Zeitenwende aus Sicht der Industrie bzw. des Bunds der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie e.V. (BDSV)

Der Einmarsch Russlands in die Ukraine, der einen weiteren Bruch der seit 1990 errichteten europäischen Friedensordnung war, liegt nun schon mehr als neun Monate zurück. In dieser Zeit haben sich die ukrainischen Streitkräfte mit großer Tapferkeit der russischen Invasion erwehrt. Sie kämpfen damit auch für unsere freiheitliche Ordnung. Daher dürfen wir uns an diesen Zustand nicht einfach gewöhnen und wieder zur Tagesordnung übergehen. Es wäre fatal, wenn uns nur noch das abgesenkte Raumklima und die früher abgeschalteten Leuchtreklamen daran erinnern würden, dass sich in Europa Fundamentales verändert hat. Gegenüber der Zeit vor dem 24.02.2022 brauchen wir einen ungleich höheren Level von „Awareness“ für die Bedrohungen um uns herum. Dies gilt primär für die Regierungen, aber auch für uns als deutsche Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (kurz: SVI). Dazu die folgenden zehn Thesen:

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These Nr. 1: Die dt. SVI kann äußerst flexibel reagieren, wenn sie gebraucht wird

Unmittelbar nach dem russischen Einmarsch und der „Zeitenwende“-Regierungserklärung des Bundeskanzlers wusste niemand, ob nicht alsbald ein NATO-Verteidigungsfall eintreten würde. Dementsprechend wurde die SVI vom BMVg „zur Fahne“ gerufen. Sie folgte diesem Aufruf mit einem ungeahnten Maß an Aktivität, Kreativität und Flexibilität. Innerhalb von wenigen Stunden und Tagen trafen beim BAAINBw die Angebote und Ideen zur Sofort-Befähigung der Bw ein. Es hätten innerhalb kurzer Zeit Aufträge für Ersatzteile, Munition und Ähnliches im Wert von ca. 10 Mrd. € ausgelöst werden können. Jedoch machte die damals geltende vorläufige Haushaltsführung dieser Soforthilfe einen Strich durch die Rechnung. Unsere Haushaltsführung ist für solche Herausforderungen einfach zu formalistisch.

These Nr. 2: Die dt. SVI liefert der Bw marktverfügbare Produkte, wenn sie darf

Im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Bw-Sondervermögens ist der Ruf nach einer schnellen Beschaffung von „marktverfügbaren“ Produkten laut geworden. Die dt. SVI verfügt über zahlreiche „marktverfügbare“ Produkte, oft solche, die bei anderen NATO-Streitkräften erfolgreich im Einsatz sind. In Deutschland genügen sie oftmals nicht den spezifisch deutschen Bw-Bauanforderungen. Diese haben sich im Laufe der Jahre in ungeahnte Luxus-Höhe hochgeschraubt und müssen nun systematisch abgebaut werden. Dies geht nicht per Order eines einzelnen Menschen, sondern durch entsprechende kollektive Prozesse, durch Orientierung an internationalen Standards etc.; ein Behörden-internes Forderungs-Controlling ist gut gemeint, wird dazu aber nicht ausreichen.

These Nr. 3: Die dt. SVI hat erhebliche Lösungs-Kreativität, wenn man sie lässt

Der bisher geltende Regel-Beschaffungsprozess nach CPM sieht vor, dass die Industrie das nachbaut, was der Auftraggeber vorgibt und spezifiziert. Bei Großvorhaben ist dies oft langwierig, gold-gerändert, damit teuer und zugleich risiko-affin. Viel besser wäre es, den anzufragenden Gegenstand funktional zu beschreiben und dann im Wettbewerb eine Reihe von industriellen Anbietern ihre jeweils besten Lösungsvorschläge anbieten zu lassen. Vergaberechtlich ist dies ohne Weiteres zulässig. Heute steht sich der öffentliche Auftraggeber bisweilen selbst im Weg, indem er als „Anforderungs-Owner“ meint, nur er könne die Randbedingungen für das wirtschaftlichste Angebot definieren. Dies entspricht nicht einer industriell üblichen Einkaufspraxis und bietet noch viel Raum für Beschleunigung und Verbilligung der Beschaffung.

