen Technologien. Blauer Bund
Beschattung ist eine bewährte passive Kühlungsmethode und diente in der Erprobung als Vergleich zu den neuen Technologien. © Bundeswehr/Maria Aigner

Unterstützt durch die Wehrtechnische Dienststelle für landgebundene Fahrzeugsysteme, Pionier- und Truppentechnik (WTD 41) in Trier, die Wehrtechnische Dienststelle für Schutz- und Sondertechnik (WTD 52) in Oberjettenberg und weitere Dienststellen der Bundeswehr nahmen die Angehörigen des WIWeB die passiven Kühlungstechnologien unter die Lupe. Auch Unternehmen aus der Wirtschaft waren am Projekt beteiligt. Die Tests fanden dabei sowohl unter freiem Himmel als auch im Labor und unter einem Sonnensimulator statt.

Was wurde getestet?

Im Fokus der Untersuchungen standen verschiedene kühlende Beschichtungssysteme, die im Vergleich mit anderen passiven Kühlungstechnologien bewertet werden sollen.
Als Ausgangsbasis dienten den Fachleuten Container, die mit Standard-Lacken der Bundeswehr ohne Kühlungseffekt beschichtet sind. Manche davon wurden dann – ganz konservativ – mit einem Dach oder Tarnnetz beschattet.

Dem gegenüber stand die Erprobung neuer Technologien, wie spezielle kühlende Beschichtungen oder das Anbringen temperatursenkender Elemente, die die Erwärmung der Container deutlich verlangsamen.

Um die Wirksamkeit der verschiedenen Kühlungstechnologien besser vergleichen zu können, nutzte man in den verschiedenen Testcontainern den Stromverbrauch der dort installierten Klimaanlagen. Der Verbrauch der Klimaanlagen in den unbeschichteten Containern wurde einfach dem in den Containern mit neuer Beschichtung oder angebrachten Platten gegenübergestellt. Die bessere Kühlung durch die passiven Kühltechniken spiegelte sich in einem deutlich niedrigeren Stromverbrauch der Klimageräte wider.

Große Temperaturunterschiede

Während der Tests wurden an verschiedenen Stellen Temperaturmessungen durchgeführt – im Innern der eingesetzten Container und auch auf deren Oberfläche.

An einem sonnigen Tag mit einer Außentemperatur von knapp 33 Grad Celsius betrug zum Beispiel die Oberflächentemperatur eines bronzegrünen Referenzcontainers 60 Grad Celsius, während seine Innentemperatur auf 38 bis 40 Grad kletterte. Ein sandbeiger Referenzcontainer erhitzte sich außen auf immerhin 50 Grad. Im Inneren erreichte das Thermometer dagegen 36 bis 38 Grad.

Für die meisten der getesteten Kühlungstechnologien lag die Oberflächentemperatur zwischen 35 und 40 Grad Celsius. Bei einer auf passiver Strahlungskühlung basierenden Beschichtungstechnologie konnten im Vergleich dazu Oberflächentemperaturen um die 30 Grad Celsius erreicht werden. Das lag sogar unterhalb der gemessenen Lufttemperatur. Dieser verblüffende Effekt wird durch Reflexion des sichtbaren Lichts und Wärmeabstrahlung im Infrarotbereich erreicht.

Die Testumgebung am WIWeB aus der Luft. Blauer Bund
Die Testumgebung am WIWeB aus der Luft. © Bundeswehr/Michael Kopa

 

Das Infrarotbild zeigt den Effekt der kühlenden Beschichtungen. Blauer Bund
Das Infrarotbild zeigt den Effekt der kühlenden Beschichtungen. © Bundeswehr/Michael Kopa

Die Wärmeentwicklung im Innern verhielt sich entsprechend: In einem Container mit neuartiger Beschichtung und zusätzlichen temperatursenkenden Elementen wurden Temperaturen unterhalb der 30 Grad-Marke gemessen. Bei den anderen Technologien wie der Beschattung kletterte das Thermometer im Innern der Container auch nur auf 31 bis 33 Grad.

Wie geht’s weiter?

Alle in der Erprobung verwendeten Varianten zeigten eine kühlende Wirkung. Je nach Technologie ergeben sich aber unterschiedliche Vor- und Nachteile für eine Nutzung innerhalb der Bundeswehr. Beispielsweise ist bisher noch keine optimale Tarnwirkung der Beschichtungen gegeben. Dadurch müssten diese derzeit noch mit Tarnnetzen oder anderen Tarnvarianten kombiniert werden.

An die gewonnen Erkenntnisse während der Erprobungen und an die Schlussfolgerungen für die Eignung der verschiedenen Kühlvarianten innerhalb der Bundeswehr soll nun angeknüpft werden.

Die Entwicklung weiterer Farbtöne für ein noch größeres Einsatzspektrum, eine Betrachtung der Einflüsse von Oberflächenverschmutzung sowie eine Langzeitbetrachtung sollen bald erfolgen. Letzteres dient der Beobachtung der Alterungsprozesse der eingesetzten Materialen. Dabei werden unter anderem Faktoren wie die Haftung der Lacke und der Korrosionsschutz betrachtet.

Nur wenn auch diese Kriterien erfüllt sind, können die Beschichtungen überall genutzt werden. Schließlich müssen die neuen Technologien auch den besonderen Bedingungen in den Einsatzgebieten standhalten können und sich bestenfalls positiv auf die Tarnung auswirken.

Text: Heike Westhöfer

Erstmals veröffentlicht auf https://www.bundeswehr.de/ am 13.11.2023