These Nr. 4: Die dt. SVI braucht möglichst verlässliche Rahmenbedingungen

In Deutschland ist die SVI privatwirtschaftlich organisiert. Sie muss also mit ihrer Tätigkeit verlässlich Geld verdienen, um Arbeitnehmer, Aktionäre und Finanziers zufrieden stellen zu können. Dies setzt gerade im Regierungsgeschäft ein hohes Maß an Planbarkeit für wirtschaftliche Entscheidungen/Investitionen voraus. Auf der Amtsseite wird bisweilen unterstellt, die Industrie müsse von sich aus in F & T investieren bzw. müsse bei Projekten in bestimmte Vorleistungen gehen. Dies mag im Einzelfall auch so sein, setzt aber einen Business-Case voraus, der einigermaßen verlässlich in ein profitables Liefergeschäft einmündet. Dies gilt nicht zuletzt auch bei den europäischen Förderprogrammen, wie dem Europäischen Verteidigungsfonds.

These Nr. 5: Die dt. SVI ist kein Nachprüfungs-Junkie, wenn man sie nicht zwingt

Immer wieder kritisiert das BMVg, dass die dt. SVI zu sehr dazu neige, Vergabe-Entscheidungen in Nachprüfungsverfahren anzugreifen und damit zu verzögern. In der Tat mag es hier aus Sicht des öffentlichen Auftraggebers das eine oder andere Ärgernis gegeben haben. In der Zeit angenommener Not haben die Unternehmen solchen Nachprüfungsanträge aber auch klaglos zurückgenommen. Augenmaß auf Seiten der Unternehmen ist auch in Zukunft geboten. Dennoch bleibt richtig: Obwohl das BwBeschaffungsbeschleunigungsgesetz zu einer Ausdünnung des Rechtsschutzes für Bieter ansetzt, muss doch aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten ein Grundsatz gewahrt bleiben: Falls die Beschaffungsverwaltung ausnahmsweise fehlerhaft arbeitet, muss eine Überprüfung/ Korrektur dieses Fehlers möglich bleiben.

These Nr. 6: Die dt. SVI kooperiert gerne europäisch, wenn sie dabei nicht verliert

Für europäische Kooperation spricht eine nahezu zwingende Logik. Allerdings müssen zum Gelingen einige Grundsätze beachtet werden: Die beteiligten Kunden – Regierungen/Streitkräfte – müssen sich auf gemeinsame Anforderungen einigen, es muss eine klare Führungsstruktur festgelegt werden, die auch eine leistungsfähige industrielle Struktur einschließt. Hierzu bedarf es auf deutscher Seite einer zwischen BMVg und SVI abgestimmten Industriestrategie, an der es bisher fehlt. Kooperationsstrukturen, bei denen die dt. SVI Marktstellung und/oder Know-How bzw. IP-Rechte aufgeben müsste, kann von ihr nicht mitgetragen werden. Dies bedeutet, dass erfolgreiche europäische Rüstungskooperation unter deutscher Beteiligung nur aufgrund eines frühzeitigen Schulterschlusses zwischen BMVg und SVI funktioniert.

These Nr. 7: Die dt. SVI kann Schlüsseltechnologien nur mit dem BMVg erhalten

Schlüsseltechnologien im Bereich Sicherheit und Verteidigung sind seit den erstmals 2015/2016 von der Bundesregierung verabschiedeten „Strategiepapieren“ Ausdruck des politischen Willens, aus nationalen Souveränitätsgründen diese Technologien in Deutschland bewahren und fördern zu wollen. Dies erfordert auf Seiten der SVI, bestimmte Einschränkungen bei der Fungibilität entsprechender industrieller Ressourcen akzeptieren zu müssen. Im Gegenzug hat sich der Bund verpflichtet, diejenigen Unternehmen, die über derartige Schlüsseltechnologien verfügen zu fördern. Dies soll geschehen über national nach Art. 346 AEUV erfolgende Bw-Beschaffungen, über F&T-Förderungen und über Export-Förderung. Vor allem bei der Anwendung des Art. 346 fordert die dt. SVI mehr Konsequenz auf Seiten des BMVg.

These Nr. 8: Die dt. SVI muss im europäischen Maßstab wettbewerbsfähig sein

Das Ziel eines europäischen „Level-Playing-Field“ im Sinne allgemeiner Chancen-gleichheit ist auch für die europäische SVI oft als politischer Programmsatz proklamiert worden. Jedoch sind die Startpositionen extrem ungleich: In etlichen europäischen Ländern sind die Regierungen maßgeblich an der lokalen SVI beteiligt, können sie also ungehemmt alimentieren. In vielen Ländern fördern die Regierungen ihre SVI massiv durch nationale Vergaben gem. Art. 346 AEUV sowie durch eine damit einhergehende Exportförderung durch Regierungs-eigene Vertriebsförderung, die auch herrschende Compliance-Grundsätze durchbricht. Demgegenüber sieht die deutsche Bundesregierung die dt. SVI in ihrer privatwirtschaftlichen Konstitution als weithin eigen-gesteuerte Industrie, für die der Staat nur begrenzte Verantwortung trägt. Hier ist von der Bundesregierung mehr Einsatz für das „Level-Playing-Field“ gefordert.

These Nr. 9: Die dt. SVI respektiert geltende Grundsätze für Rüstungsexport

Wettbewerbsfähigkeit setzt in einem gewissen Umfang auch die Chance zum Export in Länder außerhalb von EU und NATO voraus, denn genau dies macht andere europäische Wettbewerber stark. Die dt. SVI respektiert von jeher Deutschlands restriktive Exportgrundsätze für Kriegswaffen inklusive der jeweils ergehenden Einzel-Entscheidungen des Bundessicherheitsrats. Demgegenüber hat die dt. SVI jedoch kein Verständnis, wenn sich die in ihren Exportentscheidungen souveräne Bundesregierung ohne Not in die „Zwangsjacke“ eines neuen Rüstungsexportkontroll-gesetzes begibt. Erst recht hat die SVI kein Verständnis für Instrumente wie die Verbandsklage, mit der die Bundesregierung ihre außen- und sicherheitspolitische Gestaltungsmacht, die Rüstungsexportentscheidungen innewohnt, auf NGO’s und Gerichte delegieren würde. Hiermit würde auf bestimmte Wählerschichten geschielt, aber dem Interesse der Bundesrepublik Deutschland geschadet.

These Nr. 10: Die dt. SVI rüstet NATO-Streitkräfte aus, fördert also Nachhaltigkeit

Wesentliche Bestimmung der dt. SVI ist es, Streitkräfte und staatliche Sicherheitsorgane im EU- und NATO-Raum auszurüsten, allen voran die Bundeswehr und deutsche Behörden und Organe der inneren Sicherheit. Diese brauchen unbestreitbar Rüstung und Waffen, um ihre anspruchsvollen Aufgaben zur Erhaltung von Sicherheit und Frieden in Mitteleuropa erfüllen zu können. Wie wir in der Ukraine sehen, ist die Erhaltung von Sicherheit und Frieden eine unabdingbare Voraussetzung für jede Art von Nachhaltigkeit. Also muss diese Logik endlich auch bei den EU-Instrumenten zur Erreichung der europäischen Klimaneutralität bis 2050 („Green Deal“) Einzug halten. Stattdessen grassiert aber vor allem im Finanz- und Versicherungssektor immer noch der Irrtum, Waffen seien per se als nicht nachhaltig einzustufen. Hier bedarf es seitens der EU eindeutiger Signale an den Finanzmarkt.

Zusammenfassung:

Aufgrund der sicherheitspolitischen „Zeitenwende“ des 24. Februar 2022 müssen BMVg, BAAINBw und die dt. SVI mehr denn je partnerschaftlich zusammenwirken, um die anstehenden Ausrüstungs-Herausforderungen der Bw schnell und reibungslos zu meistern. Die dt. SVI steht hierfür jederzeit bereit, auch unter Hintanstellung anderweitiger Interessen. Dafür aber bedarf es klarer Signale, vor allem aber auch Bestellungen seitens der Bw-Beschaffung. Je besser die Planbarkeit, desto besser das Ergebnis. Je enger die vorausschauende Zusammenarbeit, umso besser wird dies den Interessen beider Seiten gerecht.

Dr. Hans Christian Azpodien, Hauptgeschäftsführer Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, zu Zeitenwende aus Sicht der Industrie. Blauer Bund
Dr. Hans Christian Azpodien, Hauptgeschäftsführer Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, zu Zeitenwende aus Sicht der Industrie.

Autor: Dr. Hans C. Atzpodien, Hauptgeschäftsführer BDSV

Anm. Red.: Dieser Artikel steht im Zusammenhang mit dem Vortrag des Autors bei der Informationsveranstaltung des Blauer Bund e.V. im November 2022

Die Ausrichtung der TSH im Kontext der Befähigung zur Landes- u. Bündnisverteidigung

Der Prozess der Refokussierung der Bundeswehr auf die Landes- und Bündnisverteidigung wurde nach dem Russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 deutlich beschleunigt. Diese Zeitenwende hat natürlich auch signifikanten Einfluss auf die TSH als eine zentrale Ausbildungseinrichtung des Heeres.

Soldaten der Streitkräfte (SK) der UKR wurden und werden an der TSH an den von Deutschland gelieferten Waffensystemen ausgebildet.

Die gesamte Ausbildung an der TSH, d.h. Inhalte, Organisation, Verfahren und Strukturen – einschließlich der Abläufe zu deren Bedarfsdeckung, ist im Lichte der aktuellen Herausforderungen unter den Schlagworten Flexibilisierung, Digitalisierung und Optimierung auf den Prüfstand zu stellen. Es gilt, sämtliche Ressourcen bestmöglich zu nutzen, Handlungsbedarfe zu identifizieren und notwendige Anpassungen in den Prozess der Weiterentwicklung der TSH zielgerichtet einzubringen. Dies bedeutet u.a., neben der verstärkten Integration von Leistungen Dritter, gerade auch die Implementierung moderner Ausbildungstechnologien stringent weiter voranzutreiben und innovatives Potential im Rüstungsprozess zu identifizieren.

Ausbildungsunterstützung UKR SK durch die TSH

An der TSH wurden UKR IHKr an der PzH 2000 ausgebildet - Im Bild: IHKr der enhanced Forward Presence Battle Group in Rukla/Litauen. Blauer Bund
An der TSH wurden UKR IHKr an der PzH 2000 ausgebildet – Im Bild: IHKr der enhanced Forward Presence Battle Group in Rukla/Litauen. ©2022 Bundeswehr/Florian Sorge

Die TSH führt seit Mai 2022 die Ausbildungsunterstützung (AusbUstg) UKR Instandhaltungskräfte (IHKr) an der PzH 2000 durch. Die AusbUstg wurde entlang weiterer Waffenlieferungen an die UKR Mitte des Jahres auf den Raketenwerfer MARS II und das geschützte Führungs- und Funktionsfahrzeug DINGO 2 ausgeweitet.

Auch am Raketenwerfer Mars wurden UKR IHKran der TSHausbebildet; Im Bild: Raketenwerfer Mars II feuert eine Rakete aus der Stellung heraus beim Mars II Schießen vom Artilleriebataillon 345 auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr. Blauer Bund
Auch am Raketenwerfer Mars wurden UKR IHKran der TSHausbebildet; Im Bild: Raketenwerfer Mars II feuert eine Rakete aus der Stellung heraus beim Mars II Schießen vom Artilleriebataillon 345 auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr. ©2022 Bundeswehr/Mario Bähr

Vorbereitung und Durchführung der Sondertrainings erfolgten unter hohem zeitlichem Druck und mit großer sicherheits- und außenpolitischer Wirkung.

Auch an den von DEU bereitgestellten DINGO 2 wurden UKR IHKr an der TSH ausgebildet. Im Bild: Ausbildung am Fahrzeug Dingo 2 an der TSH in Aachen. Blauer Bund
Auch an den von DEU bereitgestellten DINGO 2 wurden UKR IHKr an der TSH ausgebildet. Im Bild: Ausbildung am Fahrzeug Dingo 2 an der TSH in Aachen. Bundeswehr/Roberto Pfeil

Auch wenn der Auftrag – mit nachhaltiger Unterstützung durch externe Dienststellen – erfolgreich durch die TSH ausgeführt wurde und wird, so zeigt die AusbUstg UKR IHKr auch die Grenzen der TSH im Rahmen der Bereitstellung zusätzlicher, über die eigentliche Trainingsplanung des Ausbildungsjahres hinausgehender Ausbildungskapazitäten auf. Die Belastung für Ausbildungs- sowie Unterstützungspersonal, Dolmetscher und Sprachmittler ist erheblich, Verdrängungseffekte auf nationale Trainingsbedarfe sind signifikant.

Einbindung von Leistungen Dritter in die technische Ausbildung der TSH

Die heutige Soll-Organisation der TSH leitet sich im Kern aus dem Ergebnis der in 2015 durchgeführten Lehrer- u. Hörsaalbedarfsrechnung ab. Diese entspricht nicht mehr den aktuellen Ausbildungsbedarfen. Einmal entstandene Defizite in der Bedarfsdeckung können kaum kompensiert werden, da die Soll-Organisation der TSH keine flexiblen Trainingskapazitäten vorsieht. Vielmehr ist externe Unterstützung, z.B. durch die Beistellung von – auch in der Truppe nur sehr begrenzt dafür verfügbarem – Ausbildungspersonal, erforderlich.

Zudem bieten sich Ausbildungskooperationen mit der Heeresinstandsetzungslogistik (HIL) GmbH oder mit multinationalen Partnern sowie die Einbindung von Industrieausbilderkapazitäten an. Vertreter der TSH führen dazu derzeit eine Vielzahl von Abstimmungsgesprächen. Absicht ist es, bereits im kommenden Jahr in diesem Handlungsfeld signifikante Fortschritte zu erzielen.

Ausbildungskooperation mit der HIL GmbH

Die HIL GmbH ist integraler Bestandteil des Logistischen Systems der Bundeswehr und maßgeblicher Instandhaltungsdienstleister für Landsysteme der SK. Die Umsetzung der ministeriell gebilligten Unternehmensstrategie der HIL GmbH bis 2031 führt zu einem erheblichen personellen Regenerations- und Ergänzungsbedarf. Bereits jetzt gibt es einen hohen Bedarf an Erst- und Zweitausbildungen für Instandsetzungspersonal, der sich in den folgenden Jahren durch beabsichtigte Neueinstellungen weiter steigern wird.

Die TSH beabsichtigt auch bei der Ausbildung von IHKr eine Partnerschaft mit der HIL GmbH; Logo: HIL GmbH Blauer Bund
Die TSH beabsichtigt auch bei der Ausbildung von IHKr eine Partnerschaft mit der HIL GmbH; Logo: HIL GmbH

Die HIL GmbH verfügt über qualifiziertes und erfahrenes Instandsetzungsfachpersonal, das bei individueller Eignung („Können und Wollen“) als Ausbildungspersonal für die TSH gewonnen und qualifiziert werden kann. Seit 2021 wird daher die Einbindung von Ausbildern der HIL GmbH zur kooperativen Ausbildung von militärischen IHKr und HIL-Mitarbeitern an der TSH erfolgreich erprobt. In der nun fast zweijährigen Pilotphase konnten deutliche Synergieeffekte („win-win“) im Rahmen der Ausbildungsbedarfsdeckung der SK und der HIL GmbH identifiziert werden. Ziel ist die Erarbeitung einer auf Dauer angelegten Kooperationsvereinbarung mit einer gesicherten und planbaren paritätischen Ressourcen- u. Lehrgangsplatzteilung für SK und HIL GmbH, um so die Ausbildungsbedarfe von SK und HIL GmbH flexibel zu decken.

Kooperative Ausbildung mit multinationalen Partnern

Ähnlich geartete Synergieeffekte bestehen im Rahmen der gemeinsamen Ausbildung mit internationalen Partnern.

Der Wechsel bei gemeinsam genutzten Landsystemen von einer national ausgerichteten Ausbildungsorganisation hin zu einem multinationalen Ausbildungsverbund generiert deutliche Vorteile für alle Beteiligten und ist mit Blick auf die grundsätzliche Relevanz von Multinationalität im militärischen Kontext in vielerlei Hinsicht folgerichtig. Neben dem optimierten Ressourceneinsatz werden zusätzlich interoperable Instandsetzungsfähigkeiten aufgebaut, die auch bei multinationalen Übungen und in Einsätzen dazu beitragen können, den logistischen Footprint beherrschbar zu halten. Zu erwartende beiderseitige Vorteile lohnen den Aufwand, insbesondere die Überwindung der nicht zu unterschätzenden Sprachbarriere sowie die Beantwortung noch offener rechtlicher Fragestellungen.

Mit den NLD SK werden entsprechende Kooperationen bereits im Rahmen der Ausbildung an der PzH 2000 und am FENNEK sehr erfolgreich praktiziert. Dabei werden Ausbildungsmittel und Infrastruktur gemeinsam genutzt. In 2023 wird die Ausbildungserweiterung auf den TPz FUCHS angestrebt. Diese Ausbildung wird in englischer Sprache erfolgen.

Neben weiteren Systemen bietet gerade auch der GTK BOXER vielfältige Möglichkeiten zur Multinationalisierung der technischen Ausbildung. Erste Gespräche mit der GBR Seite sind dazu für Januar 2023 geplant.

Auch NDL und GBR gehören zu den Nuternationen des BOXER. Mit diesen Ländern möchte die TSH bei der Ausbildung kooperieren. Im Bild: Reinigung eines NDL BOXER der (VJTF) nach der Übung Wettiner Heide. Blauer Bund
Auch NDL und GBR gehören zu den Nuternationen des BOXER. Mit diesen Ländern möchte die TSH bei der Ausbildung kooperieren. Im Bild: Reinigung eines NDL BOXER der (VJTF) nach der Übung Wettiner Heide. Bundeswehr/Marco Dorow

 

Einbindung von Industrieleistungen in die technische Ausbildung

Die großen Systemhäuser der Rüstungsindustrie verfügen über umfangreiche Ausbildungskapazitäten. Diese Kapazitäten wurden bereits in der Vergangenheit durch die Bundeswehr und andere Armeen genutzt. Die Einbindung von Ausbildungskapazitäten der Industrie – z.B. durch Abruf aus Rahmenverträgen – bietet eine zweckmäßige zusätzliche Möglichkeit, um Trainingskapazitäten der TSH flexibel zu nutzen bzw. bedarfsgerecht anzupassen. Daher wird derzeit im engen Zusammenwirken mit der Industrie und zuständigen Stellen (AusbKdo, BAAINBw) geprüft, wie eine derartige Kooperation realisiert werden kann.

Implementierung moderner Ausbildungstechnologien

Zusätzlich zur ressourcenoptimierten, flexibilisierten Auslastung der TSH ist die Ausbildung auch an die stetig steigenden technischen Anforderungen anzupassen. Dies ist eine Daueraufgabe.

Den Herausforderungen einer großen Variantenvielfalt an komplexen Landsystemen bei zum Teil kleinen Stückzahlen ist auch mit der zielgerichteten Anwendung moderner Ausbildungstechnologien zu begegnen. Mit digitalisierter Ausbildung und darauf angepasster Didaktik und Methodik lassen sich Ausbildungsinhalte in Kombination von Fernausbildung und Präsenzzeiten effizient und effektiv vermitteln.

Durch die Nutzung moderner Technologien von 3D-Animationen über Mixed Reality (MR) bis hin zum Einsatz von Fehlersimulatoren bei komplexen Systemen stellt die TSH eine qualitativ hochwertige, zukunftsfähige Ausbildung sicher.

Auch an der TSH im Einsatz: AR/VR-Brillen für die Ausbildung der IHKr am LEGUAN; Im Bild: Die Ausbildungseinrichtung der Heeresflieger verfügen über moderne Ausbildungstechnologie, wie hier VR(Virtuelle Realität)-Brillen. Blauer Bund
Auch an der TSH im Einsatz: AR/VR-Brillen für die Ausbildung der IHKr am LEGUAN;
Im Bild: Die Ausbildungseinrichtung der Heeresflieger verfügen über moderne Ausbildungstechnologie, wie hier VR(Virtuelle Realität)-Brillen. Bundeswehr/Alexander Bozic

Das an der TSH etablierte MAT-Autorenteam (MAT: Moderne Ausbildungstechnologie) besitzt die Kompetenz, technische Ausbildungsinhalte mittels 3D-Software so zu visualisieren und zu animieren, dass diese anschließend digital in der Ausbildung nutzbar sind. So werden durch das Autorenteam moderne Ausbildungshilfsmittel – vom Tablet bis zur Augmented-/Virtual-Reality (AR/VR)-Brille – erprobt und deren Nutzen für die technische Ausbildung bewertet. Beim Brückenlegepanzer LEGUAN werden z.B. durch den Rückgriff auf Anwendungen der erweiterten virtuellen Realität (MR) komplexe technische Vorgänge für die Ausbildung aufbereitet und digital animiert. Das Innovationspotenzial einer simulationsbasierten und Netzwerk-gestützten Ausbildung, insbesondere bei komplexen Landsystemen, ist groß. Simulatoren werden niemals die praktische Ausbildung am Gerät vollends ersetzen können, gleichwohl wird an der TSH der Weg der Implementierung moderner Ausbildungstechnologien konzeptionell, organisatorisch, strukturell, materiell sowie inhaltlich konsequent und mit Nachdruck fortgesetzt. Zur weiteren Ausplanung, Steuerung und Überwachung sämtlicher Maßnahmen wird ablauforganisatorisch ein Koordinationselement eingerichtet.

Weiteres Vorgehen

Neben den bereits beschriebenen Handlungsfeldern erzeugt auch die Qualität der Ausbildungs- u. Unterbringungsinfrastruktur an der TSH erheblichen Handlungsdruck. Die umfänglichen Bedarfe sind identifiziert und der Infrastrukturprozess ist in allen Bereichen nachhaltig angestoßen; von einer Realisierungszeit bis weit in die 2030er Jahre ist auszugehen.

Ausbildungsorganisation, Trainingsmanagement und Ausbildungsinhalte werden derzeit bis Ende des Jahres TSH-intern untersucht; die entsprechenden Erkenntnisse werden in einem „Gedankenpapier“ zusammengefasst und auf dem Dienstweg gemeldet. Ziel ist es, auf Basis dieser Überlegungen Prozesse zur Neuausrichtung der TSH anzustoßen bzw. umzusetzen.

Verkleinerung des logistischen Fußabdrucks der IHKr des Heeres

An der TSH gehen das Streben nach Optimierung der Ausbildung sowie Identifizieren von Innovationspotential im Rüstungsprozess Hand-in-Hand. Dazu abschließend ein Beispiel:

Die Vielfalt genutzter Waffensysteme und deren stetig steigende technische Komplexität sowie der Einsatz von BwFPS-Fahrzeugen sind wesentliche Ursachen für eine – aus logistischer Sicht – überbordende und unkoordinierte Ausstattung der IHKr mit Werkzeugen, Sonderwerkzeugen sowie Werkzeug-/Werkstattausstattungen.

Der Bereich Technik/Logistik an der TSH verfügt vor allem mit dem „Fachbereich querschnittliche Werkzeuge“ über umfassende Kompetenz zu Werkzeugen für sämtliche Landsysteme. Aus dem Fachbereich wird jetzt in einem ersten Schritt der Versuch gestartet, die Ausstattung mit querschnittlichem Werkzeug zielgerichtet zu strukturieren und minimieren.

Ein kleiner Teil des querschnittlich verfügbaren Werkzeugs (hier: Werkzeugausstattung, Mechaniker, allgemein). Fallmöglich soll nur querschnittliches Werkzeug zur Instandhaltung genutzt werden. Blauer Bund
Ein kleiner Teil des querschnittlich verfügbaren Werkzeugs (hier: Werkzeugausstattung, Mechaniker, allgemein). Falls möglich, soll nur querschnittliches Werkzeug zur Instandhaltung genutzt werden. Bundeswehr/TSH, Ber T/L

Dazu soll künftigen Auftragnehmern von Rüstungsprojekten eine neu generierte Auflistung der bei den IHKr bereits verfügbaren querschnittlichen Ausstattung übergeben werden. Damit ist die Auflage verbunden, möglichst sämtliche IH-Arbeiten mit diesem Werkzeug zu ermöglichen und auf den Einsatz von Sonderwerkzeug weitestgehend zu verzichten. So sollen die Fähigkeit zum mobilen Einsatz der IHKr erhöht, der Gesamtumfang an Werkzeugen minimiert und die verfügbaren Haushaltsmittel noch wirtschaftlicher verwendet werden. Erste Besprechungen zum Vorhaben zunächst mit den Verantwortlichen im Amt für Heeresentwicklung sind für November 2022 vorgesehen.

Zusammenfassung

Instandsetzungspersonal aller Ebenen muss und wird mit qualitativ hochwertiger Ausbildung auch zukünftig bestmöglich befähigt werden, Landsysteme unter allen Bedingungen, in Frieden, Krise und Krieg, instand zu halten. Für die TSH ist dieses Rational handlungsleitend!

BrigGen Dirk Kipper, Kommandeur der Technischen Schule des Heeres, informierte über Aktuelles aus der TSH. Blauer Bund
BrigGen Dirk Kipper, Kommandeur der Technischen Schule des Heeres, informierte über Aktuelles aus der TSH.

Text: Brigadegeneral Dirk Kipper, Kommandeur der Technischen Schule des Heeres
Anm. Red.: Dieser Artikel steht im Zusammenhang mit dem Vortrag des Autors bei der Informationsveranstaltung des Blauer Bund e.V. im November 2022